Eisbären Regensburg
"Positiv verrückt": Stefan Liebergesell ist mit 24 Jahren Geschäftsführer
16. September 2017, 9:30 Uhr aktualisiert am 16. September 2017, 9:30 Uhr
Mit 24 Jahren ist Stefan Liebergesell Geschäftsführer der Eisbären Regensburg. Das erfordert viel Mut. In seinen ersten fünf Monaten hat er vieles verändert: den Namen, die Verwaltung und die Mannschaft. idowa hat ihn in Regensburg besucht.
Es ist ein Montagabend Anfang April. Besser gesagt, es ist schon Nacht. Es ist halb zwölf, als Stefan Liebergesells Telefon klingelt. Ob er sich vorstellen könne, neuer Geschäftsführer des EV Regensburg zu werden, wird er gefragt. Bedenkzeit? Zehn Minuten. Liebergesell engagiert sich schon lange im Regensburger Eishockey, war zuletzt als Stadion- und Pressesprecher aktiv. Auch andere Aufgaben hat er schon übernommen. Aber Geschäftsführer? Mit 23 Jahren? Eigentlich eine Entscheidung, die nicht in zehn Minuten zu treffen ist. Liebergesell trifft sie trotzdem - aus Verbundenheit zum Regensburger Eishockey, wie er sagt. "Das ist einfach mein Herzensverein. Ich bin von hier. Seit ich sechs Jahre alt war, bin ich mit meinem Vater zum Eishockey gegangen und identifiziere mich zu 100 Prozent mit dem Club. Das ist kein normaler Job für mich." Seinen Vater muss er vor einer endgültigen Zusage dennoch anrufen. Denn bei ihm ist Liebergesell zu diesem Zeitpunkt noch angestellt. Der Vater gibt sein Okay und auch Stefan Liebergesell sagt schließlich zu. Und so wurde er über Nacht zum Geschäftsführer eines Eishockey-Oberligisten.
Nun ist Eishockey kein ganz einfaches Business. Gerade als 23-Jährigem dürfte einem da auch eine gewisse Skepsis entgegenschlagen, mag man vermuten. "Ein, zwei Berater haben schon versucht, mich - auf gut Deutsch gesagt - zu verarschen", berichtet Liebergesell. Er ließ sich auf die aufgerufenen Summen aber nicht ein. Schließlich habe er in Regensburg zwei Spielervermittler, die er lange kenne und bei denen er sich rückversichern könne. Einer davon ist Club-Legende Martin Ancicka. "Auch die Manager anderer Vereine kann man mal anrufen und nachfragen, was Spieler bei ihnen verdient haben. Eishockey ist ein kleines Business, in dem jeder jeden kennt. Und ein ehrliches Business", sagt Liebergesell. Ohnehin bekomme man relativ schnell ein Gespür dafür, welche Preise der Markt aktuell hergibt. Zumal Liebergesell auch in den vergangenen Jahren schon sehr nah dran war am Geschehen.
"Durch Arbeit überzeugen"
Sein Alter ist für Liebergesell kein Problem. Natürlich habe er Respekt davor gehabt, zu Terminen mit den Aufsichtsratsvorsitzenden großer Firmen zu gehen. "Aber keiner hat sich distanziert verhalten", erzählt Liebergesell. Im Gegenteil: "Ich habe eine große Akzeptanz gespürt. Viele haben mir ihren Respekt gezollt, dass ich mich das traue." Und den Sponsoringpool hat der Verein bis jetzt sogar erweitert. Die Reaktionen am Anfang seien spannend zu verfolgen gewesen. Unter den Fans gab es natürlich auch den einen oder anderen Skeptiker. "Ganz normal", findet Liebergesell. "Mir bleibt nichts anderes übrig, als zusammen mit den Gesellschaftern durch unsere Arbeit zu überzeugen."
