Flicks erstes Meisterstück
FC Bayern: Der Höhepunkt einer famosen Entwicklung
16. Juni 2020, 6:17 Uhr aktualisiert am 16. Juni 2020, 6:17 Uhr
Die beliebten Weißbierduschen fallen heuer aus - sehr zur Freude des Bayern-Trainers. Sonst ist aber beim Rekordmeister alles auf einen Sieg in Bremen gepolt. Es wäre Flicks vorzeitiges Meisterstück.
München - In allem Schlechten steckt etwas Gutes, sagt der Volksmund. Dass Meisterfeierlichkeiten in Zeiten der Corona-Pandemie durch Hygiene-Auflagen ganz anders als gewohnt ablaufen, leuchtet ein.
Für Hansi Flick bedeutet dies im Falle eines Erfolgs beim ersten Meister-Matchball in Bremen gegen Gastgeber Werder: Er bleibt sauber. Die unter den Profis so beliebten Weißbierduschen-Orgien fallen heuer aus. Der Bayern-Trainer gab am Montagnachmittag an der Säbener Straße zu: "Ja, da wäre ich schon froh, wenn es die nicht geben würde - absolut." Flick entgeht dem kalten, klebrigen Schock von oben. Dennoch sollte der Premieren-Titel des 55-Jährigen ordentlich begossen werden.
FC Bayern will gegen Werder Bremen keine Geschenke verteilen
Über eventuelle Abläufe einer Feier mit - im doppelten Sinne - gebremstem Schaum habe sich Flick "noch keine Gedanken" gemacht. Helfen könnte, dass der Bayern-Tross nach dem Spiel bei Werder (20.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) in Bremen übernachten wird - das bringt etwas Party-Spielraum. Schließlich zweifelt niemand an einem Bayern-Sieg beim abstiegsbedrohten Vorletzten. Die 30. Meisterschaft, die achte hintereinander, ist nur noch einen Schritt entfernt - wobei ein Dreier aus den letzten drei Partien reicht. Doch Flick will nicht zocken, niemanden schonen. "Ich spüre bei keinem, dass er nicht spielen kann", erklärte er, obwohl sein Team beim 2:1 gegen Gladbach Müdigkeitserscheinungen nach sieben Spielen in 28 Tagen gezeigt hatte.
Der erste Matchball soll sitzen, ein Zieldurchlauf vor den eigenen Fans am Samstag gegen Freiburg ist ja sowieso hinfällig. Dann eben Geister-Meister an der Weser. Flick energisch: "Wir wollen den Sack zumachen, keine Geschenke verteilen. Es liegt in unserer Hand."
Hansi Flick ist kein Feierbiest
Die Schale läge erst nach dem 34. und letzten Spiel beim VfL Wolfsburg (27. Juni) in Flicks Händen, so sieht es die DFL vor. Für den gebürtigen Heidelberger wäre es der erste große Triumph als Chefcoach im Profibereich, sein erstes Mal. Abgesehen von der Meisterschaft 2001 mit der TSG Hoffenheim in der Oberliga Baden-Württemberg, wodurch der Verein in die Regionalliga Süd aufstieg.
Selbstverständlich jedoch hat der WM-Titel von Rio 2014, den er als Assistent von Bundestrainer Joachim Löw entscheidend mitverantwortete, den größten Stellenwert. Doch Flick, der als Spieler vier Mal mit Bayern die Schale (1986, 1987, 1989, 1990) holte, ist kein Feierbiest. "Ich werde nicht 14 Tage mit erhobenen Händen jubelnd rumlaufen. Wir werden regelkonform feiern, wenn wir es schaffen. Aber dann geht der Fokus wieder auf das nächste Ziel", so der als Assistent von Chefcoach Niko Kovac im Sommer 2019 verpflichtete Flick.
Flicks (Meister-)Werk: Empathie, Fleiß und Taktik
Dieser Titelgewinn, in dessen Verlauf Bayern Anfang Dezember nach dem 1:2 in Mönchengladbach auf Rang sieben abrutschte und sieben Punkte Rückstand auf den Spitzenreiter vom Niederrhein hatte, ist Flicks (Meister-)Werk. Mit Empathie, viel Fleiß und neuen taktischen Anpassungen (eine offensivere Ausrichtung mit einer höheren Verteidigungslinie) zog er sofort die Spieler auf seine Seite. Sein Charme, aber auch seine Klarheit kamen nach seiner Beförderung zum Chef am 4. November sehr gut im Verein an. Dass er zunächst nur zwei Spiele und dann die Zeit bis zur Winterpause bzw. zum Saisonende Trainer auf Zeit, sprich auf Bewährung, war? Geschenkt. Flick hat alle Prüfungen, intern und extern, bestanden.
Seine Schlüsselspiele waren: Das souveräne 4:0 gegen Borussia Dortmund bei seinem Debüt als Cheftrainer in der Bundesliga (9. November) - weil es die neue Richtung vorgab.
Zweitens das 3:1 in Freiburg (18.12.) mit zwei späten Treffern in der Nachspielzeit - weil es zeigte, dass Flick auch schlechtere Spiele gewinnen kann.
Dann das 0:0 gegen RB Leipzig (9. Februar) - weil man den Angriff des Verfolgers abwehren konnte.
Und schließlich das 1:0 beim BVB (26. Mai) durch Joshua Kimmichs Traumtor-Heber. Das passte. Flick hatte Kimmich als Fixpunkt im Mittelfeld installiert, einer von vielen meisterhaften Schachzügen.
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