"Jos gibt immer alles"

FC Bayern: Joshua Kimmich ist der neue Wortführer bei den Münchnern


Überzeugt beim FC Bayern mit Leistung - und inzwischen auch als Leader: Joshua Kimmich.

Überzeugt beim FC Bayern mit Leistung - und inzwischen auch als Leader: Joshua Kimmich.

Von Christina Stelzl

Bayern-Star Joshua Kimmich hat sich zum absoluten Leader entwickelt - auf und neben dem Platz. "Er will sich in jedem Training verbessern".

München - Als Joshua Kimmich und Niklas Süle beim FC Bayern erstmals zusammen auf dem Trainingsplatz standen, kam es zu einem Eklat.

Der ehrgeizige Kimmich war mit dem Einsatz des Neuzugangs aus Hoffenheim unzufrieden und rief ihm zu: "Ja Niki, vielleicht so ein bisschen mehr bewegen?" Süles unwirsche Antwort: "Was die kleinen Fische hier sagen, interessiert mich nicht."

"Hat die Erwartung, dass jeder Spieler wie er sein soll"

Die Anekdote vom Sommer 2017 sagt manches über die Lässigkeit, mit der Süle mitunter seinem Beruf nachgeht - und sehr viel über den Profi Kimmich. Nie zufrieden, weder mit sich noch mit seinen Nebenleuten. Ehrgeiz, der bisweilen zur Besessenheit wird und auch vor Autoritäten nicht haltmacht.

In seinem steten Bestreben nach Höherem lege sich der Münchner "mit jedem an", hat Kimmichs Nationalmannschaftskollege Julian Brandt einmal erzählt, "er hat die Erwartung, dass jeder Spieler wie er sein soll". Mit dieser Art ist der 24-Jährige beim FC Bayern und in der DFB-Auswahl binnen Rekordzeit zum neuen Wortführer aufgestiegen.

DFB-Torwartdebatte: Kimmich stellte sich gegen Hoeneß

Kimmich coacht seine Mitspieler, nervt sie mit Whats-App-Nachrichten, in denen er ihnen aufzeigt, was sie besser machen könnten. Diese Art führe noch heute ab und an zu "kleinen Turbulenzen", berichtete Süle, der Kimmich längst einen Freund nennt. Doch Kimmich eckt auch bei seinen Bossen an. Im März kritisierte er öffentlich die Art und Weise der Ausbootung der Rio-Weltmeister Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng durch Bundestrainer Joachim Löw. Im Zuge der aktuellen Torwartdebatte stellte er sich gegen Klubpräsident Uli Hoeneß.

Nach dem holprigen Bundesliga-Start gegen Hertha BSC (2:2) schimpfte er in der Kabine über die (zu) späten Wechsel von Coach Niko Kovac. Als der Lautsprecher nach dem rumpeligen 3:2 beim SC Paderborn am vergangenen Samstag wieder mal Grundsatzkritik übte ("Wir laufen unserem Anspruch hin terher"), sahen sich die Bosse gezwungen, einzuschreiten. "Wenn man kritisch ist, muss man die Flagge in die Hand nehmen und nach oben halten. Und dann müssen alle demjenigen hinterherrennen. Aber dann muss er auch große Leistungen liefern", sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und nannte Kapitän Manuel Neuer sowie Torjäger Robert Lewandowski als Vorbilder.

Kimmich geht mit Leistung voran

Hasan Salihamidzic betonte: "Wer die Klappe aufmacht, muss vorne wegmarschieren und Top-Leistung bringen." Dies aber, ergänzte der Sportdirektor richtig, tue Kimmich, der sich bei den Bayern wie in der DFB-Auswahl mit meist guten Auftritten im Mittelfeld festgespielt hat. "Der Jos gibt immer alles, will jedes Spiel gewinnen, jedes Trainingsspiel, will sich in jedem Training verbessern", sagte Trainer Kovac vor dem wegweisenden Champions-League-Spiel bei Tottenham Hotspur: "Und wenn man im Leistungssport mit Leistung vorangeht, kann man das auch artikulieren."

Doch Kimmich wandelt mit seiner Art auf einem schmalen Grat. Sollte die Leistung mal nicht stimmen, sagte Kovac in London an die Journalisten gewandt, "dann wissen Sie selbst, wie es abgeht".

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