Bei der Sponsorensuche helfe es natürlich, dass die neuen Gesellschafter auch Türen zu potenziellen neuen Unterstützern öffnen könnten. Die neuen Gesellschafter, das sind derzeit 13 Unternehmer, waren es auch, die Liebergesell als Geschäftsführer installiert haben. Die Gesellschafter seien "Leute, die bisher alle als Sponsoren im Regensburger Eishockey unterwegs waren. Die meisten davon gehen schon jahrzehntelang ins Eishockey", so Liebergesell. Der Gesellschafterkreis hat sich im Sommer auch aus der Not heraus gegründet. Denn zuvor stand mit Ivo Stellmann-Zidek ein Mann an der Spitze des Regensburger Eishockeys, der alles in einer Person war: Vorstand des Stammvereins, Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Profi-GmbH. Nach dem sportlich enttäuschenden Aus in den Playoffs gegen Sonthofen wollte Stellmann-Zidek die Alleinverantwortung nicht mehr tragen und entschied, sich etwas zurückzunehmen. Als 1. Vorstand des Stammvereins ist er jedoch geblieben
Stefan Liebergesell will etwas bewegen im Regensburger Eishockey. Seit er in der neuen Position ist, gebe es für ihn nur eins: "Arbeiten und Gas geben." Es sei nicht schlimm, wenn er mal zwölf oder 13 Stunden am Tag arbeite. "Das ist ja positiver Stress", sagt er.
Eine der größten Veränderungen hat er schon nach wenigen Wochen durchgesetzt. Der EV Regensburg heißt nun wieder Eisbären Regensburg. Neuer Name, neues Image - Neuanfang. "Wir wollten einfach einen kompletten Neustart", sagt Liebergesell. "Die Leute in Regensburg haben sich schon immer mit den Eisbären identifiziert", betont er. Auch er selbst: "Es hat nicht nur bei den Fans, sondern natürlich auch bei mir gewisse Emotionen hervorgerufen."
"Ruf doch mal den Peppi an": Der sportliche Umbruch bei den Eisbären
Sportlich hatte Liebergesell einen großen Umbruch zu meistern. Trainer Doug Irwin war weg, in der Mannschaft fielen die Veränderungen größer aus als gewünscht. Marco Habermann folgte Irwin nach Duisburg, Tim Brunnhuber wechselte wegen einer Kooperation mit einem Zweitligisten, die Liebergesell damals noch nicht bieten konnte, nach Lindau. Inzwischen können auch die Eisbären eine Kooperation mit Bayreuth anbieten. Cody Brenner (Deggendorf) und Yannick Drews (Bayreuth) hatten schon bei anderen Clubs unterschrieben, ehe Liebergesell seinen Job angetreten hatte. Und Barry Noe wollte aus privaten Gründen näher an seinem Wohnort spielen, löste seinen Vertrag auf und wechselte nach Weiden.
Zunächst galt es, einen neuen Trainer zu finden. Liebergesell wollte jemanden, den man kennt und er wollte einen deutschen Trainer. "Wir schreiben uns hier in Regensburg Nachwuchsförderung auf die Fahne, holen aber nur ausländische Trainer." Das wollte er ändern. Das Problem: "Der deutsche Trainermarkt ist fast leer." Zwei Wochen lang bekam Liebergesell nur Absagen oder hatte kein hundertprozentig gutes Gefühl. Dann kam Franz Steer, aktuell Trainer in Dresden, und gab ihm den entscheidenden Tipp: "Ruf doch mal den Peppi Heiß an." Liebergesell rief Heiß an, der gerade auf dem Weg in den Urlaub war. Heiß sagte zu, man lag auf einer Wellenlänge. Die Baustelle Trainer war geschlossen.
Nun waren die Spieler dran. Torhüter Peter Holmgren, Verteidiger Sebastian Wolsch und der neue Kapitän Peter Flache hatten noch einen Vertrag. Als erstes wollte Liebergesell seinen Top-Ausländer Nikola Gajovsky, der "ein sehr gutes Angebot eines Ligakonkurrenten vorliegen hatte", und Tomas Gulda halten. Das ist gelungen. Für die Neuzugänge gab es eine Wunschliste, "die wir bestimmt 15-mal angepasst haben." Am schwierigsten war es, einen zweiten guten Ausländer zu finden. Es wurde der litauische Angreifer Arnoldas Bosas, über den sich Liebergesell beim deutschen Trainer der litauischen Nationalmannschaft, Bernd Haake, erkundigt hatte. "Mit Bosas haben wir nicht daneben gegriffen", urteilt Liebergesell nach den ersten Eindrücken in der Vorbereitung. Am Ende wurden es zwölf Neuzugänge, die sich zu zwölf Spielern, die geblieben sind, gesellt haben. Neuer Name, neue Mannschaft.
