Reportage

Der Amateurfußball und das liebe Geld


Auch im Amateurfußball spielt Geld eine immer größere Rolle.

Auch im Amateurfußball spielt Geld eine immer größere Rolle.

Von Gerd Lex

Wenn es ums Geld geht, dann wird aus der "heilen" Welt im Amateurfußball schnell eine "scheinheilige". Eine Reportage über Bezahlung im Amateurbereich von König Fußball.

Wahnsinn! 222 Millionen Euro für den brasilianischen Fußball-Profi Neymar, der sich durch Schiedsrichterzoff und Schauspielerei bei der WM von seiner peinlichsten Seite zeigte. 150 Millionen Euro für den Franzosen Ousmane Dembele, der sich bei seinem Wechsel vom BVB zu Barcelona als charakterarmer Fußballsöldner erwies. Die Transfersummen schießen seit Jahren durch die Decke. Fußball-Deutschland diskutiert leidenschaftlich, ob 105 Millionen Euro Ablöse für Christiano Ronaldo nicht übertrieben sind. Ist es nicht irre, dass CR7 bei Juventus Turin 82.192 Euro verdient? Nicht im Monat, nicht in der Woche, sondern am Tag. Während die Fans diese irrationalen Summen im Profibereich mittlerweile, wenn auch kopfschüttelnd, zu akzeptieren scheinen, scheiden sich bei der Bezahlung der Spieler im Amateurbereich immer noch vehement die Geister.

"Natürlich spiele ich nicht ganz umsonst"

Nirgends fließt mehr Geld als im Profifußball und nirgends wird mehr "gemauert" wie beim Thema Geld im Amateurbereich. Selbst in der Kreisklasse, wo sich nicht selten die "Hobby-Ronaldos" leidenschaftliche Duelle liefern, lässt sich Geld verdienen. Keine Reichtümer, nicht bei jedem Club, aber doch immerhin ganz nette Beträge. "Ich spiele natürlich nicht ganz umsonst", erklärte ein Kreisklassenspieler aus dem Straubinger Raum, der wie alle Befragten nicht namentlich genannt werden will. Vor allem in den höheren Amateurklassen wie der Landesliga, der Bayernliga und ganz besonders in der Regionalliga sind die Spieler nicht ausschließlich aus Spaß unterwegs. Da gibt es um ein Vielfaches mehr zu verdienen als eine kleine Aufwandsentschädigung.

Genaue Zahlen sind nicht bekannt, das bleibt das streng gehütete Geheimnis der Vereine und Funktionäre. Grobe Tendenzen gibt es natürlich. Vorherige Spielklasse, Qualität und ein gewisses Verhandlungsgeschick sind beste Voraussetzungen für einen gut gefüllten Geldbeutel. Erfahrene Spieler erhalten meist mehr als Talente. Von anderen Vereinen verpflichtete Spieler kassieren in der Regel mehr als der eigene Nachwuchs. In unserer Region, wo höherklassige Nachwuchsmannschaften eher Mangelware sind, kommen selbst charakterlich eher fragwürdige Kicker immer wieder lukrativ unter. Sein Geld nicht nur in die Seniorenmannschaft zu setzen ist im höherklassigen Fußball der Weg des TSV Bogen. Hier wird auf die Förderung des Nachwuchses großer Wert gelegt. Ziel ist es die Talentschmiede der Region zu werden, wo das Geld auch nachhaltig gut investiert ist. Hier sollte vielleicht auch der BFV seine Regularien überdenken. Ein Bayernligist ohne eigenen Nachwuchs kann sich z.B. mit einem niedrigen vierstelligen Beitrag von der Nachwuchsausbildung "freikaufen".

Geld bezahlen immer nur die anderen

Es ist kein großes Geheimnis, dass so manche Kicker in der Bayernliga auf einen vierstelligen Betrag im Monat kommen. Das Durchschnittssalär liegt nach Aussagen eines Vereinsfunktionärs allerdings zwischen 250 und 400 Euro. Bei manchen Vereinen erhöht sich der Betrag noch durch Prämien und Sonderzahlungen. Obwohl die meisten Vereine schwören, dass bei ihnen in der A-Klasse, der Kreisklasse, der Kreisliga oder sogar der Bezirksliga "kein Cent" bezahlt wird, würde aus diesem Eid bei genauerer Überprüfung ganz schnell ein Meineid werden. Bei vielen Vereinen gehört ein ausgeklügeltes Prämiensystem einfach dazu. "Das hat es schon immer gegeben und ich halte eine kleine Aufwandsentschädigung auch für legitim", so der zweite Abteilungsleiter eines Kreisligavereins in der Region.

