FCB-Nachwuchschef im AZ-Interview

Jochen Sauer: "Der Bayern-Nachwuchs gehört wieder zur Spitze"


Er blickt auf drei erfolgreiche Jahre im Nachwuchsbereich zurück: Jochen Sauer, Leiter des FC Bayern Campus.

Er blickt auf drei erfolgreiche Jahre im Nachwuchsbereich zurück: Jochen Sauer, Leiter des FC Bayern Campus.

Von Daniel Gahn

Drei Jahre nach Eröffnung des FC Bayern Campus zieht Akademie-Chef Jochen Sauer in der AZ eine positive Bilanz. Der Abschied von Sebastian Hoeneß tut ihm immer noch weh: "Der Fluch des Erfolges."

München - Jochen Sauer (47) ist seit 2017 Nachwuchsleiter beim FC Bayern. Zuvor arbeitete er schon für RB Salzburg, Hertha BSC und den VfL Wolfsburg.

AZ: Herr Sauer, den FC Bayern Campus gibt es am 1. August nun genau drei Jahre. Uli Hoeneß hat zur Eröffnung gesagt, dass die Akademie die "Antwort auf den Transfer-Wahnsinn" im internationalen Fußball sein könne. Wenn man die jüngsten Erfolge betrachtet: Hat der FC Bayern die Antwort schon gefunden?
JOCHEN SAUER: Wir sind auf einem sehr guten Weg. Die Spieler sind jetzt dank der verbesserten Infrastruktur und der inhaltlichen Arbeit hier am Campus auf einem höheren und stabileren sportlichen Niveau. Viele Jungs sind inzwischen in der Lage, bei der Mannschaft von Hansi Flick mitzutrainieren, einige haben ihr Debüt in der Bundesliga gegeben. In der Corona-Zeit sind sie nun gute Kader-Alternativen - speziell auch in der kommenden Saison, in der es enorme Belastungen aufgrund des engen Terminplans geben wird. Wir sind stolz auf die Entwicklung, die zum Beispiel Joshua Zirkzee nimmt. Er hat mit seinen Toren schon einen kleinen Beitrag geleistet. Wir haben uns in den drei Jahren an das Niveau der Profimannschaft weiter angenähert.

Wie sehr helfen Ihnen Zirkzee und auch Alphonso Davies als Vorbilder für die gesamte Jugendabteilung?
Für junge Spieler ist es immer wichtig, ihnen einen Karriereplan aufzuzeigen. Bei uns kann man nun konkrete Beispiele nennen, wie es nach oben gehen kann. Und man muss dafür gar nicht mehr so weit in die Vergangenheit gehen, bis zu Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger. Davies und Zirkzee sind große Vorbilder für unseren Nachwuchs und eine zusätzliche Motivation.

Sauer: "Wir beobachten junge Spieler über einen längeren Zeitraum"

Die Trefferquote des FC Bayern bei Nachwuchsspielern aus dem Ausland war zuletzt sehr hoch. Woran liegt das?
Wir beobachten junge Spieler über einen längeren Zeitraum und schaffen uns dadurch ein klares Bild. Europäische Toptalente, die ab ihrem 16. Lebensjahr einen Vertrag bei uns unterschreiben dürfen, sichten wir teilweise schon mit 14 oder 15 Jahren, damit wir letztlich den größtmöglichen zeitlichen Rahmen haben, diese Spieler auszubilden. Unsere Scouts und Trainer schauen sich die fußballerischen Fähigkeiten genau an, für mich stehen auch weiche Faktoren im Fokus: Passt der Spieler von der Persönlichkeit her zu uns? Stimmt sein familiäres Umfeld? Am Ende diskutieren wir intensiv über jede Verpflichtung und kommen zu einem einstimmigen Ergebnis. Dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass uns ein Treffer gelingt.

Was ist das für ein Gefühl für Sie, wenn Zirkzee bei den Profis spielt und ein Tor schießt?
Hermann Gerland hat mir in einem unserer ersten Gespräche gesagt, dass für ihn genau das den Reiz der Nachwuchsarbeit ausmacht: In der Allianz Arena zu sitzen und mit Angstschweiß auf der Stirn die Daumen zu drücken, dass die Jungs aus der Akademie keinen entscheidenden Fehlpass spielen und sich gut präsentieren. Das war bei ihm schon bei Schweinsteiger so. Bei mir ist es ähnlich. Wenn wir Lob dafür bekommen, dass wir einen Spieler an diesen Punkt gebracht haben, wiegt das fast schwerer als ein Titelgewinn. Das ist dann sicher ein großes Erfolgserlebnis.

Jochen Sauer im Gespräch mit AZ-Redakteur Maximilian Koch (r.)

Jochen Sauer im Gespräch mit AZ-Redakteur Maximilian Koch (r.)

Ohne einen Cheftrainer, der auf den Nachwuchs setzt, würde das System nicht funktionieren.
Absolut. Die Nachwuchsarbeit kann nur dann erfolgreich sein, wenn der Profitrainer das nötige Vertrauen und auch den Mut hat, den Jungs eine Chance zu geben.

