SSV Jahn Regensburg
Oliver Hein im Interview: "Es zählt nur der sofortige Wiederaufstieg"
13. Mai 2015, 20:00 Uhr aktualisiert am 13. Mai 2015, 20:00 Uhr
Seit 2007 spielt Oliver Hein beim SSV Jahn Regensburg. Der heute 25-Jährige wechselte damals aus der Jugend des FC Dingolfing in den Nachwuchs der Domstädter. Seit sechs Jahren ist der gebürtige Straubinger nun bei den Profis. Jetzt steigt er zum zweiten Mal nach 2013 (von der zweiten in die dritte Liga) mit dem Club ab. Im Interview spricht er über den Abstieg, seine persönliche Zukunft und die Professionalisierung des Vereins.
Die Saison neigt sich dem Ende zu, der Abstieg steht seit eineinhalb Wochen fest. Konnten Sie das schon ein bisschen verarbeiten, Herr Hein?
Oliver Hein: Man hat sich ja schon ein paar Wochen davor darauf einstellen können. Klar hat man Woche für Woche versucht, sich nur auf das nächste Spiel zu konzentrieren und alles rauszuhauen, um das Wunder doch noch möglich zu machen. Aber wir haben es leider nicht geschafft. Aber so ist das im Fußball, es geht trotzdem weiter.
Können Sie schon Gründe für die abgelaufene Saison nennen?
Hein: Das Jahr ist von vielen verschiedenen Faktoren her sehr unglücklich verlaufen. Wir haben uns allein durch die Vorrunde schon einen sehr großen Rucksack aufgesetzt. Wir hatten in der Vorrunde auch großes Verletzungspech, als viele wichtige Spieler ausgefallen sind. Aber jetzt nur ein oder zwei Faktoren zu nennen, das wird der Analyse des Abstiegs nicht gerecht, das wäre zu einfach.
"Es ist schwierig, wenn dir vor jedem Spiel das Wasser bis zum Hals steht."
War das letzte Spiel vor der Winterpause, als man in Unterhaching nach 2:0 noch 2:3 verloren hat, ein Tiefschlag zu viel? Mit einem Sieg hätte man die Rückrunde noch einmal positiver angehen können. Neun Punkte Rückstand waren dann doch sehr viel.
Hein: Es waren viele Spiele dabei, die wie ein richtiger Tiefschlag waren. Das Spiel in Unterhaching war sicherlich auch ein solches. Aber letztendlich war es schon früher schwierig. Wir sind dann mit neun Punkten Rückstand in die Rückrunde gestartet, haben noch einmal extrem viel Kraft hineingesteckt, eine super Vorbereitung gemacht und versucht, durch ein neues Mannschaftsgebilde noch einmal neuen Schwung reinzubekommen. Aber wir konnten, wenn es entscheidend wurde, die engen Spiele nicht für uns entscheiden.
Aus der Winterpause kam die Mannschaft gut heraus, holte sieben Punkte aus drei Spielen und man hatte das Gefühl, dass vielleicht doch noch was möglich ist. Warum konnte man letztlich nicht in Schlagdistanz bleiben?
Hein: Wir sind extrem gut gestartet, waren bis auf drei Punkte dran. Aber es war auch für jeden Spieler eine extrem schwierige Situation, wenn dir vor jedem Spiel das Wasser bis zum Hals steht. Wir waren in jedem Spiel in der Rückrunde quasi zum Siegen verdammt. Das hat die ohnehin schon schwierige Situation natürlich auch nicht einfacher gemacht. Man darf auch nicht vergessen, dass wir eine relativ neue Mannschaft hatten. Das ist nicht selbstverständlich, dass da auf Anhieb alles funktioniert.
War es in der entscheidenden Phase auch einfach eine psychische Sache, dass der Druck, gerade auch wegen des neuen Stadions, zu groß wurde und die Mannschaft dem nicht standhalten konnte?
Hein: Den Druck, den wir verspürt haben, den haben wir uns immer selbst gemacht. Wir haben auch viele Spieler, die den Jahn als zweite oder sogar letzte Chance im Profifußball betrachtet haben. Es ist für viele Spieler um Existenzen gegangen, es geht um Existenzen im Verein, was unsere Geschäftsstelle betrifft. Dessen ist man sich als Fußballer natürlich auch bewusst. Es war nicht der Druck des Stadions, der dafür verantwortlich war, dass wir enge Spiele immer wieder vergeigt haben. Vielleicht war der psychische Druck in manchen Situationen aber einfach zu groß. Das war mitunter schon eine sehr große psychische Belastung.
