Straubinger Tagblatt
Guido Westerwelle in Straubing: "Das Volk will die Wahrheit hören"
18. Februar 2010, 9:11 Uhr aktualisiert am 18. Februar 2010, 9:11 Uhr
Von Gerald Schneider
Mit einer betont programmatischen Rede hat FDP-Chef und Bundesaußenminister Guido Westerwelle den Kurs der Liberalen verteidigt. Bei der Aschermittwochspremiere in der Joseph-von-Fraunhofer-Halle in Straubing vermied Westerwelle vor rund 1000 Zuhörern frontale Angriffe auf den Koalitionspartner in Bund und Land. Stattdessen beschwor der FDP-Vorsitzende das Leistungsprinzip, verteidigte die Mittelschicht und forderte mehr Gerechtigkeit bei der Lastenverteilung.
"Wer schuftet, gehört in den Mittelpunkt der deutschen Politik", forderte Westerwelle angesichts der Debatte der letzten Tage um seine Äußerungen zu Hartz-IV-Empfängern. Seinen Kritikern, die ihm vorgeworfen hatten, er fische im "braunen Sumpf", hielt der FDP-Chef entgegen: "Man muss schon linksextrem in der Birne sein, wenn Leistungsbereitschaft als rechts gilt." Ohne die Klarheit seiner Worte würde diese Debatte nun gar nicht geführt. "Ich spreche nur aus, was alle Politiker wissen, sie trauen sich aber nicht es zu sagen, weil sie glauben, das Volk könne die Wahrheit nicht vertragen", sagte er. "Das Volk will die Wahrheit hören." Wirklich Bedürftige verdienten die Hilfe des Staates. Und gerade die Schwächsten gelte es vor den "Findigen" zu bewahren, die sich im sozialen Netz ausruhen. Daher müsse der "Sozialstaat treffsicherer werden", sagte er. "Wir schützen die Schwachen vor den Starken und vor den Faulen."
Zudem müsse die Politik verstärkt jene im Blick haben "die den Karren ziehen". Die Mittelschicht in Deutschland sei in den vergangenen Jahren empfindlich geschrumpft. Daher wolle die FDP den Politikwechsel schaffen und kein "weiter so mit gelber Krawatte". Wenn die Leistungsträger ständig "gemolken" würden, sei dies "brandgefährlich für die Gesellschaft". Wer nun die bereits beschlossenen Entlastungen für Familien als "Kleckerbeträge" abtue, der "hat den Bezug zum Leben verloren", wetterte Westerwelle. Eine Diskussion über die Mittelschicht finde nicht statt. Sein Credo "Leistung muss sich wieder lohnen" verteidigte der Chef der Liberalen "gegen den sozialistischen Zeitgeist". Daher solle mehr Geld bei den Menschen bleiben und nicht ständig vom Staat abgeschöpft werden. "Nicht der Bürger dient dem Staat, der Staat dient dem Bürger", sagte der FDP-Chef.
Ähnliches gelte für den Mittelstand als "Rückgrat der Wirtschaft". Mit den Änderungen bei der Unternehmen- und Erbschaftsteuer habe die Koalition die gröbsten Schnitzer behoben. Zudem müsse sich ein Wandel vollziehen, hin zu der Verantwortung wie sie in Familienunternehmen gelebt werde. "Dort haften sie mit dem letzten Hosenknopf und wenn's drauf ankommt, mit dem Häuschen der Oma". Manager, die in Großunternehmen falsche Entscheidungen treffen, "müssen ihr Schicksal unter der heißen Sonne von Mallorca ertragen".
Westerwelle verteidigte zudem die umstrittene Mehrwertsteuerentlastung für Hotels. "Die Opposition im bayerischen Landtag hat die Regierung dazu aufgefordert, sich dafür einzusetzen und die Linke hatte es im Wahlprogramm," meinte er. "Ich erwarte den Leninorden der Linkspartei dafür, dass ich deren Programm umgesetzt habe."
Auch Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler nahm Westerwelle in Schutz. "Der kann nach 100 Tagen die Welt nicht neu erfunden haben" und in dieser Zeit lasse sich nicht einfach ändern, was "elf Jahre lang falsch gelaufen ist." Auch die Kritik an der von Rösler geforderten Kopfpauschale ließ der FDP-Chef nicht gelten: "Keine Gesundheitsreform wird so teuer wie das, was bei den Landesbanken verbrannt worden ist," sagte Westerwelle. "Die Verursacher dieses Murkses mit dem Gesundheitsfonds" sollten sich nun mit ihrer Kritik zurückhalten. Er jedenfalls sei froh, "dass Ulla Schmidt nicht weitermachen durfte".
Des Weiteren beschwor Westerwelle die Chancengleichheit im Bildungssystem. Jeder, der sich Mühe gebe, müsse auch weiterkommen können. "Leistung ist keine Körperverletzung", sagte er mit Blick auf die Stadt Hamburg, wo Noten in vielen Jahrgangsstufen und das Sitzenbleiben abgeschafft worden seien. Ebensowenig "darf die Zukunft zum Lotteriespiel werden", wie in Berlin, wo 30 Prozent der Gymnasialplätze verlost würden.
"Der Staat muss Freiheit zur Verantwortung beflügeln", meinte Westerwelle, und die Debatte darüber "war überfällig".
Mehr dazu im Straubinger Tagblatt am 18. Februar!