Straubing
„Tischreservierungen gibt es im Paradies nicht“
30. Juli 2012, 7:00 Uhr aktualisiert am 30. Juli 2012, 7:00 Uhr
(cla). Nur noch elf Tage, dann beginnt das Gäubodenvolksfest! Die ganze Region fiebert Straubings fünfter Jahreszeit entgegen, und wen wunderts, dass auch die Altstadt-CSU das Thema in den Mittelpunkt der zweiten Ausgabe ihres Frühschoppens nach dem Vorbild des Sonntags-Stammtisches im Bayerischen Fernsehen gestellt hat. In die Tafernwirtschaft eingeladen war eine illustre Runde aus Volksfest-Spezialisten, die sich gerne den Fragen von Bernd Stuhlfelner, dem Leiter der Niederbayern-Redaktion des Straubinger Tagblatts, stellte: Zu Wort kamen Max Riedl, Bereichsleiter "Gäubodenvolksfest" bei der städtischen Ausstellungs- und Veranstaltungs-GmbH, Festwirte-Sprecher Martin Lechner, Andreas Pfeffer, stellvertretender Landesvorsitzender des Verbandes der Bayerischen Schausteller- und Marktkaufleute, sowie Michaela Stöberl, Wirtin des Traditionsgasthauses "Zum Geiss".
Angelehnt an das BR-Stammtisch-Motto "bayerisch, bissig, bunt" soll's beim neuen Frühschoppen der Altstadt-CSU "grodaus, g'scheckert, niederboarisch" zugehen, und das Konzept hat bei der Premiere im März gut funktioniert: Nach den Worten des Vorsitzenden Holger Frischhut war der prominente Ehrengast CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt so beeindruckt von der Veranstaltung, dass er solche Stammtische mittlerweile in ganz Bayern initiiert habe. Statt rund 100 Gästen kamen dieses Mal zwar nur knapp halb so viele; die Diskussion verfolgten sie aber umso aufmerksamer.
Moderator Bernd Stuhlfelner griff gleich zu Beginn die Bedenken vieler Fans des gemütlichen, traditionellen Gäubodenvolksfestes auf, dass es sich immer mehr Richtung Oktoberfest entwickele. Ist die Partykultur der "Wiesn" wünschenswert für Straubing? fragte er kritisch in die Runde. In Straubing wird es nie solche extremen Verhältnisse geben, ist sich Martin Lechner sicher. In München feiere die ganze Welt; während dort um 9 Uhr morgens schon manche Zelte zugesperrt werden, sei das in Straubing nur am Samstagabend der Fall.
Auch Max Riedl hat keine Sorge, dass das Gäubodenvolksfest zu einer zweiten Wiesn verkommt. Mit dem Gäubodenvolksfest identifiziere sich die Stadt Straubing und das gesamte Umland: "Es ist ein gesellschaftliches Highlight, hier kommt das Lebensgefühl der Niederbayern zum Ausdruck. Die Einflüsse von außen sind gering." Die Zelte hätten gewachsene Strukturen, und im überschaubaren Vergnügungspark, der als großer Rundlauf angelegt ist, fühle man sich noch zu Hause.
Kritik an Sperrzeit
Michaela Stöberl, Wirtin des Gasthauses "Zum Geiss", eines der In-Lokale nach Schankschluss am Festplatz, saß als Vertreterin der jungen Generation am Stammtisch. Ihre Meinung: "Am Volksfest sollte es traditionell bleiben, Party gibt es danach in der Stadt genug."
Ein Gräuel ist ihr dabei die von der Stadt angeordnete Sperrstunde während der Woche um 3 Uhr statt um 4 Uhr wie am Wochenende. Es sei kein Wunder, wenn es danach zu Lärmbelästigungen in der Innenstadt komme: "Die Leute wollen um 3 Uhr noch nicht heim. Es ist sehr schwer, sie um diese Zeit aus dem Wirtshaus rauszukriegen, und dann laufen sie grölend durch die Stadt. Um 4 Uhr dagegen kippt die Lage, da wollen sie nur noch heim."
Mehr als sonst erregt heuer das Thema Tischreservierungen die Gemüter: Es ist das erste Mal, dass in einem Teil der Festzelte, namentlich im Krönner- und im Nothaft-Zelt, Tischreservierungen mit einer Mindestabnahme von Markerl verbunden sind. Auch Festwirt Martin Lechner verlangt Vorkasse, allerdings nur bei auswärtigen Gästen. Ziel ist, sogenannte "Geisterbuchungen" zu unterbinden.
"Aus Protest"...
Ein Besucher erzählte in diesem Zusammenhang, dass seine Familie wegen dieser Praxis "aus Protest" den alle Jahre reservierten Tisch im Nothaft-Zelt aufgegeben habe. Fader Beigeschmack: "Wir wissen, dass jetzt eine auswärtige Firma unseren Tisch kriegt. Ich finde, die Wirte sollten mehr auf die Straubinger schauen." Zustimmendes Klopfen auf die Holztische.
Auch Stadtrat Peter Ries lehnt die neue Reservierungspraxis als wenig familienfreundlich ab. "Ich habe in der katholischen Soziallehre nicht gelernt, dass es im Paradies Reservierungen gibt", spielte er auf das vielzitierte "Trumm vom Paradies" an, wie das Gäubodenvolksfest oft genannt wird. Die Ausstellungs-GmbH ist mit dem Mindestverzehr ebenfalls nicht glücklich, war aus Max Riedls Worten herauszuhören. "Wir beobachten das heuer mal, tauschen nach dem Fest in den verschiedenen Gremien unsere Erfahrungen aus und finden dann vielleicht eine Lösung für die Folgejahre, mit der alle leben können."
Auf Stuhlfelners Frage nach dem Warum beim enorm gestiegenen Bierpreis konterte Martin Lechner mit dem "immens gestiegenen Standard" der Zelte, und Max Riedl sprang ihm zur Seite: "Ein Zelt für 5 000 Leute ist ein Provisorium, das höchste Ansprüche erfüllen soll. Die Besucher wollen schnellen Service und beste Qualität. Das Investitionsvolumen der Wirte ist in der Vergangenheit höher gestiegen als der Bierpreis." Seine Erfahrung außerdem: "Die Besucher sehen den Bierpreis gar nicht so eng."
Enormer Werbefaktor
Andreas Pfeffer erzählte, dass ihn vor kurzem in Berlin ein Taxifahrer aufgrund seines Dialekts gefragt habe, woher er komme. "Ah, Straubing, wo das Gäubodenvolksfest ist und wo jetzt auch Eishockey gespielt wird", habe der Fahrer gewusst. "Das Gäubodenvolksfest ist ein enormer Werbefaktor, nicht nur in Bayern, sondern bundesweit", betonte Pfeffer. Als zusätzliche Werbemöglichkeit regte ein Besucher kleine Volksfest-Autofähnchen nach dem Vorbild der Deutschland-Autofähnchen bei der Fußball-EM und -WM an.
Bernd Stuhlfelner führte die Runde gekonnt durch die Diskussion und sprach noch viele Themen wie Lautstärke in den Zelten, Wirtschaftskraft des Volksfestes, Parkplatzsituation, Modetrend Tracht oder Besonderheiten zum 200-jährigen Jubiläum an. Max Riedl warb dabei insbesondere für den historischen Bereich mit 20 teils über 100 Jahre alten Fahrgeschäften.
Welche Gastgeschenke Holger Frischhut zum Schluss an die Mitwirkenden des Sonntags-Stammtisches verteilte, versteht sich von selbst: Biermarkerl natürlich.