Löwen droht der Zerfall
TSV 1860: Neben Efkan Bekiroglu könnten noch weitere Säulen wegbrechen
5. Juni 2020, 7:13 Uhr aktualisiert am 5. Juni 2020, 7:13 Uhr
Nach dem Wechsel von Spielmacher Efkan Bekiroglu in die Türkei könnten weitere Abgänge folgen. Sportchef Günther Gorenzel sind wegen der Fortführungsprognose die Hände gebunden.
München - Nun ist es also fix: Sechzigs wohl besten Fußballer zieht es im Sommer Richtung Türkei, genauer gesagt zum Erstligisten Alanyaspor. "1860 wird für mich immer eine Herzensangelegenheit sein. Ich habe hier meinen Durchbruch in den Profifußball geschafft und werde mich immer mit dem Verein und der Stadt verbunden fühlen", erklärte Spielmacher Efkan Bekiroglu am Donnerstag per Pressemitteilung des TSV 1860.
Insider spricht von möglicher "Spielerflucht"
Nach AZ-Informationen könnte der schmerzhafte, aber seit Wochen besiegelte Abgang des 24-Jährigen nur der Anfang sein.
In einem Schreiben an die AZ fürchtet ein Insider beim TSV 1860 eine wahre "Spielerflucht": Darin heißt es, dass neben Bekiroglu weitere Akteure mit dem Gedanken spielen, den Klub zu verlassen. Und das, obwohl sie gerne bleiben würden. Der Grund: Während es unter Trainer Michael Köllner sportlich läuft, geht bei den Löwen in Sachen Kaderplanung - mal wieder - nichts voran.
"Ich glaube, dass die Gefahr sehr groß ist, dass diese Mannschaft zerfällt - und das würde mir sehr, sehr wehtun", schreibt der Verfasser, der ein guter Freund eines Spielers ist. Wie die AZ aus Beraterkreisen erfuhr, wächst tatsächlich die Unzufriedenheit mehrerer Profis: Sie wünschen sich Klarheit, ob sie weiter den Löwen auf der Brust tragen dürfen - oder andere Wege gehen müssen. Der Brief scheint eine Art letzter Hilferuf zu sein: Sollen wir Bekiroglu folgen, obwohl wir gerne bleiben würden?
Transfers: 1860 ist derzeit handlungsunfähig
Sport-Boss Günther Gorenzel hat nach AZ-Informationen mehrere unterschriftsreife Verträge in seiner Schublade liegen, etwa für Torjäger Sascha Mölders. Der 35-Jährige hat nach anfänglichen Abschiedsgedanken eine wahre Tor- und Leistungsexplosion hingelegt, seinen Entschluss längst überdacht. Mit Tim Rieder und Aaron Berzel würden zwei absolute Leistungsträger weiter gerne Sechzger bleiben, sollte der TSV den aktuell von privaten Gönnern finanzierten Verteidiger und den Leihspieler vom FC Augsburg weiter binden können. Selbst Spieler wie Kapitän Felix Weber oder Nico Karger, derzeit ohne Stammplatz, aber zweifellos weiß-blaue Identifikationsfiguren, würden sich am liebsten durchbeißen. Einziges Problem: 1860 ist derzeit handlungsunfähig.
Nach AZ-Informationen sind Gorenzel, obwohl die Löwen am Weiterverkauf von Felix Uduokhai vom VfL Wolfsburg zum FC Augsburg partizipieren (rund 700.000 Euro der rund sieben Millionen Ablöse gehen dank einer Vertragsklausel an 1860), die Hände gebunden: Ob für Alpha-Löwe Mölders oder Youngster Niklas Lang, der ebenfalls bleiben soll - Gorenzel kann momentan keinen einzigen Vertrag unterzeichnen.
Einigen sich die zerstrittenen Gesellschafter?
Der Grund? Seit dem Doppel-Abstieg im Sommer 2017 müssen die Giesinger eine positive Fortführungsprognose nachweisen. Die Corona-Krise hat Sechzigs wirtschaftliche Engpässe verschärft, weshalb aus rechtlichen Gründen erst einmal ein Finanzloch geschlossen werden muss, damit sich die besagte Prognose im Rahmen einer demnächst folgenden Überprüfung verlängert. Erst dann kann Finanz-Geschäftsführer Michael Scharold den Etat für die kommende Saison aufstellen.
Wer die aktuellen Verhältnisse bei 1860 kennt, der weiß: Die Löwen "erwirtschaften" jährlich ein Millionen-Minus. Ausgerechnet jetzt muss ein Nachfolger für den scheidenden Scharold gefunden werden, was die Lage weiter verkompliziert: Die e.V.-Seite um Präsident Robert Reisinger hat bekanntlich Marc-Nicolai Pfeifer (Geschäftsführer der Stuttgarter Kickers) vorgeschlagen, die Ismaik-Seite Wolfsburgs Ex-Marketingleiter Sven Froberg. Setzt der Beirat Pfeifer per 50+1-Regel durch, brüskiert man Ismaik, der derzeit wohl als Einziger die Löcher stopfen kann. Es scheint nur zwei Auswege zu geben, damit nach Bekiroglu nicht die nächsten Domino-Steine fallen: den (lukrativen) Aufstieg - oder eine schnelle, einvernehmliche Einigung von Sechzigs zerstrittenen Gesellschaftern.
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