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Bobfahrer Johannes Lochner: "Der Druck ist weg"
27. Januar 2023, 17:50 Uhr aktualisiert am 27. Januar 2023, 17:50 Uhr
AZ-Interview mit Johannes Lochner: Der 32-jährige Oberbayer ist viermaliger Weltmeister im Team und Viererbob. Bei Olympia holte er zweimal Silber.
AZ: Herr Lochner, Sie haben zuletzt ja gestrahlt wie ein Honigkuchenpferd. . .
JOHANNES LOCHNER: Ja, es läuft einfach gut. Das Bobfahren macht mir tatsächlich wieder Spaß. Das war vorige Saison überhaupt nicht so. Speziell bei den Olympischen Spielen in China: Da sind wir sieben Wochen im Land und sehen nix außer dem Bett und das Zimmer - und manchmal noch die Bobbahn und den Kraftraum. Sowas schlägt mir aufs Gemüt. Bei uns in der Mannschaft waren wir immer coronafrei, aber auch nur, weil wir uns haargenau an die Vorgaben gehalten haben und die waren streng. Und wenn du dann noch Wettkämpfe ohne Zuschauer fährst. . .
Die Biathleten haben beim Heim-Weltcup in Ruhpolding erzählt, wie viel Ihnen das gibt, wenn die Fans wieder an der Strecke stehen. Wie ist das bei Ihnen?
Ich bin heilfroh, dass wir wieder Zuschauer an der Bahn haben, damit endlich wieder was los ist.
Wie wirkt sich das aufs Rennen aus? Hören Sie die Fans, wenn Sie mit 160 Sachen die Bahn runterschießen?
Bei uns beeinflusst das alles, was am Start passiert. Vielleicht sind wir deswegen auch immer so gut gestartet. Früher ist das manchmal zu viel geworden, aber jetzt freut es mich immer, wenn mich die Leute nach einem gemeinsamen Foto oder einem Autogramm fragen.
Sie haben mit Ihrem Partner Georg Fleischhauer im Zweierbob drei Saisonsiege geholt. Sie wirken vor der WM befreit.
Jetzt ist der Druck weg. Ich habe mit der Medaille bei den Olympischen Spielen alles erreicht, was ich erreichen wollte.
Sie hatten sich im Sommer ja Zeit genommen, zum Nachdenken, ob Sie die Karriere nicht beenden sollen. Machen Sie nächste Saison dann weiter?
Ich habe immer gesagt, bis Olympia in Peking und dann schauen wir. 2018 war bitter, ich habe mir gesagt, ich bin zu gut, um ohne Olympia-Medaille aufzuhören. Meine ganzen Planungen waren auf 2022 ausgerichtet, da wollte ich dann auch die Uni fertig haben und nicht finanziell abhängig vom Bobfahren sein. Ich habe mich dann entschieden, weiterzumachen, durch das, dass ich gesetzt bin und mich nicht qualifizieren musste und weil die Sponsoren fest hinter mir stehen. Wie es weitergeht - keine Ahnung, das schauen wir dann nach der Saison. Ich lebe gerade in den Tag hinein.
Sie sind Elektrotechniker - ein gesuchter Beruf. Worin haben Sie Ihre Masterarbeit an der TU München geschrieben?
Ich habe ein Messgerät für ein Computer Controlled Vehicle entwickelt, zum Thema Crashtest.
Das haben Sie hoffentlich nicht mit Ihrem Bob ausprobiert?
Nein. (lacht)i Da war das Eis abgetaut. Jochen Buck, der Chef für die Firma, bei der ich arbeiten werde, ist Vereinspräsident des BC Stuttgart Solitude, für den ich als Bobfahrer starte. Er hat eine Firma namens Ifosa, ein Institut für forensisches Sachverständigenwesen, das unter anderem Gutachten für die Staatsanwaltschaft erstellt. Ein Teil des Fachgebiets sind Crashtests: Da wird festgestellt, ob ein Unfall so stattgefunden haben kann. Ich habe dazu ein Messgerät entwickelt.
Haben Sie schon das Patent angemeldet?
Noch nicht, müsste ich aber bald. (lacht)i
Die Firma sitzt in München. Bleiben Sie dann in Schönau am Königssee wohnen?
Ja. Wir wollten uns eigentlich ein Grundstück kaufen, das habe ich dann aber nicht gekriegt. Und dann hat die Weltwirtschaft die Zinsen raufgetrieben, massiv nach oben - dann kann sich kein Normalsterblicher das Bauen mehr leisten. Wir haben uns dann nach einem Mietobjekt umgesehen und haben auch eins gefunden - 500 Meter Luftlinie von dem Haus meiner Eltern. Ideal. Größer als das, was wir bisher hatten. Jetzt brauchen wir gar nicht mehr bauen.
Nun läuft die Bob-WM in St. Moritz, zuerst sind Sie im Zweier dran. Was sind da Ihre Ziele?
Das Zweiergold fehlt mir noch. Silber habe ich schon oft genug geholt. Im Vierer möchte ich auch schauen, was geht. Das ist eine lange Bahn, da kann man viel bewegen. Wenn es glatt läuft. . .
Zuletzt sind Sie vor dem langjährigen Dominator Francesco Friedrich gelandet. Ist ein Machtwechsel im Gange?
In Lake Placid, das war einfach ein guter Tag, so einen hat man hin und wieder. Da war ich einmal deutlich vor ihm. In Winterberg ist Francesco angeschlagen gefahren, deswegen kann man das nicht voll werten. Aber wer ihn kennt, der weiß: Er wird zur WM topfit dastehen. Das hoffe ich auch, dass dem so ist. Wenn ich sonst gegen ihn gewänne, würde mich das nicht so recht befriedigen. Den Geschichtsbüchern ist das egal, die sagen nur, wer gewonnen hat. Aber ich würde gerne gegen einen fitten Francesco Friedrich gewinnen, das wäre viel wert. Es ist möglich, ihn zu schlagen, aber verdammt schwer.