Trotz Kritik
"Wütender" Löw hält an seinem Weg fest
7. Dezember 2020, 18:45 Uhr aktualisiert am 7. Dezember 2020, 21:41 Uhr
Joachim Löw hat sein Schweigen gebrochen - und hatte richtig was zu sagen. Der "verärgerte" Bundestrainer zeigt sich "maßlos enttäuscht" von der DFB-Spitze um Fritz Keller. Von seinem Weg will er nicht abrücken.
Joachim Löw hatte sich für sein Plädoyer in eigener Sache einen weinroten Rollkragen-Pulli angezogen - und der schwerste Angriff des "verärgerten" sowie "wütenden" Bundestrainers galt dem DFB-Präsidium um den Winzer Fritz Keller. Die Durchstechereien der vergangenen Tage hätten ihn "persönlich maßlos enttäuscht", schimpfte er. An seinem Weg, das betonte Löw in seinem einstündigen Auftritt in der Frankfurter Verbandszentrale mehrfach, halte er trotz aller Kritik fest.
Löw teilt aus: "Da herrscht Explosionsgefahr bei mir"
DFB-Direktor Oliver Bierhoff hatte für den mit Spannung erwarteten ersten Auftritt Löws nach der 0:6-Schmach in Spanien "Feuer" versprochen - und Löw lieferte. Der Gedanke an einen Rücktritt sei ihm "nicht" gekommen, betonte Löw, der seine "rote Linie" vehement verteidigte - und austeilte. Vor allem Richtung eigener Führung, von der er "Geschlossenheit" forderte statt "Störfeuer". Denn: "Da herrscht Explosionsgefahr bei mir, wenn Dinge nach außen gehen, die nicht nach außen gehören!"
Das viel diskutierte Comeback des einstigen Weltmeister-Trios Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels, stellte Löw klar, werde es nur im Notfall geben. Wenn er vor der EM im Sommer erkenne, "es braucht dies oder jenes noch, um erfolgreich zu sein, wird man das auf jeden Fall noch tun". Aktuell sehe er für eine Rückholaktion "keine Veranlassung".
Löw hat Keller "deutlich gemacht, was mich gestört hat"
Der interne Vorstoß Kellers, ihn nach der EM vor Vertragsende loszuwerden, sei "so nicht in Ordnung gewesen", betonte Löw am Montag, er habe sich "nicht einverstanden erklärt" damit. In einem Telefonat mit Keller habe er "deutlich gemacht, was mich gestört hat". Nach dieser Aussprache sei die Sache "für mich erledigt".
Das gilt aber ganz offensichtlich nicht für die vielen Indiskretionen. "Das hat mit Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu tun", betonte Löw. Dass Interna an die Öffentlichkeit gelangten, habe ihn "sehr geärgert" und "das habe ich auch klar und deutlich gesagt". In der Präsidiumssitzung am Montag vergangener Woche sei ihm aber auf seinen Wunsch hin das Vertrauen ausgesprochen worden, "das war mir wichtig".
"Emotionale Distanz" verordnet: "Für mich unverständlich"
Ebenso zeigte sich Löw über eine DFB-Mitteilung nach dem Spanien-Debakel verärgert. Dass ihm dort "emotionale Distanz" verordnet wurde, "war für mich unverständlich". Diese habe er nicht gebraucht, betonte der 60-Jährige. "Ich habe gesagt: 'Gebt mir einen Tag Zeit'."
Löw trat auch entschieden der Deutung entgegen, er sei nach Sevilla abgetaucht. Darüber habe er sich "ein bisschen gewundert. Ich entscheide, wann ich rede. Und ich muss ja nicht ständig in der Öffentlichkeit stattfinden."
"Brodelt immer noch in mir"
Das 0:6, auch das wurde deutlich, nagt noch an Löw. Die Wut, die er danach empfunden habe, "brodelt immer noch in mir", sagte er. Gründe für die historische Pleite nannte er auch, etwa jenen, dass seine Elf nach dem 0:1 seine "taktische Vorgabe verlassen" habe.
Zweifel an der verjüngten Auswahl habe er deshalb jedoch nicht. Das Vertrauen sei "absolut vorhanden". Die Mannschaft habe sich "sehr, sehr gut entwickelt", auch wenn sie 2020 "ein bisschen stehengeblieben" sei. Um sie zu beobachten, würde er "am liebsten zu Fuß in jedes Stadion laufen" - die Pandemie aber verhindere dies.
Löw sprach unmittelbar vor der Auslosung der Qualifikation für die WM 2022 am Abend in Zürich, die im März startet und damit Löws nächste Herausforderung noch vor der EM im Sommer darstellt. Die DFB-Auswahl war als einer von zehn Gruppenköpfen gesetzt. Doch vor dem Hintergrund des Löw-Auftritts rückte die Frage nach den Quali-Gegnern in den Hintergrund.
Dass sich Löw erst drei Wochen nach der Schmach von Sevilla äußerte, hatte vielfach Kritik provoziert. Auch, weil er nach der Jobgarantie durch den DFB zu Beginn der vergangenen Woche abermals kommentarlos abgetaucht war. Statt Löw nahm zunächst nur Bierhoff - und verteidigte den langjährigen Weggefährten wortreich.