AZ-Interview
Fritz Fischer über Biathlon-WM: "Noch vier Medaillen"
22. Februar 2020, 15:51 Uhr aktualisiert am 22. Februar 2020, 15:51 Uhr
In der AZ spricht Fritz Fischer über die Biathlon-WM. Warum er so zuversichtlich für die letzten Rennen ist - und er sich trotz Silber über Preuß geärgert hat: "Sie hat noch zwei Medaillen hergeschenkt."
Der frühere Biathlet und Staffel-Olympiasieger Fritz Fischer war Disziplintrainer der deutschen Männer-Nationalmannschaft. In Ruhpolding betreibt er ein Biathlon-Camp für den Nachwuchs.
AZ: Herr Fischer, am letzten Wochenende der Biathlon-WM stehen mit den Staffeln und den Massenstarts noch einmal vier Wettbewerbe an. Wie fällt Ihr bisheriges Fazit aus?
FRITZ FISCHER: Dreimal Silber bisher, das ist im Großen und Ganzen okay, vor allem das Frauenteam hat sich gut präsentiert. Bei den deutschen Männern läuft es ein bisschen unglücklich, die haben am Schießstand gepatzt und wurden unter Wert geschlagen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig dieser Schießstand in Antholz ist. Aber ich wage jetzt mal eine Prognose: Ich glaube, dass wir in allen vier Rennen am Wochenende noch eine Medaille gewinnen werden. Gerade die Staffeln, das ist unser Metier, werden beide um den Sieg mitlaufen.
"Der beste Trainer ist der Athlet selbst"
Angesichts der Probleme der deutschen Männer am Schießstand gab es zuletzt Diskussionen, ob man einen eigenen Schießtrainer einstellen sollte, wie das andere Nationen erfolgreich praktizieren.
Da halte ich dagegen: Den französischen Frauen hat ihr Schießtrainer gar nichts geholfen, die haben nichts getroffen - und stehen noch immer ohne Einzelmedaille da. Mein Credo ist immer: Der beste Trainer ist der Athlet selbst. Er kann sich Tipps von außen holen, da ist ein guter Trainer schon wichtig, aber im Rennen liegt die Verantwortung bei dem Sportler: Er muss wissen, wie er sich fühlt, in welchem Tempo er schießen kann, ob er nach einem Fehlschuss vielleicht noch einmal runterfahren und neu ansetzen muss. Dieses In-Sich-Hineinhorchen zeichnet einen Topathleten aus, wie man am Mittwoch im Einzel bei Martin Fourcade gesehen hat - wie gezielt der am Schießstand gearbeitet hat. Da muss sich jeder der deutschen Athleten abends im Bett mal fragen, ob er das genauso fokussiert angegangen ist.
Am Samstag wird nun Erik Lesser als Startläufer die deutsche Staffel ins Rennen führen...
Das war mir klar.
Die richtige Entscheidung, obwohl Lesser den größten Teil der Saison völlig außer Form war und nicht mal die WM-Norm geschafft hat?
Nach dem Erfolg mit Silber in der Single-Mixed-Staffel hat er Selbstvertrauen getankt. Johannes Kühn, der für ihn rausgeflogen ist, ist zwar der bessere Läufer, aber Lesser ist der sicherere Schütze. Ich denke, er wird das gut machen.
Deutschland hat ein super Nachwuchssystem
Man hat den Eindruck, es fehlen ein bisschen die Nachwuchskräfte, die nachrücken und den Arrivierten Druck machen. In der Staffel muss es jetzt mit Lesser, Arnd Peiffer und Benedikt Doll wieder die Generation der um die 30-Jährigen richten.
Nach der WM müssen wir uns alle im deutschen Verband einmal zusammensetzen und dieses Thema besprechen. Ich glaube, dass wir die Kinder und Jugendlichen ruhig härter anfassen dürfen. Auch im Fußball spielen 18-Jährige schon in der Champions League. Wenn jemand den Durchbruch in die Weltspitze schaffen will, dann gehört auch harte Belastung dazu. Aber insgesamt haben wir ein super Nachwuchssystem, ich bin ja als Talentscout unterwegs und sehe, wie viele talentierte Kinder und Jugendliche wir haben. Deshalb bin ich sehr positiv gestimmt, dass in nächster Zeit auch wieder gute junge Athleten nachrücken. Eines ist natürlich klar: In Deutschland sind die Erwartungen immer immens hoch. Unsere Erfolge von früher sind für die neue Generation eine große Bürde.
Besonders gefreut haben dürften Sie sich am Donnerstag über Silber von Franzi Preuß, deren Mentor Sie sind, mit Lesser in der Single-Mixed.
Ja, aber ich habe mich trotzdem geärgert. Sie hat in den vorherigen Rennen zwei Medaillen mit Leichtsinnsfehlern hergeschenkt. Da hat sie sich nicht an das gehalten, was wir im Sommer geübt haben. Was sie für eine tolle Schützin ist, haben wir am Donnerstag gesehen, aber sie darf ihr schnelles Schießen nicht übertreiben. Trotzdem war sie nach der Medaille natürlich total erleichtert, sie hatte ja wieder ein schwieriges Jahr mit vielen Krankheiten. Ich bin zuversichtlich, dass sie in der Staffel und im Massenstart nachlegen kann.
Lesen Sie auch: Doping-Razzia bei Biathlon-Weltmeister Loginow