AZ-Interview
Ex-Bayern-Torhüter Raimond Aumann: "Ich habe zumindest keine Albträume mehr"
26. November 2019, 15:58 Uhr aktualisiert am 26. November 2019, 15:58 Uhr
Ex-Bayern-Torhüter Raimond Aumann spricht vor dem Spiel in Belgrad über seinen entscheidenden Fehler im Europacup-Halbfinale 1991 und das Duell im deutschen Tor: "Neuer ist die Nummer eins."
München - Raimond Aumann im AZ-Interview: Der 56-Jährige spielte von 1982 bis '94 beim FC Bayern. Heute ist er Direktor der Fan- und Fanklubbetreuung bei den Münchnern.
AZ: Herr Aumann, der FC Bayern tritt bei Roter Stern Belgrad an, im Stadion "Marakana". Dort haben Sie 1991 im Halbfinal-Rückspiel des Europacups der Landesmeister entscheidend gepatzt. Sie griffen kurz vor Schluss am Ball vorbei, was letztlich zum Eigentor von Klaus Augenthaler geführt hat. Das bedeutete 2:2 - Bayern war damit raus. Wird Ihnen beim Namen des Gegners immer noch unwohl?
RAIMOND AUMANN: Ich habe heute zumindest keine Albträume mehr. Das ist vorbei - und gehört auch zu meiner Geschichte dazu. Es holt mich immer wieder ein - wie jetzt vor dem Bayern-Spiel gegen Belgrad. Über dieses Tor wird heute noch diskutiert.
Sie hatten damals wirklich Albträume?
Ich kann Ihnen sagen, dass ich in der Nacht nach diesem Spiel kein Auge zugemacht habe. So ein Fehler beschäftigt dich einfach einige Tage. Es war ein folgenschwerer Fehler, auch für den Klub. Das steckt man nicht so locker weg, da braucht man einige Zeit, um das zu verarbeiten.
"Bayern ist in der Breite wesentlich stärker als wir 1991"
Roter Stern war 1991 viel stärker als heute, gewann am Ende sogar den Titel im Landesmeistercup.
Roter Stern war damals eine Mannschaft der Superlative. Wir wussten, wie schwer es werden würde, da zu bestehen. Heute sind die Voraussetzungen komplett unterschiedlich. Bayern ist in der Breite wesentlich stärker als wir 1991. Und die Qualitätsansprüche bei Bayern sind im Laufe der Jahre immer mehr gestiegen.
Können Sie sich noch an die Atmosphäre im Kult-Stadion "Marakana" erinnern?
Es ist sicher eine der größten Herausforderungen für Bayern, sich in diesem Hexenkessel zu behaupten. Aber das darf man auch nicht überbewerten. Unsere Mannschaft hat vor einigen Jahren auch bei Besiktas Istanbul bestanden, es dort wunderbar hinbekommen. Es wird eine heißblütige Atmosphäre in Belgrad, da werden sich unsere Spieler drauf einstellen. Die Mannschaft wird sich davon nicht irritieren lassen.
Was halten Sie in dieser Champions-League-Saison denn generell für möglich?
Wir wünschen uns alle, dass wir weiter kommen als vergangene Saison. Aber man hat auch nicht immer so viel Lospech, dass man den späteren Champions-League-Sieger im Achtelfinale bekommt. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir vielleicht die eine oder andere Runde mehr überstehen können. Die Champions League zu gewinnen, ist unglaublich schwierig. Ab dem Achtelfinale musst du auf einem Topniveau sein. Da entscheiden Nuancen.
Aumann über Neuer: "Er bringt hervorragende Leistungen"
Wie auch beim deutschen Torhüter-Duell zwischen Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen. Welchen der beiden Top-Keeper schätzen Sie denn stärker ein?
Zu diesem Thema ist alles gesagt worden. Wenn ich es ganz nüchtern betrachte, hat Manuel Neuer diesen Status als Nummer eins verdient und erarbeitet. Er bringt hervorragende Leistungen - warum also sollte der Bundestrainer ihn nicht aufstellen? Deshalb habe ich die ganze Aufregung nicht verstanden.
Ist er wieder absolute Weltklasse? So stark wie vor seiner Verletzung?
Für mich ist er wieder auf dem Topniveau angekommen. Er ist Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, er bringt hervorragende Leistung beim FC Bayern. Neuer hat sportlich bewiesen, dass er die Nummer eins ist.
Können Sie ter Stegens Frust verstehen?
Ich kann definitiv verstehen, dass ter Stegen den Anspruch stellt, zu spielen. Aber das ist eben das Los, wenn man die Nummer zwei, drei oder vier ist. Wenn man eine Nummer eins hat, die tadellos spielt, ist es einfach schwer.
Wie lang wird Neuer noch für Bayern und die DFB-Elf spielen?
Das kann ich seriös nicht beantworten. Der Manu ist selbst lange genug im Geschäft und kann seinen Körper einschätzen. Ich gehe davon aus, dass er dem FC Bayern noch ein paar Jahre erhalten bleibt.
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