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Benedikt Doll im AZ-Interview: "Mit der Vaterschaft kam ein Puzzlestück hinzu"
6. Februar 2023, 18:58 Uhr aktualisiert am 6. Februar 2023, 18:58 Uhr
AZ-Interview mit Benedikt Doll: Der 32-jährige Schwarzwälder ist das deutsche Aushängeschild im Männer-Biathlon. Er ist mehrfacher Medaillengewinner.
AZ: Herr Doll, Sie sind seit Sommer der Leitwolf der deutschen Biathleten und zugleich auch Vater. Welche Rolle ist herausfordernder?
BENEDIKT DOLL: Vatersein ist wesentlich herausfordernder. Im Biathlon gibt es auch immer Dinge, die man verbessern kann, aber da habe ich inzwischen genug Erfahrung und weiß, was ich tun muss. Als Vater hat man auf ganz viel Dinge keine Antwort. Man hinterfragt sich als Vater häufig, ob man das richtig macht - oder ob man etwas ändern soll.
Wie gehen die beiden Rollen zusammen?
Eigentlich klappt es ganz gut. Vor der Saison war da ein großes Fragezeichen, ich war unsicher, wie es zusammengeht. Klar, mit dem Kind ist man den ganzen Tag beschäftigt und das Training leidet etwas. Ich bin aber froh, dass ich so gut in die Saison gestartet bin. Ich hatte doch eine gute Vorbereitung im Gesamten.
Sie gelten nicht eben als großer Frühstarter in die Saison, waren aber vor den anstehenden Weltmeisterschaften mehrmals auf dem Podest. Wie haben Sie das so gut hinbekommen?
Es ist die Erfahrung und ich habe vor einem Jahr größere trainigstechnische Änderungen vorgenommen. In diesem Sommer folgte noch die Feinabstimmung. Es ging zum Beispiel um die Dosierung und Abstimmung von schnellen und langsamen Übungen oder die Trainingsgestaltung bei schnellen Übungen: Intervalle oder durchgängig Belastung?
Auch da kommt wieder der Analytiker in Ihnen durch.
Es gibt nicht das eine Training, das für alle gut ist. Ich versuche, nicht nur immer auf die Werte zu achten, sondern auf das Gefühl. Zum Beispiel trainiere ich relativ wenig mit Pulsmessung.
Welche Analysemethoden machen Sie im Biathlon?
Für mich ist die Pulsmessung eher im langsamen Training wichtig, weil ich dazu neige, zu schnell zu werden und es so besser kontrollieren kann. Wir machen verschiedene Tests, zum Beispiel VO2max, also wie viel Sauerstoff ein Mensch während der Belastung aufnehmen und verwerten kann. Aber es ist was anderes, wenn man einen Berglauf macht und sich battlet.
Ihre Mutter war ja Bergläuferin. Bringt es Ihnen etwas, in schöner Natur zu laufen?
Mein Vater war Langläufer und Bergläufer, meine Mutter Langstreckenläuferin und auch meine Schwester ist sehr sportlich. Um auf die Frage zurückzukommen: Indoor-Sport finde ich wirklich schrecklich. Selbst, wenn es unangenehm ist und es regnet, gehe ich lieber draußen laufen.
Wie hat die Vaterschaft Ihre Perspektive auf den Biathlon und das Leben verändert?
Sie hat sich nicht erst durch die Vaterschaft verändert. Auch durch mein abgeschlossenes Studium vor ein paar Jahren habe ich konkrete Vorstellungen, was ich später, nach der Biathlon-Karriere, mal machen will. Das gibt mir Sicherheit. Mit der Vaterschaft kam ein weiteres, entscheidendes Puzzlestück dazu. Zu Beginn meiner Karriere wollte ich unbedingt in den Weltcup und hatte Angst, dass ich, wenn es schlecht läuft, wieder aus dem Kader gestrichen werde. Da war dauernd Stress und Druck. Heute sehe ich das anders: Wenn es an einem Tag mal nicht so gut läuft, dann ist das eben so. Natürlich will ich gewinnen, aber ich kann es nach dem Rennen schneller abhaken als früher.
Jetzt steht die Heim-WM in Oberhof an. Spüren Sie Druck?
Ich versuche, mir die Lockerheit zu bewahren und freue mich stattdessen sehr, in Oberhof zu laufen. Da ist ein geiles Publikum. Es ist tatsächlich sehr schön, wieder vor Zuschauern zu laufen. Das war während Corona nicht leicht. Ich merke das auf der Strecke schon, wenn die Leute uns da anfeuern.
Wer schlägt in Oberhof die Norweger? Johannes Thingnes Bö kommt mit sechs Siegen in Folge - Rekord im Männer-Weltcup - zur WM. Kann dieser Rucksack für ihn zu schwer sein?
Ich weiß nicht, ob es für ihn ein Rucksack ist. An seiner Stelle würde ich entspannt loslaufen. Er läuft in einer anderen Liga. Die anderen Norweger sind schlagbar. Ihr Team an sich ist stark: Einer trifft immer gut, vielleicht auch ein zweiter. Dann wird es schwer. Wir haben ja mit Johannes Kühn, Roman Rees und mir Athleten, die läuferisch vorne mitmischen können, aber mit dem Schießen klappt es bei uns nicht so konstant. Das kriegen die Norweger aktuell besser hin.
Gibt es denn ein Rezept, um das Schießen konstant hinzubekommen?
In Antholz war ich gar nicht mehr zufrieden mit meinem Schießen. Wenn die Wettkampfphase lang ist, wird man am Schießstand hudelig.
Da tat die Pause zuletzt also gut?
Es ging darum, sich Sicherheit und Ruhe zu holen. Ich denke, das ist mir gelungen.
Sie haben im Sommer angekündigt, dass diese oder die kommende Saison Ihre letzte sein wird. Sie hatten in der Kindheit eine ehrenamtliche Betreuerin, die Sie und andere Nachwuchsbiathleten zum Training brachte und Ihnen so die Karriere ermöglichte. Wäre so eine Rolle auch mal was für Sie?
Ich kann mir das vorstellen. Am Ende des Tages lebt der Sport vom Ehrenamt. Hauptberuflicher Trainer will ich nicht werden, aber im Ehrenamt kann ich mir das vorstellen. Ich habe eine starke Verbindung zum Sport und auch mit der Region. Ich will etwas zurückgeben und ich möchte, dass sich die Kinder bewegen und Sport machen. Das soll auch bei meinem Kind so sein. Und es wäre auch schön, wenn München eines Tages Olympia bekommt.
Hmm. Schnee lag zuletzt hier nicht viel.
Ach, darum geht es doch nicht. Die Gründe sind andere. Die Leute sehen die Kosten und nicht, was am Ende dabei herauskommt. Die European Championships waren doch so cool. Ich wäre gerne hin, das traf aber mit der Geburt meines Kindes zusammen. Grundsätzlich finde ich aber Städte stark, die so ein Event austragen.