Leben vor 100 Jahren

Ausstellung in Regensburg: Was alte Fotos über den Bayerischen Wald verraten

Das Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg hat von einem Sammler über 8.000 historische Fotos erworben. Einen Teil davon gibt es auf der Forschungsreise in "Bayerns wilden Osten" zu sehen.


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Der Nikolaus auf dieser Ansichtskarte vom Vilshofener Fotoatelier Sickel aus dem Jahr 1948 trägt mit der dunklen Sonnenbrille ein besonderes Accessoire. Ob es sich um einen besonders coolen Nikolo handelt oder der Darsteller schlichtweg nicht erkannt werden möchte?

Was macht den Bayerischen Wald um 1900 aus? Welche Menschen und Orte prägen die Region? Wie lebt und arbeitet man dort? Ansichtskarten und Fotos sind eine gute Quelle, um sich diesen Fragen und dieser Gegend zu nähern, die sich ungefähr von Regensburg bis Passau und von der Donau bis zur tschechischen Grenze erstreckt. 

Das Haus der Bayerischen Geschichte hat 2023 eine über 8.000 Stück umfassende Ansichtskarten- und Fotosammlung zum Bayerischen Wald erworben, heißt es in einer Pressemitteilung des Museums. Sie sei in drei Generationen zusammengekommen. Die Fotoausstellung "Menschen im Bayerischen Wald 1900-1950" ist seit dem 25. Juli kostenlos im Foyer des Museums am Regensburger Donaumarkt zu sehen. Dafür hat der Museums-Direktor Dr. Richard Loibl die Aufnahmen ausgewertet und seine knapp 50 Lieblinge zusammengestellt.

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Der Bayerische Wald wurde sehr spät durch die Eisenbahn erschlossen, was sich für die ersten Industrialisierungsansätze in der Region als hinderlich erwies. Erst 1877 wurde die Strecke Plattling – Bayerisch Eisenstein in Betrieb genommen. Die Ansichtskarte zeigt knapp 40 Arbeiter mit einer kleinen Behelfslok beim Bau des Streckenabschnitts Obernzell – Untergriesbach der Bahnlinie Erlau – Wegscheid (Landkreis Passau).

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Die seltene Panorama-Ansichtskarte vom ältesten Markt Bayerns, Hengersberg im Landkreis Deggendorf, zeigt den Marktplatz aus südlicher Richtung. Der vermutlich vom Fotografen leer gefegte Marktplatz erscheint überdimensioniert. Wenn jedoch die großen Viehmärkte stattfanden, dann platzte er aus allen Nähten.

Wieso sich Loibl ausgerechnet für das Leben im Bayerischen Wald interessiert? "Ich habe mir diesen Bestand selber vorgenommen, weil ich ein Waidler bin - wenigstens ein Vorwaidler." 

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Bewegliche Dampfmaschinen waren für die Entwicklung der Landwirtschaft von großer Bedeutung. Hier präsentiert sich eine Gruppe von rund 20 Erntehelfern mit Kindern und Maschinisten stolz neben der Maschine. Das Foto wurde vom Landschaftsfotografen Georg Bayerl aus Ötzing bei Tiefenbach (Landkreis Passau) aufgenommen.

Nun führt Loibl Besucher durch eine Forschungsreise in Bayerns wilden Osten. "Der besondere Wert unserer Sammlung liegt in den Aufnahmen von Menschen", sagt Loibl.

Kuriose Gestalten, wie ein Nikolo aus der Nachkriegszeit aus Vilshofen (Landkreis Passau), der eine Sonnenbrille trägt oder der "Schwammerl-Luisei" aus Zwiesel (Landkreis Regen). Hinter dieser Berühmtheit verbarg sich der 1853 geborene Alois Schmitt, der sich nach einer unglücklichen Romanze in die Waldwildnis zurückgezogen haben soll. Im Herbst habe er vom Verkauf von Schwammerln gelebt, daher der Name.

Zusammen würden die Aufnahmen ein vielfältiges Bild des Lebens im Bayerischen Wald ergeben, so Loibl.

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Die Ansichtskarte zeigt eine Gruppe von Frauen im Wald vor einer gespannten Schnur. Es handelt sich um  Baumpflanzerinnen oder Kulturfrauen. Das Aufforsten war insbesondere durch die Abholzungen während der Kriege dringend nötig. Das Foto wurde vom Fotografen Ludwig Hirsch aus Waldkirchen (Landkreis Freyung-Grafenau) aufgenommen.

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Die Ansichtskarte von Perlesreut (Landkreis Freyung-Grafenau) zeigt den Laden des Uhrmachers und Goldwarenhändlers Anton Bogenstätter samt Familie und vermutlich anderen Marktbewohnern.

Neben Stadtaufnahmen aus Regen, Straubing, Lalling und Deggendorf verewigen die Ansichtskarten auch Menschen während der Arbeit und in Alltagssituationen: Baumpflanzerinnen, Arbeiter in Glasfabriken, Menschen bei Festen wie der feierlichen Fronleichnamsprozession oder beim Fasching mit Maschkerer-Larven. 

Die Ansichtskarten zeigen ein ganz anderes Bild des Bayerischen Waldes jenseits von Naturidyll, Bayerisch Sibirien oder Notstandsregion. Sie rücken spektakuläre Bauprojekte. Eisenbahnbrücken über steilen Schluchten, Hotels und Musikfabriken in regelrechten Boomtowns ins Bild. Pioniere, die Schneisen in den Wald schlagen und Kulturpflanzerinnen, die die Waidler wieder aufforsten. 

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Regen ist eine der Kernstädte des Bayerischen Waldes, entstanden durch das benachbarte Kloster Rinchnach. 1254 wurde der Ort als Markt erwähnt und später zum Landgerichtssitz erklärt. Erst 1877 wurde Regen an die Eisenbahn angebunden und 1932 zur Stadt erhoben. 

Was die Aufnahmen noch so abbilden? Dass der Bayerische Wald mit seinen Klischees längst aufgeräumt hat. Zu sehen bei der Ausstellung "Menschen im Bayerischen Wald 1900-1950" im Museum der Bayerischen Geschichte am Donaumarkt 1 in Regensburg; geöffnet Dienstag bis Sonntag, von 9 bis 18 Uhr.