Landshut

Sebastian Dreier ist auf dem Weg zum Fußballlehrer


Sebastian Dreier, hier noch als Trainer bei der SpVgg Unterhaching, absolviert in der kommenden Saison den Fußballlehrer-Lehrgang und trainiert die U15-Mannschaft des FSV Mainz 05.

Sebastian Dreier, hier noch als Trainer bei der SpVgg Unterhaching, absolviert in der kommenden Saison den Fußballlehrer-Lehrgang und trainiert die U15-Mannschaft des FSV Mainz 05.

Der Landshuter Sebastian Dreier musste seine aktive Fußballerkarriere früh beenden. Nach Trainerjobs im Nachwuchs des FC Bayern und der SpVgg Unterhaching macht er nun den Fußballlehrer.

Es war ein prominent besetzter Zug, in dem sich Sebastian Dreier in den vergangenen Wochen regelmäßig am Sonntagnachmittag von München in Richtung Hennef aufgemacht hat. Daniel Bierofka saß zum Beispiel drin, der Aufstiegstrainer des TSV 1860 München. Oder Patrick Mölzl, ehemaliger Zweitligaprofi in Augsburg und Ingolstadt. Für Dreier und seine Kollegen ging es zum Lehrgang für den Fußballlehrer, die höchste Trainer-Ausbildung in Deutschland.

Der Landshuter Dreier wird zukünftig aber nicht mehr in München zusteigen. Ihn zieht es beruflich nach Mainz, dort wird er im Nachwuchsbereich des Bundesligisten einsteigen und die U15-Mannschaft trainieren. Für Mainz hat er sich entschieden, weil der Verein für seine gute Jugendarbeit bekannt sei und er selbst dabei noch einiges lernen könne. "Ein netter Nebeneffekt" sei die kürzere Anfahrt, sagt er. Auch wenn Dreier gerne in der niederbayerischen Heimat ist. Er ist ein Familienmensch und genießt den heimischen Garten.

In den nächsten Monaten wird er nicht viel Zeit haben, um im Garten zu entspannen. Zehn Monate dauert die Ausbildung zum Fußballlehrer. Dazu ist die Arbeit als Trainer in einem Profi-NLZ ein Fulltimejob. Gutes Zeitmanagement ist da gefragt. Aktuell ist Dreier in Finnland bei der U19-Europameisterschaft. Seine ersten Eindrücke vom Lehrgang beschreibt Dreier als absolut positiv. "In der Gruppe herrscht ein sehr hohes Niveau. Jeder Teilnehmer kommt aus einem unterschiedlichen Tätigkeitsbereich, dadurch hat jeder einen anderen Blickwinkel auf den Fußball, das macht es total interessant."

Karriereende mit 21

Dass Sebastian Dreier bereits im Alter von 26 Jahren auf dem Weg zum Fußballlehrer ist, hat eine Vorgeschichte. Er war auch als aktiver Fußballer sehr talentiert, spielte im Nachwuchs des TSV 1860 München, später beim FC Bayern. Doch Verletzungen verhinderten eine Karriere im Profibereich. Mit 21 Jahren hatte er seine dritte schwere Knieverletzung. Während der Reha schnupperte er im Bayern-Nachwuchs als Co-Trainer in den Job eines Übungsleiters. Ihm gefiel es und er entschied sich, auf diese Karte zu setzen. Dreier machte seine Trainerscheine und arbeitete im Nachwuchs des Rekordmeisters. Bei der U17-Mannschaft war er zunächst der Assistent von Heiko Herrlich und später von Tim Walter.

Der 26-Jährige hatte in seiner bisherigen Laufbahn schon mit vielen verschiedenen und namhaften Trainern zu tun. Als Aktiver kickte er unter Mehmet Scholl, Kurt Niedermayer, dem in jungem Alter verstorbenen Stephan Beckenbauer oder Andries Jonker. Gelernt hat er von jedem dieser Trainer etwas. "Jeder hatte seine eigene Herangehensweise." Besonders interessant war für ihn Jonker, geprägt von der holländischen Schule. Ballbesitz extrem und eine klare Analyse zeichneten ihn aus.

Dreier war in den Jugendmannschaften meistens Kapitän, der Weg zum Trainer schon in dieser Zeit ein Stück weit vorgezeichnet. "Mich hat schon damals interessiert, was die Trainer machen und vor allem warum. Ich habe immer hinterfragt, welche Entscheidungen sie getroffen haben." Mit Anfang 20 hat er dann erstmals selbst die Perspektive eines Trainers eingenommen. Er durfte an der Seite von Herrlich und Walter reifen. "Von Heiko Herrlich habe ich vor allem von seiner Persönlichkeit wahnsinnig viel mitgenommen. Er hat als Profi und Mensch unwahrscheinlich viel erlebt, das ist beeindruckend. Auch seine Herangehensweise als Trainer hat mich inspiriert. Er war sehr akribisch, hat viel mit Video gearbeitet", blickt Dreier zurück. Tim Walter dagegen habe eine sehr gute Herangehensweise gehabt, wenn es darum ging, zu bestimmten Trainingsschwerpunkten Übungen zu entwickeln. "Er hat sehr gut im Detail gearbeitet."