Hansi Flick hat diesen Mut bewiesen und in der vergangenen Bundesliga-Saison sechs Nachwuchskräften zum Debüt verholfen. Passt diese Konstellation mit ihm?
Hansi Flick hat jahrelang bei der Nationalmannschaft gearbeitet und versucht, die nächste Generation heranzuziehen. Er war auch DFB-Sportdirektor mit dem Fokus auf der Entwicklung der Spieler. Es läuft im Moment wirklich sehr gut. Unsere Nachwuchsspieler sehen, dass eine gewisse Durchlässigkeit gegeben ist und immer wieder die Chance kommt, sich bei den Profis zu präsentieren. Der nächste Schritt ist dann, nicht mehr nur eingewechselt zu werden, sondern stetig mehr Einsatzzeit zu bekommen. Nach drei Jahren, davon das erste überwiegend Aufbau- und Eingewöhnungsarbeit im neuen Umfeld, kann man sicher noch nicht erwarten, dass wir drei Stammspieler aus der Jugend bei den Profis haben. Aber da wollen wir mittel- und langfristig hin.

Sauer: "Dass Sebastian Hoeneß geht, tut schon weh"

Wo kann man den FC Bayern einordnen im Vergleich der nationalen und internationalen Nachwuchsabteilungen?
In Deutschland nehmen wir auf jeden Fall wieder eine Spitzenposition ein. Das war einige Jahre nicht der Fall. Wenn man als U23 Meister in der 3. Liga wird und immer wieder Spieler aus der U17 und U19 in die U23 hochziehen kann, spricht das für eine sehr gute Entwicklung. International gesehen gibt es sicher auch noch andere sehr gute Standorte: RB Salzburg, die Topklubs in Frankreich mit Paris Saint-Germain, den FC Barcelona, einige englische Klubs. Da wird auch auf Topniveau gearbeitet, aber da können wir inzwischen mithalten. Jamal Musiala und Bright Mbi-Arrey haben wir zum Beispiel davon überzeugen können, dass ein Weg bei uns attraktiver sein kann als beim FC Chelsea. Ich glaube, dass wir uns im Nachwuchsbereich in Europa wieder in einer breiten Spitzengruppe befinden. Und da gehört der FC Bayern auch hin.

Eine erfreuliche Entwicklung. Nicht so sehr dürften Sie sich über den Wechsel von Amateure-Meistertrainer Sebastian Hoeneß zur TSG Hoffenheim gefreut haben.
Es tut schon weh, einen Trainer nach einer so erfolgreichen Saison zu verlieren. Viele junge Spieler haben sich unter Sebastian toll weiterentwickelt, da hätte man die Zusammenarbeit gern fortgesetzt. Gleichzeitig erkennen wir auch, dass es für ihn als jungen Trainer eine riesige Chance ist, in die Bundesliga zu kommen. Es ist ein bisschen der Fluch des Erfolges. Hoffenheim ist ein guter Schritt für Sebastian, er kennt den Verein noch als Spieler, das ruhige Umfeld passt zu ihm.

Wer soll Hoeneß beerben als Trainer des FC Bayern II?
Die interne Diskussion läuft, über Namen sprechen wir öffentlich nicht. Wir müssen uns genau überlegen, wer die gute Arbeit inhaltlich fortsetzen soll, wie das Profil des Trainers aussehen soll. Da lassen wir uns die nötige Zeit. Qualität geht vor Geschwindigkeit.

Sauer: "Ich hoffe, dass Adrian Fein und noch zwei, drei andere den Durchbruch schaffen"

Wie wichtig ist es, dass ein Kandidat für Bayern gespielt oder gearbeitet hat?
Es ist einfacher, Bayern zu leben und zu verstehen, wenn man hier schon gespielt hat. Deshalb kann dies ein Kriterium bei der Besetzung aller Trainerposten am Campus sein, aber es ist nicht das einzige. Wir brauchen eine gesunde Mischung aus Trainern, die Ex-Profis waren, die auf höchstem Niveau gespielt haben. Gleichzeitig sind Trainer wichtig, die sich der Nachwuchsarbeit komplett verschreiben, die für Kontinuität stehen.

Was erhoffen Sie sich für die nächsten drei Jahre aus Sicht der Nachwuchsabteilung?
Die sportliche Leitung fasst immer mehr Vertrauen in die Qualität unserer jungen Spieler. Es wäre erfreulich, wenn sich diese Jungs, die an der Schwelle zum Profibereich stehen, zu Stammspielern entwickeln könnten. Ich denke da an Adrian Fein, den wir hier von der U10 an entwickelt haben, der in der U23 ein ganz wichtiger Spieler war und nach zwei Jahren Ausleihe in der 2. Liga nun zurück ist. Ich hoffe, dass er und vielleicht noch zwei, drei andere Spieler den Durchbruch bei den Profis schaffen.

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