"Man hatte nichts mehr zu verlieren"
Die Mannschaft wurde während der Saison quasi runderneuert. Wie nimmt man als Aktiver den Prozess wahr, wenn um einen herum der Kader zur Hälfte ausgetauscht wird?
Hein: Das ist ein Ausnahmefall. In der Situation, in der wir waren, war es leider notwendig, weil wir wirklich abgeschlagen am Tabellenende waren. Deswegen hatte man im Endeffekt auch nicht mehr viel zu verlieren. Man musste reagieren, man hat reagiert. Klar ist es schwierig, wenn man eine halbe Saison schon mit einer eigentlich anderen Mannschaft gespielt hat. Es sind immer Prozesse, die nicht von heute auf morgen gehen. Das darf man nicht unterschätzen. Man stand mit dem Rücken zur Wand und hat versucht, das Beste daraus zu machen und gehofft, dass es gut geht. Das war leider nicht der Fall.
Würden Sie sagen, dass die Qualität der Mannschaft nach der Winterpause besser war als vor der Winterpause?
Hein: Auf jeden Fall. Das hat man alleine schon im Training gemerkt. Warum wir trotzdem nicht viel mehr Punkte geholt haben als in der Vorrunde, liegt glaube ich auch einfach daran, dass es eine ganz andere psychische Voraussetzung und mentale Belastung ist, wenn man als abgeschlagener Letzter in eine Runde startet. Deswegen kann man Vor- und Rückrunde nur schwer miteinander vergleichen. Man ist einfach schon mit einem sehr hohen Kredit in die Rückrunde gestartet und das kann man nicht einfach aus dem Kopf löschen. Die Tabelle schaut man sich als Fußballer natürlich an und das kann man nicht einfach ausblenden.
Mit Christian Brand kam auch ein neuer Trainer. Was hat er bewirkt?
Hein: Er hat gute Arbeit geleistet. Es lag sicher nicht an der Trainingsarbeit. Wie die Mannschaft Woche für Woche gearbeitet hat, ist auch für einen Tabellenletzten nicht selbstverständlich. Deswegen ist es umso bitterer, dass es am Ende doch nicht geklappt hat. Aber am Trainingsplatz holt man leider keine Punkte, die gibt es nur am Samstag auf dem Rasen.
Schmerzt der Abstieg für jemanden wie Sie, der seit acht Jahren im Verein ist und aus der eigenen Jugend kommt, noch mehr?
Hein: Ich glaube, das tut den anderen auch weh. Aber natürlich schmerzt es noch einmal mehr, wenn man so lange beim Verein ist, viel Schweiß und Herzblut reingesteckt hat. Bei mir hängt einfach viel an diesem Verein. Regensburg und der Jahn sind mittlerweile mein Lebensmittelpunkt. Ich fühle mich hier wohl, das ist zu meiner Heimat geworden. Ich verbinde schöne wie auch nicht so schöne Erfahrungen mit dem Verein. Solche Emotionen verbinden einen einfach auf eine ganz spezielle Art und Weise. Es nimmt einen mit, wenn man wirklich alles versucht, es aber nicht mehr verhindern kann.
"Der Profifußball in Regensburg steht vor einem entscheidenden Wendepunkt"
Wie bitter ist es, dass der Abstieg gerade jetzt kommt, wo mit dem neuen Stadion bessere Möglichkeiten entstanden wären?
Hein: Das ist natürlich extrem bitter, weil man gerade vor einem entscheidenden Wendepunkt steht in der Geschichte des Jahn und des Profifußballs in Regensburg. Aber man sieht, dass man im Fußball einfach nichts planen kann. Das macht ihn aber auch so interessant. Aber so wie ich den Verein und die Leute hier kenne, ist der Verein nicht tot, sondern macht weiter eine gute Arbeit. Auch wenn man es in Zeiten wie diesen nicht sieht, aber es wird gut gearbeitet und es gibt jeder sein Bestes, damit der Verein wieder nach oben kommt.
Wie beurteilen Sie das Unterfangen Wiederaufstieg?
Hein: Ich glaube es ist kein Geheimnis, dass das extrem schwierig wird. Man muss Meister werden und dann noch die Relegation gewinnen. Vereine wie Bayern II oder 1860 II, die in der Relegation gescheitert sind, sollten einem Warnung genug sein. Aber nur weil es schwierig wird, sollte man nicht ein anderes Ziel ausgeben. Ich glaube, das ist genau das richtige Ziel, an dem sich der Jahn auch messen sollte. Es zählt einfach nur der Aufstieg.