Psychologe, Pädagoge, Trainer

Dreier legte neben den Erfahrungen auf dem Platz auch Wert auf die Ausbildung daneben. 2014 hat er die UEFA-Elite-Lizenz gemacht, 2015 die A-Lizenz. Seit 2014 studierte er Sportwissenschaft, hat vor kurzem seine Bachelorarbeit abgegeben. Zwei Monate hat er ein Praktikum beim FC Arsenal gemacht, wo sein ehemaliger Trainer Andries Jonker Academy-Manager war. Der junge Coach hat schnell die Liebe zu dem Job entdeckt. Was ihn so fasziniert? "Der Trainerberuf ist sehr facettenreich", erklärt Dreier. "Manchmal bist du als Psychologe gefragt, manchmal als Pädagoge. Und manchmal bist du einfach nur Trainer auf dem Fußballplatz."

Nach seiner Zeit im Bayern-Nachwuchs zog es den Niederbayern vor zwei Jahren ein paar Kilometer weiter, zum Münchner Vorstadtclub SpVgg Unterhaching. Dort gaben die Verantwortlichen ihm die Chance als Cheftrainer. Er trainierte zunächst ein Jahr die U17 in der B-Junioren-Bundesliga, vergangene Saison die U19 in der A-Jugend-Bundesliga. "Ich habe die Entscheidung sehr bewusst getroffen, als Cheftrainer zu arbeiten", sagt Dreier. Es sei anfangs schon eine Umstellung gewesen, "plötzlich für das große Ganze verantwortlich zu sein. Aber ich bin an der Aufgabe gewachsen."

Der Job als Trainer in einem Nachwuchsleistungszentrum ist ein Fulltimejob. Mehrmals die Woche Training, dazu Vor- und Nachbereitung von Einheiten und Spielen, Videoanalyse der eigenen Mannschaft und des nächsten Gegners. Es geht darum, die Talente sportlich weiterzubringen, sie aber auch auf die raue Welt des Herrenfußballs vorzubereiten. "Es ist ein schwieriger Spagat zwischen Ergebnis und Ausbildung", so Dreier. Dass er bereits in jungem Alter diese Verantwortung übernommen hat, sieht Dreier keineswegs negativ. "Ich bin davon überzeugt, dass im Trainerberuf das Alter keine wirkliche Rolle spielt." Es gebe ohnehin keinen goldenen Weg. Erfolgreich seien Julian Nagelsmann in Hoffenheim und Domenico Tedesco auf Schalke genauso wie Jupp Heynckes bei den Bayern und Friedhelm Funkel bei Fortuna Düsseldorf.

Authentischer Schiffskapitän

Dreier ist dabei, seinen eigenen Weg als Trainer zu finden. Dabei hilft auch der Fußballlehrer-Lehrgang. Man müsse sich das wie ein großes Buffet mit einem sehr vielfältigen Angebot vorstellen, veranschaulicht Dreier. Jeder Trainer könne sich das für ihn Passende nehmen und damit seine eigene Art entwickeln. Für ihn ist ohnehin das Wichtigste, authentisch zu sein. Sportlich gefällt ihm Ballbesitz-Fußball und er mag es, wenn eine Mannschaft eine klare Idee mit dem Ball hat. Wichtig ist ihm, dass seine Spieler aktiv und nicht passiv sind. Dreier ist ein Trainer, der seine Spieler mit ins Boot nehmen und mit ihnen arbeiten will. "Ich sehe einen Trainer als eine Art Schiffskapitän. Man steuert zwar das große Boot, muss sich aber auch bewusst sein, dass es nur funktioniert, wenn alle mitziehen."

Um sich weiterzuentwickeln, ist es Dreier besonders wichtig, sich selbst immer wieder zu reflektieren. "Ich sage meinem Trainerstab immer wieder, dass wir eine Feedbackkultur brauchen, um voranzukommen." Dazu tauscht er sich mit anderen Trainer aus, wie zum Beispiel Heiko Herrlich, der inzwischen in der Bundesliga bei Bayer Leverkusen als Trainer tätig ist. Dreier schaut viel Fußball und liest Interview von anderen Trainern, um sich Inspiration zu holen.

Als Fußballer war es Dreiers Traum, Profi zu werden und einmal in der Bundesliga aufzulaufen. In Erfüllung ging dieser Traum nicht. Aber vielleicht schafft es der Landshuter ja als Trainer. "Mir macht es aktuell wahnsinnig viel Spaß, im Nachwuchsbereich zu arbeiten", sagt er. Vorstellen kann er sich einen Job im Profibereich aber durchaus. "Es ist schon ein Ziel und ein Traum von mir, einmal in diesem Bereich zu arbeiten, wo mir die Fußballlehrerlizenz dann auch etwas nützt." Aber Dreier will diesen Sprung nicht erzwingen. Es gibt immer mehr Trainer, die Jugendteams nur als Sprungbrett nach oben sehen. "Ich verfolge die Devise: Wir Trainer sind für die Kinder da, nicht sie für uns."