Nur noch eine Nebenrolle
100 Länderspiele für Deutschland - doch Thomas Müller ist ein trauriger Jubilar
19. November 2018, 8:45 Uhr aktualisiert am 19. November 2018, 8:45 Uhr
Thomas Müller steht vor seiner 100. Partie für Deutschland - doch in Löws Team spielt er nur noch eine Nebenrolle. "Ein besonderer Mensch", sagt Joachim Löw.
Gelsenkirchen - An die Tage vor seinem ersten Länderspiel am 3. März 2010 in München gegen Argentinien dürfte sich Thomas Müller noch gut erinnern. Der mittlerweile 29-jährige Star des FC Bayern wurde damals von einem ganz Großen des Weltfußballs verjagt. Diego Maradona, die argentinische Legende, legte Müller nahe, das Pressepodium doch bitte zu verlassen. "Ich habe ihn nicht gekannt", erklärte Maradona. Der Argentinien-Trainer kehrte erst zurück, als Müller gegangen war. Unglaublich!
Löw: "Er hat Argentinien aus dem Stadion geschossen"
Vier Monate später war Müller weltbekannt: Mit fünf Toren wurde er Torschützenkönig der WM 2010, eines davon erzielte er übrigens im Viertelfinale gegen Maradonas Team: "Er hat Argentinien aus dem Stadion geschossen", sagte Bundestrainer Joachim Löw am Sonntag. (Lesen Sie hier: Warum das Spiel gegen Holland trotz des Abstiegs wichtig ist)
Am Montag steht Müller vor einem besonderen Jubiläum: In der Partie gegen die Niederlande könnte er zu seinem 100. Einsatz für Deutschland kommen, nur 13 Spieler schafften das vor ihm. "Natürlich ist das eine Zahl, auf die viel geschaut wird. Und für mich persönlich ist es im Rückblick vielleicht etwas Besonderes", sagte Müller, "aber jetzt konzentriere ich mich mehr auf den Fußball als auf die Statistiken, die nebenbei laufen." Damit hat Müller aktuell ja auch wirklich genug zu tun.
Müller zögert, zweifelt und trifft die falschen Entscheidungen
Von der einstigen Leichtigkeit des Thomas Müller, der Tore schoss, die sonst keiner schoss, der Räume erkannte, die sich andere nie vorstellen konnten, ist nichts mehr zu sehen. Er zögert, zweifelt und trifft die falschen Entscheidungen. In der Bundesliga ist Müller seit Anfang September ohne Tor, in der DFB-Auswahl hat er zuletzt vor acht Monaten getroffen. Das einst bewunderte Phänomen ist gewöhnlich geworden. Müller ist ein trauriger Jubilar. (Lesen Sie auch: Lisa motzt über Kovac - doch Thomas Müller liefert nicht)
Immerhin: In der schwierigsten Phase seiner Laufbahn gibt sich Müller kämpferisch. Und lockere Sprüche hat er immer noch parat. "Es ist sehr beeindruckend, wenn man sieht, wie positiv er jeden Tag angeht", sagte sein Bayern-Kollege Leon Goretzka und bezeichnete Müller als "besonderen Menschen und ganz besonderen Fußballer". Joshua Kimmich meinte: "100 Länderspiele sind ein Brett, das ist eine Marke, die man vielleicht auch mal erreichen will."
Ein kompletter Verzicht kommt (noch) nicht infrage
In seinen bisher 99 Länderspielen erzielte der Bayern-Profi 38 Treffer und bereitete 36 vor. Müller steht bei zehn WM-Toren, 2014 wurde er Weltmeister. Auf ihn war immer Verlass. Daher kommt ein kompletter Verzicht auf den Münchner für Löw (noch) nicht infrage. "Er ist ein Energiegeber und identifiziert sich unheimlich mit der Nationalmannschaft, für die er viel tut", sagte Löw.
Trotz seiner Probleme dient Müller wie einst Lukas Podolski als Orientierung für die jungen Wilden und gibt ihnen wertvolle Tipps. "Er ist immer noch ein Spieler, der in der Lage ist, Spiele zu entscheiden", so Löw.
Zur 100. Partie bekommt Müller vom Bundestrainer "ein riesiges Dankeschön. Er hat sich für die Nationalmannschaft den Arsch aufgerissen." Und noch etwas hat sich Löw überlegt: "Er kriegt ein Weizenbier von mir." Damit das Jubiläum nicht ganz so traurig wird.