Gedanken zur Systemfrage

FC Bayern: Wilde Zahlenspielereien am Tegernsee


Für Bayern-Trainer Niko Kovac heißt es nicht 1,2 oder 3, sondern vielmehr 4-3-3 oder 4-2-3-1? Diese Frage muss er im Trainingslager klären.

Für Bayern-Trainer Niko Kovac heißt es nicht 1,2 oder 3, sondern vielmehr 4-3-3 oder 4-2-3-1? Diese Frage muss er im Trainingslager klären.

Von André Wagner

Weltmeister Lucas Hernández trainiert erstmals mit der Mannschaft. Doch löst das die Defensivprobleme der Bayern? Trainer Niko Kovac wird am Tegernsee auch über die Systemfrage nachdenken müssen.

Rottach-Egern - Der Andrang war riesig beim ersten öffentlichen Training des FC Bayern am Tegernsee - trotz wechselhaften Wetters mit starkem Regen am Vormittag und wenig sommerlichen Bedingungen auf dem Rasenplatz des FC Rottach-Egern am Fuße des Wallbergs. 2.500 Zuschauer, darunter auch viele kleine Fans, besuchten die Einheit am Dienstagnachmittag - und konnten dabei auch Rekordmann Lucas Hernández (23) genau beobachten.

Lucas Hernández erstmals beim Mannschaftstraining

Der französische Weltmeister, der für 80 Millionen Euro zu Bayern gewechselt ist, absolvierte nach seiner schweren Knieverletzung erstmals Teile des Mannschaftstrainings, die Zuschauer jubelten Hernández und seinen Kollegen begeistert zu. Für Bayern-Trainer Niko Kovac ist es eine der wichtigsten Aufgaben des Trainingslagers, den neuen Abwehrchef Hernández ans Team heranzuführen.

Aber nicht die einzige. Denn beim Supercup in Dortmund (0:2) am Samstag zeigte sich, dass die Mannschaft noch immer Probleme hat, das von Kovac bevorzugte 4-3-3-System optimal umzusetzen. Das Pressing in der gegnerischen Hälfte funktionierte zwar ordentlich, doch die Defensive der Münchner wirkte in vielen Szenen wacklig.

In Rottach-Egern endlich bei der Mannschaft: 80-Millionen-Neuzugang Lucas Hernández (2.v.l.).

In Rottach-Egern endlich bei der Mannschaft: 80-Millionen-Neuzugang Lucas Hernández (2.v.l.).

FC Bayern bei Kontern anfällig

"Wie wir unsere Gegentore in Dortmund bekommen, ist ein Muster. Das ist dann ein Stück weit naiv, fehlende Konzentration und fehlende Qualität", kritisierte Joshua Kimmich: "Jedes Kind weiß mittlerweile, dass Dortmund konterstark ist. Wenn man so viele individuelle Fehler macht, egal gegen wen, wird es schwierig, zu gewinnen."

In Kimmichs Worten steckte der Kern des Problems. Bayern ist gegen individuell stark besetzte Teams wie Dortmund anfällig, wenn der Ball in der Offensivbewegung verloren wird. Es fehlt dann ein Abräumer wie Javi Martínez, der die Position defensiv hält und Konter unterbindet.

Kovac wünscht sich zweikampfstarken Sechser

"Gegen Topgegner kann es zum Problem werden, wenn Thiago als alleiniger Sechser agiert", erklärte Taktik-Experte Constantin Eckner kürzlich in der AZ: "In den allermeisten Bundesliga-Spielen, wenn Bayern 65 Prozent Ballbesitz hat, ist es unproblematisch. Aber in Partien auf Topniveau kann diese Konstellation Kopfzerbrechen bereiten."So wie in Dortmund, als Thiago zudem einen schlechten Tag erwischte und etliche Fehlpässe spielte. Eckners Erkenntnis: "Thiago allein kann den Raum als Sechser nicht abdecken."

Wie das Problem zu beheben ist? Nun, Kovac könnte den erfahrenen Martínez, der in Dortmund verletzt fehlte, neben Thiago im defensiven Mittelfeld spielen lassen. Oder aber Bayern verpflichtet noch eine neue Kraft fürs Zentrum. Kovac hat bei der Klubführung schon vor längerer Zeit den Wunsch nach einem zweikampfstarken Sechser artikuliert.

Spaniens U21-Europameister Marc Roca von Espanyol Barcelona ist der heißeste Kandidat, doch die festgeschriebene Ablösesumme in Höhe von 40 Millionen Euro ist den Bayern noch zu viel.

Stellt Kovac wieder auf das 4-2-3-1-System um?

Die dritte Möglichkeit für Kovac und sein Team: Er stellt wieder um auf das alte 4-2-3-1-System, mit dem die Münchner in der vergangenen Saison ihre Herbstkrise beendeten und noch zum Double stürmten. Vorteil dieser Variante neben defensiver Stabilität: Es würde statt zwei Achterpositionen eine Zehnerposition geben - und diese könnte Thomas Müller ausfüllen. Der Weltmeister war in der Rückrunde der vergangenen Saison einer der entscheidenden Bayern-Akteure, er hätte sich einen Stammplatz allemal verdient. Kovac würde so auch verhindern, dass wegen des möglichen Bankdrückers Müller intern Unruhe aufkommt. Soll ja schon mal vorgekommen sein.

4-3-3 oder 4-2-3-1? Die bayerische Systemfrage ist weit mehr als Zahlenspielerei. Kovac muss am Tegernsee eine zukunftsfähige Lösung finden.

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