Tod der Schalke-Legende
Huub Stevens im AZ-Interview: "Rudi Assauer war einmalig"
8. Februar 2019, 21:52 Uhr aktualisiert am 8. Februar 2019, 21:52 Uhr
Schalkes Jahrhunderttrainer Huub Stevens spricht über den Tod seines Freundes Rudi Assauer, der ihn nach Gelsenkirchen holte. "Unsere gemeinsamen Zeiten werde ich nie vergessen."
Gelsenkirchen - AZ-Interview mit Huub Stevens. Der 65-jährige Niederländer arbeitete von 1996 bis 2002 sowie von 2011 bis 2012 als Trainer beim FC Schalke 04, er gewann 1997 den Uefa-Cup sowie 2001 und 2002 den DFB-Pokal.
AZ: Herr Stevens, wie sehr schmerzt Sie der Tod Ihres Freundes Rudi Assauer, der am Mittwoch mit 74 Jahren verstorben ist?
HUUB STEVENS: Es tut sehr weh. Ich habe einen engen Freund verloren. Leider war er durch diese Scheiß-Krankheit schon seit Jahren nicht mehr der Rudi Assauer, wie wir alle ihn kannten, nicht mehr der Assi, der mein Freund war. Jetzt ist er gar nicht mehr da (schluckt, bricht kurz ab).
Darf ich trotzdem fragen: Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?
Vor drei, vier Monaten. Leider war es so, dass er auch mich bei den letzten Besuchen bei ihm und seiner Tochter Bettina zu Hause in Herten nicht mehr erkannt hat. Wenn ich ihm in die Augen geschaut habe, dann habe ich nicht mehr den Rudi erkannt, der er noch vor etwa eineinhalb Jahren war. Die Alzheimer-Erkrankung hat ihn sehr mitgenommen, zuletzt auch körperlich.
Konnten Sie zumindest noch ein wenig mit Assauer kommunizieren?
Schwierig, sehr schwierig, sich zu unterhalten. Er war sehr ruhig, in sich versunken. Wenn er früher einen Raum betrat, dann stand da eine Persönlichkeit mit großer Ausstrahlung. Und zuletzt wusste er nicht mehr, wo er war. Alles sehr traurig. Aber wir haben gemeinsam gesungen.
So? Was denn?
"Oh du schönen blauen Vogel", die Hymne der Taubenzüchter im Ruhrgebiet. An den Text konnte er sich noch immer erinnern, das war super schön. Früher hat er das Lied gerne gesungen, wenn Schalke gewonnen hat. Dazu gab's Pils.
Stevens: Assauer war mein Entdecker
Sie haben ihm sehr viel zu verdanken.
Rudi hat mich auf den deutschen Trainermarkt gebracht, nur durch ihn bin ich 1996 in die Bundesliga gekommen. Er ist mein Entdecker. Rudi hatte damals den Mut, einen Nobody aus den Niederlanden nach Gelsenkirchen zu holen. Keiner konnte ahnen, dass wir dann mit Schalke einen so erfolgreichen Fußball spielen und ein Jahr später sensationell den Uefa-Cup gewinnen.
Was hat ihn als Manager ausgemacht?
Er war einfach ein Macher, einmalig. Einer der größten Manager der Bundesliga-Geschichte. Als Geschäftsmann knallhart, aber wie er mit den Spielern und Mitarbeitern im Verein umgegangen ist, habe ich immer bewundert. Er hat viele Freiheiten gewährt.
Was haben Sie am meisten an Ihrem Freund geschätzt?
Seine Ehrlichkeit, seine Direktheit - das war typisch Assi. Wir haben nach einer Verhandlung nie sofort einen Vertrag unterschrieben. Es gab eine mündliche Einigung und irgendwann das Stück Papier. Seine Tür stand immer für alle offen. Auch als wir nicht mehr zusammengearbeitet haben, konnte ich ihn immer anrufen. Wir vermissen ihn. Unsere gemeinsamen Zeiten, die guten und die schlechten, werde ich nie vergessen.