Es gibt ihn noch, den echten Amateursport

Dabei geht es doch offiziell nur um des Deutschen liebstes Hobby. "Bei uns im Verein geht es um ehrlichen Amateursport, um Teamgeist und Spaß am Fußballsport.". So hört es sich zumindest an, wenn Funktionäre oder Fans über "ihren" Klub reden. Geld bezahlen immer nur die anderen. Es ist eine schöne, heile Welt, die sich der Amateurfußball da angeblich bewahrt hat. Mit der Realität hat das mancherorts wenig zu tun. Auch in den unteren Spielklassen regiert bisweilen der schnöde Mammon. Aus der heilen Vereinswelt wird ganz schnell eine scheinheilige.

Es gehört schon viel Phantasie dazu, um zu glauben, dass ein Spieler aus der Bayernliga oder Landesliga wegen der guten Luft zukünftig für einen Dorfverein seine Fußballschuhe schnürt. Wer Geld hat, der kommt nach oben, wer nicht, der muss schon verdammt gut ausbilden, was wiederum viel Geld kostet. Gute Nachwuchsarbeit ist teuer. Leider gibt es Vereine, die sämtliche Sponsorengelder nur in die erste Mannschaft investieren. Da wird ausschließlich von der Nachwuchsarbeit anderer Vereine profitiert. Das Schöne am Fußball ist aber gerade auch seine Unwägbarkeit. Trotz großer finanzieller Investitionen gibt es auch immer wieder Vereine, die an ihren hochtrabenden Zielen am Ende der Saison scheitern um als Konsequenz in der nächsten Saison noch mehr zu investieren.

Es gibt ihn noch, den echten Amateursport

Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen. Natürlich gibt es ihn immer noch, den reinen Amateurfußball. Dort kicken Spieler für ihren Heimatverein. Oft von der E-Jugend bis zur AH. Freundschaften, Zusammenhalt und Vereinsverbundenheit spielen hier eine deutlich größere Rolle als im Bezahlfußball. Hier spielen Handwerker, Lehrer, Studenten, Anwälte und Arbeitslose in einem Team, hier kommen Schichtarbeiter und Polizisten direkt vom Dienst zum Spiel. Leidenschaft statt Geld. Hier versucht man mit viel Überzeugungskraft den Vereinswirt zu überzeugen, die Mannschaft mit neuen Trikots zu "sponsern". Die Macher sind meist von Geburt an dabei und haben das Vereinsgen mit der Muttermilch eingesogen. Sie sind omnipräsent und für alles zuständig. Sind neben Platzwart auch Wurstsemmelverkäufer und Mitglied in der Vorstandschaft. Hier wird das Ehrenamt mit Leben gefüllt, weil hier ganz viel Herzblut im Verein steckt. Ziel ist ein intaktes Vereinsleben. Die Saison ist gerettet, wenn man am Ende der Saison vor dem ungeliebten Nachbarverein in der Tabelle landet.

Der Soziologe Tim Frohwein, der an der Hochschule Fresenius München lehrt, hat die Auswirkungen von Spielergehältern im Amateurfußball untersucht. In seiner Diplomarbeit an der Ludwig-Maximilian-Universität in München liefert er Belege, dass sich die Zahlungsbereitschaft bis in die unteren Klassen des Amateurbereichs ausgebreitet hat. Zahlungen sind auch im Amateurfußball an der Tagesordnung. Hier scheiden sich die Geister. Für die einen sind sie eine gerechte Entschädigung für den betriebenen Aufwand, für die Kritiker sind sie der "Anfang vom Ende" des Amateursports. Verliert der Amateurfußball durch Geld seine Seele? Es ist unbestritten, Geld ist auch im Amateurfußball ein immer größer werdendes Thema. Wir haben mit Tim Frohwein gesprochen, der aufgrund seiner wissenschaftlichen Arbeiten ein absoluter Kenner der vielfältigen Facetten des Geldflusses im Fußball-Amateurbereich ist.