Kroatischer "Kaiser"?
Niko Kovac: Warum er auf Franz Beckenbauer folgen kann
11. Mai 2019, 7:57 Uhr aktualisiert am 11. Mai 2019, 7:57 Uhr
Niko Kovac wäre der erst Zweite nach der Lichtgestalt Franz Beckenbauer, der bei Bayern sowohl als Spieler als auch Trainer Meister wird.
München - Noch während der Reporter seine Frage formuliert, taucht Niko Kovac in seine Gedankenwelt ab. Er nickt. Nickt wieder und wieder. Der Fragesteller nimmt das Wort "Achterbahnfahrt" in den Mund, um diese Bayern-Saison zu beschreiben und der Bayern-Trainer fuhr die Spielzeit binnen Sekunden in Gedanken noch einmal ab. Rauf, runter, ein rasanter, wilder Ritt. Triumphgefühle. Schwindelgefühle.
Kovacs erste Bayern-Saison: Eine Achterbahnfahrt
Sieben Pflichtspielsiege inklusive dem Supercup-Erfolg beim gerade erst zum Pokalsieg gecoachten Ex-Klub Eintracht Frankfurt zum Start, Lob hier und da, dann die erste Krise - ausgerechnet zur Wiesn, das 0:3 daheim gegen Gladbach. Kurze Erholung, dann die zweite Krise, auf dessen Höhepunkt (3:3 nach 3:1 gegen Düsseldorf) Kovac beinahe den Job verliert.
Die Dezember-Siegesserie bringt Entspannung, das Überholmanöver gegenüber dem Herausforderer Dortmund war ein Meisterstück (neun Punkte aufgeholt), das Erreichen des Champions-League-Achtelfinals dagegen Pflicht. Dann Lospech: FC Liverpool. Kovac scheitert im März. Auswärts ein achtbares, taktisch kluges 0:0. Im Rückspiel verliert er die Courage und seine Mannschaft den Mut - 1:3. Das furiose 5:0 gegen den BVB macht das 2:3 im Hinrundenduell wett, mit dem glücklichen 3:2 in Bremen wird das Pokalfinale erreicht. Hin und wieder folgen Dellen wie das 1:1 in Nürnberg.
Ein Sieg - und der FC Bayern wäre sicher Meister
"Es ist schon viel gewesen, aber es kann ein gutes Ende nehmen", sagt Kovac und nennt die zehn Monate im Amt kurz vor seinem möglichen Meisterstück "sehr lehrreich". Am Samstag (15.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) hat der 47-Jährige mit seinen Bayern bei RB Leipzig den ersten Matchball. "Wir haben zwei und wollen versuchen, schon jetzt den ersten zu nutzen." Vier Punkte beträgt der Vorsprung auf den BVB, der zeitgleich gegen den bereits geretteten Aufsteiger Düsseldorf antritt.
Die komfortable Ausgangslage: Ein Sieg, und der siebte Titel hintereinander ist perfekt. Wenn Dortmund nicht gegen die Fortuna gewinnt, reicht Bayern ein Unentschieden. Verliert der BVB, können die Münchner selbst bei einer Niederlage feiern. Für Kovac wäre es der größte Erfolg seiner Trainerkarriere. Als Spieler (ab 2001 für zwei Jahre bei Bayern) wurde er 2003 Meister, auch ein Double-Jahr.
Kovac vor seltenem Kunststück
Gelingt diesen Samstag die Meisterkür, steht Kovac auf einer Stufe mit der Lichtgestalt des deutschen Fußballs. Richtig gelesen. Kovac = Kaiser. Denn in der titelreichen Vereinshistorie des FC Bayern war es bisher nur Franz Beckenbauer gelungen, als Spieler (1969, 1972, 1973, 1974) UND als Trainer Meister zu werden. 1994 war er im Winter für den hilf- und glücklosen Erich Ribbeck eingesprungen.
Andere Meistertrainer wie Jupp Heynckes waren mit anderen Vereinen als Aktiver Meister geworden, der Jupp mit Gladbach, Felix Magath mit dem HSV, Ottmar Hitzfeld - das wird oft vergessen - mit dem FC Basel: 1972 und '73. Sonst? Pep Guardiola mit dem FC Barcelona, Carlo Ancelotti (AS Rom und AC Mailand), Giovanni Trapattoni (AC Mailand) sowie Branko Zebec, Bayerns erster Bundesliga-Meistertrainer (1969), mit Roter Stern Belgrad.
Beckenbauer entlastete kritisierten Kovac
Ehrenpräsident Beckenbauer (73) ließ kürzlich aufhorchen, als er betonte, dass er Kovac sogar den Double-Triumph wünsche, "um denen die lange Nase zu zeigen, die nicht an ihn geglaubt haben". Der einst geniale Libero entlastete den intern (vor allem von Vorstandboss Karl-Heinz Rummenigge) und von vielen Fans wie Experten kritisch gesehenen Kovac: "Es ist nicht leicht, die Mannschaft zu trainieren." Die Mannschaft sei "verwöhnt".
Noch will Kovac nicht ans Feiern denken. Das Weißbier ist weit weg. "Ich habe in meinem Leben allzu oft gelernt, dass man erst alles erledigen muss, bevor man sich feiern lässt oder feiert", sagte der Kroate und dachte an die irren Champions-League-Abende dieser Woche. "Der Fußball ist verrückt, bringt so viele schöne und traurige Emotionen. Deswegen werde ich den Tag nicht vor dem Abend loben." Aber einen Wunsch äußern nach einer laut eigenen Worten "sehr intensiven" Saison: "Wenn es ein bisschen ruhiger wäre, wäre es auch nicht so schlecht." Fast ausgeschlossen.