Positionen in SPD und CSU

Geht es weiter für die GroKo? Stimmen aus Niederbayern


von links: Marvin Kliem (Jungsozialisten), Johanna Uekermann (SPD) und Paul Linsmaier (Junge Union).

von links: Marvin Kliem (Jungsozialisten), Johanna Uekermann (SPD) und Paul Linsmaier (Junge Union).

Gerade legt sich der Staub nach dem Rückzug von Andrea Nahles, schon kündigt sich das nächste Machtbeben an: Vor allem aus den Reihen der SPD wird das Ende der Großen Koalition in Berlin gefordert.

Was danach kommt - ungewiss. Wie sehen die jüngeren Mitglieder der Parteien die Perspektiven nach einem GroKo-Aus? Das haben wir Marvin Kliem von den Jungsozialisten, Johanna Uekermann (stellvertretende Landesvorsitzende Bayern SPD) und Paul Linsmaier von der Jungen Union in Niederbayern gefragt. Die Stimmen zum Nahles-Beben in Berlin.

Marvin Kliem (SPD): "Bisher hatten ältere weiße Männer das Sagen"

Marvin Kliem (Stellvertretender Vorsitzender der Jusos Niederbayern): "Bisher hatten ältere weiße Männer das Sagen."

Marvin Kliem (Stellvertretender Vorsitzender der Jusos Niederbayern): "Bisher hatten ältere weiße Männer das Sagen."

Herr Kliem, fühlt man sich als Juso eigentlich noch wohl, Teil des Konstrukts namens "SPD" zu sein?

Marvin Kliem: Das ist für uns Jusos schon eine ziemlich traurige Situation. Gerade, wenn man schaut, wie wenig junge Leute die SPD bei der Europawahl und bei den Wahlen in Bremen gewählt haben. Wir sehen, dass weder wir Jusos noch die SPD die Leute noch groß erreichen können. Das sollte uns zu denken geben. Wir müssen Zukunftskonzepte entwickeln, mit denen wir junge Leute erreichen. Das "Trio", das heute vorgestellt wurde, finde ich als Interimslösung ganz gut. Die drei haben in ihrer Pressekonferenz verlauten lassen, dass niemand Interesse daran hat, den Parteivorsitz letztlich zu übernehmen. Wie es weitergeht, soll im Juli weiter besprochen werden. Das Verfahren wird hoffentlich transparenter. Man hat sich darauf geeinigt, dass es keinen Vorschlag aus dem Parteivorstand geben wird, stattdessen will man die Mitglieder mehr einbeziehen. Das finden wir als Jusos schon mal prinzipiell ganz gut.

Ihre Follower auf Twitter kommen an einer Forderung von Ihnen derzeit nicht vorbei - #ExitGroKo. Was hat es damit auf sich?

Kliem: Die Politik, die CDU und CSU machen, ist endgültig abgewirtschaftet. Was noch auf der Agenda steht - Grundrente und Klimaschutzgesetz sind wichtige Themen. Allerdings wird das in der Großen Koalition wohl wieder durchgewaschen, bis nichts mehr übrig ist. Von der CDU kam ja bereits die Ansage, dass es keine CO2-Steuer geben soll. Die Sozialdemokratie sieht das anders. Wir sind mittlerweile so weit voneinander entfernt, dass eine vernünftige Politik mit der Union nicht mehr machbar ist. Wir sehen es auch an den Wahlen: Die Große Koalition ist mittlerweile mehrfach abgewählt worden. Es gibt keine gesellschaftliche Mehrheit mehr dafür. Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles sollte jetzt auch die Große Koalition beendet werden, damit wir wirklich einen Neustart hinbekommen. Wir sollten uns jetzt in die Opposition setzen, uns auf uns selbst besinnen und zeigen, dass wir für eine andere Politik stehen, auch für andere Konstellationen auf Bundesebene, wie zum Beispiel Rot-Rot-Grün. Sonst sieht es bei der nächsten Wahl - für SPD und Union - richtig miserabel aus.

Könnte dann aber auch sein, dass man erstmals Junior-Partner der Grünen sein muss, oder?

Kliem: Ja, das kann sein. Mir wäre eine sozialdemokratische Partei in der Führungsrolle lieber. Weil es wichtig ist, das Thema "Soziales" mit dem Thema "Umwelt" zu verbinden. Das können die Grünen nicht so gut. Überhaupt steht für die Grünen die Entscheidung an, sich eher dem bürgerlichen, wirtschaftsliberalen Lager zuzuwenden, oder eben für eine sozial-ökologische Politik zu stehen. Ich hab die Befürchtung, dass mit dem jetzigen Personal bei den Grünen - mit Annalena Baerbock und Robert Habeck, die nicht für die ursprüngliche, linke ökologische Politik stehen - ein Bündnis mit der Union wahrscheinlicher ist. Für unsere Gesellschaft wäre ein rot-rot-grünes Konzept in meinen Augen allerdings besser.

Rächt sich jetzt, dass die neue Generation mit Persönlichkeiten wie Johanna Uekermann nicht zum Zug kommt?

Kliem: Das spielt eine sehr wichtige Rolle. Es ist schon erkennbar, dass in der Partei vor allem ältere weiße Männer das Sagen hatten - von Andrea [Nahles, Anm. d. Red.] mal abgesehen. