Geisterspiele in der Bundesliga

Kommentar: Künstliche Stimmung? Ganz oder gar nicht!


Keine Zuschauer, keine Stimmung: Gespenstisch ist die Atmosphäre bei Geisterspielen.

Keine Zuschauer, keine Stimmung: Gespenstisch ist die Atmosphäre bei Geisterspielen.

Von Magnus Rötzer

Eingespielte Fangesänge bei Geisterspielen? Pappaufsteller von Fans auf der Tribüne? Nein danke, schreibt unser Autor Magnus Rötzer in seinem Kommentar.

Am Samstag rollt in Deutschlands Fußballstadien wieder der Ball - zumindest in der ersten und zweiten Bundesliga. Es werden Geisterspiele. Ohne Zuschauer, ohne Stimmung. Gespenstisch. Damit es nicht ganz so gespenstisch wird, wollen manche Vereine und auch Pay-TV-Sender "Sky” für künstliche Atmosphäre sorgen. Das geht nicht! Wer Geisterspiele unbedingt braucht, soll sie haben. Aber dann in aller Konsequenz.

Es dürfte am Wochenende für den einen oder anderen Zuschauer vor den Fernsehgeräten ungewohnt sein, wenn nun plötzlich die Rufe der Spieler und Trainer anstelle der Gesänge und Trommelschläge aus den Fankurven zu hören sind. Aus diesem Grund hat sich Pay-TV-Sender "Sky” für seine Kunden etwas einfallen lassen. Nämlich eine neue Audio-Option. "Neben dem Live-Kommentator werden dort auch zum Spielgeschehen passende Fan-Gesänge der beteiligten Mannschaften und Publikumsreaktionen eingespielt", heißt es auf der Homepage des Senders. Ziel sei es, den Kunden und allen Fans auch in dieser besonderern und ungewohnten Situation ein besonderes TV-Erlebnis zu präsentieren.

Auch andernorts wurden sich Gedanken gemacht, wie man den bevorstehenden Geisterspielen einen Hauch Leben einatmen könnte. Bundesligist Borussia Mönchengladbach beispielsweise hat die Aktion "Sei dabei. Trotzdem!" ins Leben gerufen. Die Fans der Elf vom Niederrhein können demnach Kunststofffiguren mit ihren Fotos auf der Tribüne im Borussia-Park platzieren lassen.

Doch es kommt noch abstruser. Zuletzt wurde eine Fan-App namens "Mein-Applaus.de" erstellt, die es Fußballfans ermöglichen soll, von zuhause aus digital für Stimmung zu sorgen. Während des Spiels können in der App vier verschiedene Anfeuerungsbuttons gedrückt werden: Klatschen, Pfeifen, Jubeln und Singen. Je mehr Fans die App benutzen, desto größer soll die Geräuschkulisse, die über die App ausgespielt wird, sein.

Aber wozu das Ganze? Über den Sinn von Geisterspielen lässt sich mit Sicherheit streiten. Viele Clubs bestehen aus finanziellen Sorgen auf die Fortsetzung der aktuellen Saison. Kritiker hingegen heften dem Profifußball eine Sonderrolle an und monieren, dass das Coronavirus beim Betreiben von Mannschaftssportarten leicht übertragen werden kann.

In Deutschland wird der Spielbetrieb nun vor leeren Rängen wiederaufgenommen. Damit muss sich der Fan abfinden. Aber wenn Clubs und Liga unbedingt Geisterspiele wollen, dann müssen diese auch so nackt präsentiert werden, wie sie tatsächlich sind: Emotionslos und leise, ohne Pappfiguren und gekünstelte Stimmung. Alles andere wäre schlichtweg unauthentisch. Die Stimmung in den Bundesligastadien, auf die viele ausländische Fußballfans ob der besonderen Atmosphäre neidisch sind, wird es bei den Geisterspielen nicht geben. Der Funke, der sich von den Rängen auf die Spieler übertragen soll, lässt sich durch keine Stimmungs-App ersetzen. Die bevorstehenden Spiele werden verdeutlichen, dass der Fußball ohne Fans nicht im Ansatz so sein wird, wie ihn die Fans kennen und mögen - nämlich voller Emotionen und mit Stimmung von den Tribünen.