AZ-Interview zum Rekordmeister

Buch über FC Bayern: "Uli Hoeneß ist bei den Fans mittlerweile auch umstritten"


Präsident des FC Bayern: Uli Hoeneß.

Präsident des FC Bayern: Uli Hoeneß.

Von Patrick Mayer / Online

In einem neuen Fußball-Buch werden "101 Dinge" erklärt, die ein "FC-Bayern-Fan wissen muss". Die AZ sprach mit Autor Johannes Kirchmeier - ein Interview über Uli Hoeneß, Paul Breitner und Thomas Müller.

München - Wie tickt ein Fan des FC Bayern? Und was sollte ein Anhänger der Münchner an Fachwissen über den Rekordmeister immer parat haben? Autor und Sportjournalist Johannes Kirchmeier hat sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt - und ein Buch dazu geschrieben. Heraus kam ein Streifzug durch die Vergangenheit der Bayern.

AZ: Herr Kirchmeier, Sie haben das Buch geschrieben: "101 Dinge, die ein echter FC-Bayern-Fan wissen muss". Muss man Bayern-Anhänger etwa an die Hand nehmen?
JOHANNES KIRCHMEIER: So würde ich das nicht sagen (lacht). Aber: Dieser Klub hat knapp 300.000 Mitglieder, und ich kann mir nicht vorstellen, dass jedes Mitglied so drinsteckt, wie zum Beispiel ein Sechzger oder ein Stuttgarter in seinem Klub. Fans der Löwen oder des VfB beschäftigen sich schon deswegen mehr mit ihrem Verein, weil sie nicht jedes Jahr etwas gewinnen, sondern mitleiden müssen. Manchem Bayern-Fan muss man dagegen erklären, dass Werder Bremen einmal Meister in München wurde.

"Der FC Bayern war früher oft Vorreiter"

2004 war das, heute unvorstellbar. Den Bayern-Fan umweht ja immer das Klischee, die Arena bei Führungen gerne früher zu verlassen oder nicht jeden Ex-Spieler zu kennen.
Einen Georg "Katsche" Schwarzenbeck kennt er sicher noch. Alle Fans haben aber glaube ich nicht alle Niederlagen parat, zum Beispiel, dass die Bayern in den 1980er Jahren zwei Mal das Finale des Pokals der Landesmeister verloren haben (1982 gegen Aston Villa, 1987 gegen den FC Porto, d. Red.). Und dann gibt es da ja noch sogenannte Klatschpappen-Fans, aber die gibt es auch bei Real Madrid.

Sie haben viel recherchiert. Wann war die Zeit, als die Mannschaft wegen heftiger Niederlagen so gar nicht an den FC Bayern erinnert hat?
Die Saison 1977/78! Bayern wurde nur Zwölfter. Und: Als sich die große Generation mit Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Sepp Maier bilden konnte. Da waren die Bayern nicht mal Teil der Bundesliga. Und 1954/55 ist der FC Bayern noch aus der ersten Liga abgestiegen, unfassbar.

Und dann kam Präsident Wilhelm Neudecker.
Dann kam der Neudecker und hat alles auf den Kopf gestellt und den ersten Manager im deutschen Profifußball installiert, 1964, Robert Schwan. Der FC Bayern war früher oft Vorreiter, was dem Klub heute sicherlich etwas abgeht. Dass der Klub Ideen hat, dass neue Leute eingesetzt werden.

Weltmeister beim FC Bayern: Thomas Müller.

Weltmeister beim FC Bayern: Thomas Müller.

"Thomas Müller ist der letzte Mohikaner"

Hat Neudecker das beinahe patriarchale System begründet? Und Uli Hoeneß sich ihn zum Vorbild genommen?
Es kann auch sein, dass Hoeneß sich ein Beispiel an Kurt Landauer nimmt, der schon ein recht patriarchaler Vereinspräsident war (zwischen 1913 und 1933, d. Red.). Das Patriarchale, dass die Bayern einen brauchen, der ihnen vorangeht, haben sie schon lange in sich. Der Fußballklub FC Bayern zumindest (lacht).

Neudecker wurde 1979 von revoltierenden Spielern unter den vermeintlichen Rädelsführern Maier, Hoeneß und Paul Breitner gestürzt. Sie behandeln es in zwei Kapiteln Ihres Buches.
Sie wollten ihn erst gar nicht stürzen. Anfangs haben sie sich nur gegen den Ex-Sechzger Max Merkel als Trainer ausgesprochen, der damals als harter Hund bekannt war. Neudecker wollte ihn auf Gedeih und Verderb installieren, doch dann ist er als zweiter Dominostein gefallen. Ein Begriff, den heute Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge gerne benutzt (schmunzelt).