Sie haben jetzt sechs Profijahre beim Jahn hinter sich. Wird ein weiteres folgen?
Hein: Das steht noch in den Sternen. Ich weiß aktuell selbst noch nicht genau, wie es mit mir weitergeht. Ich habe auch in den letzten Wochen immer wieder betont, dass ich mir einen Verbleib gut vorstellen kann. Aber was dann letztendlich passiert, das muss man abwarten. Es gab auch schon gute Gespräche, wo man sich ausgetauscht hat und beide Seiten ihren Standpunkt erklärt haben.
Machen Sie Ihre Entscheidung auch von Personen abhängig, etwa ob Christian Brand Trainer bleibt beziehungsweise wer gegebenenfalls sein Nachfolger wird?
Hein: Für einen Spieler ist der Trainer auf jeden Fall schon eine wichtige Person, weil das dann auch der Chef von einem ist. Man kann sich dadurch einfach besser aufs nächste Jahr einstellen. Mir persönlich würde das die Entscheidung auf jeden Fall vereinfachen oder erschweren, wenn ich weiß, wer Trainer sein wird. Natürlich will man auch sehen, dass ein Verein seine Hausaufgaben macht, dass gute Arbeit geleistet wird, dass man eine klare Vorstellung davon hat, wie es weiter geht und nicht ohne Plan versucht, die Zukunft aufzubauen.
"Es wäre gut für den Jahn, wenn Christian Brand bleibt"
Würden Sie gerne mit Christian Brand weiter zusammenarbeiten?
Hein: Ich denke, dass es für den Jahn allgemein gut wäre, wenn der Trainer bleibt. Er ist ein junger Trainer, der mit sehr viel Ehrgeiz und Engagement bei der Sache ist, auch eine klare Idee davon hat, wie er Fußball spielen will. Er hat es leider auch nicht so umsetzten können, wie er es sich selbst wahrscheinlich vorgestellt hat, weil man einfach einem speziellen Druck ausgesetzt war. Er hat eine sehr hohe Fachkompetenz, die er uns Spielern immer wieder nahe bringt. Ich glaube das ist eine Personalie, die wichtig für die Zukunft des Jahn wäre.
Sie sind jetzt 25, kommen ins beste Fußballeralter. Ist der Reiz da, jetzt nochmal etwas Neues kennenzulernen und auszuprobieren?
Hein: Klar ist der Drang schon da. So schön es beim Jahn auch ist. Aber die Bedingungen wie bei anderen Vereinen hat man hier leider nicht. Es wäre schon reizvoll für mich, ein anderes Umfeld und andere Bedingungen kennenzulernen. Man ist hier sehr limitiert, was die Trainingsmöglichkeiten betrifft, man muss viel improvisieren. Ich glaube, wenn man schon einmal beim Jahn war, macht es das einem einfacher, sich in einem anderen Verein einzufinden (schmunzelt).
Wie sehen Sie die Gesamtentwicklung des Vereins in den letzten Jahren. Es ist immer die Rede davon, dass das Drumherum beim Jahn in den letzten Jahren professioneller wurde. Wie macht sich das bemerkbar?
Hein: Das sind wirklich Sachen, die man hautnah erlebt. Man muss sagen, gerade in Person von Christian Keller wurde da sehr gute Arbeit geleistet. Es sind schon Fortschritte gemacht worden. Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als Markus Weinzierl hier Trainer war. Da musste man jeden Tag mit den Bussen zum Trainingsgelände fahren, da ging teilweise das Licht aus, die Plätze waren nicht geräumt oder man hatte keinen Kunstrasenplatz. Da musste man noch mehr improvisieren. Das sind einfach auch Sachen, die man nicht in kurzer Zeit verbessern kann. Das muss ein Prozess sein, weil das auch alles viel Geld kostet, um Trainingsanlagen oder Bedingungen zu schaffen, die eines Profivereins würdig sind. Aber man merkt einfach, dass wirklich gearbeitet wird. Ich glaube auch, dass da in den nächsten Jahren noch viel entstehen wird, weil Regensburg ein sehr interessanter Fußballstandort ist, der viel Potential hat. Ich glaube, wenn so weitergearbeitet wird, dann werden auch wieder bessere Zeiten kommen.