Erdbebenforschung
Wenn die Wände wackeln: OTH Regensburg forscht zu Erdbeben
22. Oktober 2023, 16:09 Uhr
Der Fachbereich Konstruktiver Ingenieurbau der Fakultät Bauingenieurwesen an der OTH Regensburg beschäftigt sich intensiv mit Erdbebenversuchen. Vergangenen Donnerstag gab die Laborleitung Einblicke in das Projekt zur Erforschung der Auswirkungen eines Erdbebens auf Gebäude. Übergeordnetes Ziel des Teams ist es, Gebäude standhafter zu machen, Schäden zu vermeiden und Menschen zu schützen.
Es müssen nicht gleich verheerende Erdbeben sein, wie jenes, das Basel 1356 fast dem Erdboden gleich gemacht hat oder das Beben in Düren bei Aachen 1756, um wirtschaftlichen Schaden anzurichten. Gleich mehrere tektonische Störzonen befinden sich in Deutschland und auch die Reichweite der Erdbeben in Nachbarländern ist teils enorm.
Knapp alle 500 Jahre bebt die Erde in Deutschland
Alle 475 Jahre erwartet Deutschland ein Erdbeben, so Professor Detleff Schermer. Ein langer Zeitraum, der falsche Sicherheit verspricht, wie Professor Wolfgang Finckh weiß: "Wenn so gut wie nie etwas passiert, hat man kein Auge mehr dafür, die Gefahr ist nicht mehr im Blickfeld und Wissen wird nicht mehr weitergegeben."
Vor sieben Jahren wurde das Forschungsvorhaben ins Leben gerufen, seit drei Jahren laufen die Versuche. Zunächst galt es eine Installation anzufertigen, die künstliche Erdbeben erzeugt und verwertbare Messdaten liefert. Nach Optimierungen wird nun fleißig getestet.
Für die Tests wird eine Mauer aufgebaut, sobald diese fertig getrocknet ist, wird sie weiß grundiert und mit einem Muster aus schwarzen Flecken bemalt. Zwei Kameras sind auf diese ausgerichtet und registrieren jede noch so kleine, für das Auge teils nicht sichtbare, Veränderung im Mauerwerk. Die Last auf der Mauer, also das Gewicht weiterer Stockwerke und des Dachs, wird durch Zylinder im Keller des Labors erzeugt. Metallstangen verbinden sie mit dem Stahlträger auf der Mauer. Aus den zwei Tonnen Eigengewicht des Stahlträgers können theoretisch 400 Tonnen werden, die meisten Versuche laufen jedoch mit 80 Tonnen.
Etwa zwölf Versuche pro Jahr
Das "Erdbeben" trifft in Form eines hydraulischen Zylinders mit unterschiedlicher Intensität seitlich auf die Wand, allerdings dauert dies nicht etwa zehn Sekunden, sondern findet zur besseren Beobachtung in Zeitlupe statt. Mindestens eine Stunde lang wird das Mauerwerk belastet. Das Ergebnis sind Risse und abgeplatzte Ziegelstücke. Zum Einsturz werden die Wände nicht gebracht, dafür sorgen entsprechende Sicherheitsvorkehrungen. Lediglich ein Knacken ist zu hören, bestätigen die beiden Professoren.
Bis zu zwölf Versuche finden jährlich statt, neben professionell gefertigten Mauern werden auch von Studierenden gefertigte Wände geprüft. Besonderes Augenmerk liegt jedoch auf dem Ziegelwerk. Hier werden Stabilität und Flexibilität verschiedener Ziegelsteine getestet und das ist auch zwingend nötig. Kein anderes Land hat so viele Ziegelarten wie Deutschland, Messungen aus Italien oder Griechenland können daher nicht einfach übernommen werden.
Hinzu kommen Testungen an neuen Baustoffen. Die Forscher gehen beispielsweise der Frage nach, ob statt Mörtel auch PU-Schaum bei der Errichtung einer erdbebensicheren Mauer verwendet werden kann. Fragen, die auch für die Mauerwerksindustrie von Interesse sind. Zusätzlich zu den Forschungsgeldern des Bundes fördert diese das Forschungsprojekt, um die Ergebnisse direkt umsetzten zu können.
Praxis, Lehre und Forschung greifen eng ineinander. Die Daten dienen zur Verbesserung der industriellen Standards und bleiben für die Studierenden nicht nur bloße Theorie, denn die Versuche werden in die Vorlesung eingebunden. Das Zeigen der Auswirkungen der enormen Kräfte sorgt bei den Studierenden für ein besseres Verständnis, so die Laborleiter.
Dabei wird auch der wissenschaftliche Nachwuchs gefördert, denn seit zwei Wochen sind nun auch eine an das Projekt angegliederte Promotion möglich.