Straubing
Von wegen Kindererziehung ist Frauensache: Mehr Männer braucht das Land!
8. April 2014, 14:29 Uhr aktualisiert am 8. April 2014, 14:29 Uhr
Seit Jahren wird die Frauenquote in sogenannten Männerberufen verstärkt diskutiert. Kaum eine Plattform gibt es dagegen für Männer in vermeintlichen Frauenberufen. Nahezu stiefmütterlich wird in der Gesellschaft das Berufsbild des Erziehers behandelt. Angereichert mit etlichen Klischees und Vorurteilen. Wenig verwunderlich also, dass männliche Erzieher nach wie vor Mangelware sind. Zahlen belegen dies eindeutig, denn noch immer liegt der Prozentanteil männlicher pädagogischer Fachkräfte in Kindergärten und Krippen deutschlandweit unter fünf Prozent.
Doch woran liegt's? Karl Appl (55) übt den Beruf seit nunmehr 30 Jahren aus und arbeitet seit 2009 im Kindergarten St. Johannes in Ittling. Er ist sich sicher: "Die niedrigen Gehälter schrecken viele männliche Jugendliche davor ab. Es ist nahezu unmöglich, davon später mal eine Familie zu ernähren." Zu manifestiert ist offenbar das Bild vom Alleinversorger in den Köpfen vieler Männer. Ein Bild, das sich in 30 Jahren kaum gewandelt hat und dem viele Männer auch heute noch zu entsprechen versuchen. Für Spiel- und Bastelstunden mit Kindern ist in dieser Denkweise nur herzlich wenig Platz. Das bestätigt auch der 19-jährige Kevin Schmitt. Nach zwei gescheiterten Ausbildungen in Handwerksberufen, hat er sich dazu entschieden, als Erzieherpraktikant im Städtischen Kindergarten in der Donaugasse tätig zu sein. Eine Arbeit, die ihm nicht nur Spaß macht, sondern die ihm auch ein komplett anderes Lebensgefühl vermittelt. "Ich gehe jeden Morgen mit einer ganz anderen Einstellung zur Arbeit und freue mich auf die Aufgaben", schwärmt Kevin Schmitt. Doch auch er hat mit den üblichen Vorurteilen zu kämpfen. "Freunde belächeln mich schon immer wieder und sagen, dass ich in der Arbeit ja "nur" den ganzen Tag mit Kindern spielen würde", berichtet der 19-Jährige. Respekt erntet man selten. Doch da steht er drüber. Wohlwissend, dass der Beruf des Erziehers ein enorm verantwortungsvoller ist.
Zumal Männer in dieser Berufssparte eine nicht zu unterschätzende Rolle einnehmen, wie Christiane Prosser, Leiterin des Städtischen Kindergartens in der Donaugasse, bestätigt: "Speziell Jungen haben einen ganz anderen Zugang zu männlichen Erziehern, weil die Interessen und Erfahrungen anders gewichtet sind, als bei weiblichen Erzieherinnen." Man brauche auch eine gewisse Vaterfigur in Kindergärten. "Ich erinnere mich, dass Kevin unlängst einem Buben von seiner früheren Ausbildung erzählt hat, wo er Hubschrauber repariert hat", so Prosser weiter. Das sei für den kleinen Jungen das höchste gewesen.
Trotzdem: eine faire Chance bekommen männliche Erzieher nur selten. Zu groß ist nach wie vor die Skepsis vieler Eltern, dass die Herren der Schöpfung in diesem Beruf das selbe leisten können wie Frauen. Und was deutlich schwerer wiegt, ist die Angst vor sexuellem Missbrauch. Alexandra Kräh, Leiterin vom Kindergarten St. Johannes, erinnert sich: "Wir hatten bei Neuanmeldungen letztes Jahr ein paar Fälle, wo besorgte Eltern nachgefragt haben, ob Herr Appl die Kinder auch wickelt und mit ihnen aufs Klo geht." In solchen Fällen helfe nur die direkte Konfrontation. Karl Appl: "Ich habe damals dann das Gespräch mit den betreffenden Eltern gesucht, und dadurch deren Ängste und Zweifel aus dem Weg geräumt."
Ebenso wie Karl Appl wünscht sich auch Kevin Schmitt ein Umdenken in der Gesellschaft: "Ich finde es schlimm, wenn alle über einen Kamm geschoren werden. Man vorverurteilt ja jemanden, den man gar nicht kennt, nur anhand seines Geschlechts." Damit wird Kevin Schmitt oft genug konfrontiert, da er neben seinem Praktikum gerne als Babysitter arbeitet, um sich etwas Geld dazu zu verdienen. Leider mit sehr geringer Resonanz, weil viele Eltern ihre Vorbehalte haben. Im Fall von Kevin Schmitt nicht nachvollziehbar, wie seine Chefin Christiane Prosser bestätigt: "Er hat ein sehr gutes Einfühlungsvermögen und die Kinder schätzen ihn sehr." Wer also händeringend einen Babysitter im Landkreis Straubing sucht, kann sich per Mail an folgende Adresse wenden: Redaktion@idowa.de.