Waren das damals noch hemdsärmligere Zeiten? Im Olympiadorf hängen bis heute Fotos aus, die Hoeneß und Breitner am Fasching unter feiernden Studenten zeigen.
Definitiv! Es waren absolut hemdsärmlige Typen. Es war auch ein anderer FC Bayern. Heutzutage fehlen dem Klub die urbayerischen Größen. Ein Maier. Ein Breitner. Später waren es Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm. Jetzt ist Thomas Müller der letzte Mohikaner. Breitner und Maier sind einst in Oberbayern aufgewachsen, sie waren dem Volk näher als es heute jemand ist, der aus dem Ausland für 80 Millionen Euro kommt.

Sportjournalist bei der SZ: Johannes Kirchmeier.

Sportjournalist bei der SZ: Johannes Kirchmeier.

"Paul Breitner hat kritisch auf den FC Bayern geschaut"

Später kam es zum Zerwürfnis zwischen Breitner und Hoeneß.
Breitner ist tatsächlich ein Thema, bei dem es sich Hoeneß ziemlich mit den Fans verscherzen kann. Breitner hat immer kritisch auf den FC Bayern geschaut, aber immer mit der Intention, dass sich was zum Guten wendet. Als Hoeneß mit ihm brach, zeigte er offen, dass er diese Meinung nicht mehr akzeptiert. Hoeneß hat eine Riesen-Basis bei den Fans, alleine, weil er den FC Bayern, den wir heute kennen, auf die Beine gestellt hat. Aber, er ist bei den Fans mittlerweile auch umstritten, das hat man bei der Jahreshauptversammlung 2018 gemerkt. Auch wegen der Pressekonferenz im Oktober und weil er den Verein nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnis schon wieder ein Stück weit an sich gerissen hat. Wobei er nun ja allem Anschein nach umdenkt und offenbar aufhören will.

Wenn man als Autor in der Vergangenheit recherchiert: Der Fußball ist heute "glatter", oder?
Man muss gar nicht weit zurückblicken. Eine Geschichte war die Suspendierung von Mario Basler und Sven Scheuer im Herbst 1999 nach dem Besuch einer italienischen Trattoria in der Oberpfalz.

Nachts um 3 Uhr musste die Polizei nach einer wilden Sause anrücken, Basler war danach seinen Bayern-Job los.
Sowas wäre heute unmöglich! Klar, sehnt sich der Fußballfan danach. Es ist ja unvorstellbar, dass heute in einer Fußballmannschaft noch die Fäuste fliegen (lacht). Basler war ja auch ein anderer Typ, ein überzeugter Raucher, hat sich oft mit Zigarette gezeigt. Heute werden beim FC Bayern keine Meisterzigarren mehr geraucht. Außer Hoeneß und Rummenigge - die rauchen noch eine.

"Der FC Bayern muss aufpassen"

Die Meisterfeiern auf dem Rathausbalkon wirken ohnehin nicht mehr so euphorisch. Ich erinnere mich an ein Foto aus Ihrem Buch mit einem enthemmten Sammy Kuffour.
In der Anfangszeit von Kuffour hat der FC Bayern nicht so oft die Meisterschaft geholt (1990er Jahre, d. Red.). Selbst Rummenigge redet heute nur noch vom "Brot-und-Butter-Geschäft". Daher glaube ich, solange der Klub die Champions League nicht gewinnt, wird es schwer, auf dem Rathausbalkon richtiges Feuer zu entfachen.

Besteht nicht die Gefahr, dass gerade die Bayern-Fans aus München und Umland in dieser Gemengelage vergessen werden?
Definitiv! Für die Münchner und oberbayerischen Fans wird es schwieriger. Sie haben gar nicht mehr so oft die Möglichkeit, ihre Spieler zu sehen. Klar, gehen die Bayern wieder an den Tegernsee ins Trainingslager (ab 5. August, d. Red.). Aber sonst sind sie in der Vorbereitung in Doha, was ohnehin umstritten ist, in China oder in den USA. Der FC Bayern ist ja mittlerweile ein globales Unternehmen. Trotzdem muss er aufpassen, dass er den Fan in München und Bayern nicht vergisst.

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"101 Dinge, die ein echter FC-Bayern-Fan wissen muss" ist im GeraMond-Verlag erschienen. Das Fußball-Sachbuch kostet 14,99 Euro und ist im Buchhandel sowie über die gängigen Online-Shoppingportale zu erwerben.

Autor Johannes Kirchmeier, 1990 in einem kleinen Dorf in Niederbayern geboren, arbeitet seit dem Abschluss seines Studiums in Journalistik an der LMU München sowie seiner Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule als Sportjournalist für die "Süddeutsche Zeitung".