Stevens: FC Bayern ist aktuell nicht stabil
Wenn es okay ist, würde ich gerne ein paar Fragen zum aktuellen Fußball stellen.
Schießen Sie los.
Mit dem dramatischen Pokal-Aus nach Elfmeterschießen gegen Werder Bremen musste der BVB einen Rückschlag hinnehmen. Sind die Dortmunder jetzt noch fokussierter auf die Meisterschaft?
Ja, Dortmund ist der große Favorit. Sie spielen in dieser Saison den besten Fußball, die entscheidende Frage aber wird sein: Wie kommen sie mit dieser Favoritenrolle klar? Das ist eine Frage des Kopfes.
Sie glauben nicht mehr an eine Aufholjagd des FC Bayern?
Mit den Bayern musst du immer rechnen. Aber wenn sie in Leverkusen verlieren, dann muss man Bedenken haben, was ihre Entwicklung betrifft. Bayern ist aktuell nicht stabil. Sie bekommen Gegentore, die sie früher nicht bekommen haben. In der Offensive kreieren sie nicht die Anzahl von Chancen, die man auf diesem Niveau braucht, um die Spiele nach Hause zu bringen.
In der Tabelle wurde Bayern von Mönchengladbach überholt. Können die Fohlen aus der Titelentscheidung gar einen Dreikampf machen?
Ich habe höchsten Respekt vor der Arbeit von Dieter und Max (Trainer Hecking und Sportdirektor Eberl, d.Red.), ein großes Kompliment an alle Beteiligten. Sie spielen eine tolle Saison, können mit Lockerheit an die restlichen Partien rangehen. Aber sie sollten nicht zu viel wollen, sondern glücklich sein, wenn sie unter den ersten Vier landen und die Qualifikation für die Champions League schaffen. Sie haben keinen Druck. Anders als Bayern. Die haben immer Druck, weil sie jede Saison Meister werden müssen.
Stevens: Bayern steht unter Druck - nicht Schalke
Gegen Ihren FC Schalke dürfte es am Samstag jedoch recht einfach werden, oder?
Wenn Bayern zu Hause Schalke empfängt, ist doch klar, wer der große Favorit ist. Wenn du als kleinerer Verein aus München etwas mitnehmen kannst, wäre es sensationell. Unser Vorteil ist: Wir können frei auflaufen - trotz allem, was in der Vergangenheit war. Dann hast du immer eine kleine Chance. Wir haben keinen Druck, den hat Bayern. Da ist das Thema wieder (lacht). Aber es stimmt: Sie müssen gewinnen - immer.
Sky-Experte Didi Hamann hat Robert Lewandowski Egoismus vorgeworfen, er werde für Bayern zum Problem, weil er ein Einzelgänger sei. Können Sie das nachvollziehen?
Schauen Sie: Ein Stürmer muss ein gesund ausgeprägtes Ego haben, sonst ist er kein guter Stürmer. Aber auch ein Lewandowski ist abhängig von seinen Mitspielern und deren Vorlagen. Also muss auch er umgekehrt an sie denken. Er hat eine schwierige Situation hinter sich, weil er im Frühjahr wegwollte. Vielleicht stört ihn das hin und wieder noch, dass der Wechsel nicht zustande kam, weil der Verein nein gesagt hat. Aber auch Arjen Robben und Franck Ribéry sind Spieler mit starkem Ego. Für Bayern gilt es, aus all deren Qualität das Beste zu machen.
Wie beurteilen Sie die Arbeit von Niko Kovac in seiner ersten Saison bei Bayern?
Er hatte und hat schwierige Situationen zu managen und zu meistern. Aber er muss auch die Unterstützung von oben bekommen, von der Vereinsführung. Kaum ein anderer Verein bündelt so viel Fachkompetenz in der Führungsetage wie der FC Bayern. Denn es geht nur zusammen. Nur, wenn alle in eine Richtung gehen.
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