Die Mannschaft soll in der kommenden Saison laut Liebergesell für aggressives und schnelles Eishockey stehen. Vor allem aber für harte und ehrliche Arbeit. Vergangene Saison habe es Spieler in der Mannschaft gegeben, sagt Liebergesell ohne Namen zu nennen, für die Zweikampf ein Fremdwort gewesen sei. "Wir haben mit Gajovsky zwar weiter den Edeltechniker der Liga in unseren Reihen, in der Breite sind wir aber eine harte und ehrliche Truppe, die beißt", sagt der neue Geschäftsführer. Man habe nun einige "Wadelbeißer" in der Mannnschaft. Passend zum neuen Namen Eisbären also.
"Mehr Aktionen, mehr Dialog - mit Fans und Sponsoren"
Nicht nur auf, auch neben dem Eis hat sich bei den Eisbären etwas verändert. Man hat die Leute in der Verwaltung ausgetauscht - nicht, weil die bisherigen einen schlechten Job gemacht hätten, sondern weil man mit dem Neuanfang auch neue Leute und neue Ideen im Club haben wollte. "Wir sind personell anders besetzt - jünger, hungriger, auf und auch neben dem Eis", sagt Liebergesell.
Auch für Sponsoren will Liebergesell mehr machen. Mindestens eine Aktion pro Quartal plant er, die erste am 29. September, dem Tag des ersten Auswärtsspiels beim EV Landshut. Per Zug geht es nach Landshut, dort mit dem Bus ins Stadion. Es ist Platz für 200 Leute, verbunden werden soll die Fahrt mit einem Speed-Networking-Konzept im Zug. Für die Fans will Liebergesell das Stadionerlebnis attraktiver machen, plant mehr Spieltagsaktionen. Mit dem Internet-Streaming-Dienst SpradeTV wurde die Zusammenarbeit ausgeweitet. Man hat nun ein eigenes Studio im Stadion, es wird in den Pausen Spielerinterviews geben. Die Übertragung soll mit dem Stadion-TV verbunden werden. Ab Oktober wird diese dann am neu installierten Videowürfel in der Donau Arena zu sehen sein. "Mehr Aktionen, mehr Dialog - bei den Sponsoren und den Fans", fasst Liebergesell seine Strategie kurz zusammen.
Demut bei der Aufstiegsfrage
Stefan Liebergesell muss mit seinen inzwischen 24 Jahren einen siebenstelligen Etat verwalten. In den ersten ein, zwei Jahren sei das primäre Ziel, dass sich das Konstrukt finanziell trägt. "Sportlich lebt in Regensburg natürlich immer der Traum von der DEL2", sagt Liebergesell. Nur wird das mit der aktuellen Regelung, dass aus zwei Oberligen mit 26 Teams nur eine Mannschaft aufsteigt, nicht einfach. "Unter diesen Teams sind zehn aufstiegsambitionierte und davon eines aus den Niederlanden (Tillburg Trappers, Anm. d. Red.), das dir in den Playoffs ein Bein stellen kann." Das Ziel sei natürlich, irgendwann zurück in der zweiten Liga zu sein. Das sei aber eher mittel- als kurzfristig das Ziel. "Solange die Aufstiegsregelung so ist, müssen wir das mit Demut angehen und einfach hart arbeiten. Denn für den ganz großen Wurf braucht man auch das nötige Glück."
Bei Stefan Liebergesell ist die Vorfreude auf die neue Saison da. Auch wenn in den Wochen davor der "ganz normale Wahnsinn" ablaufe, fiebert er den Pflichtspielen entgegen. Er brauche "am Spieltag diese Anspannung, diesen Kick." Und dann freut sich Liebergesell auch auf die Länderspielpause, denn dann wird er eine Woche wegfahren und Urlaub machen. Doch bis dahin gilt für ihn: Arbeiten und Gas geben. Schließlich will er etwas bewegen im Regensburger Eishockey. Für ihn ist klar: "Wenn du diesen Job in meinem Alter machst, dann musst du ja irgendwo positiv verrückt sein."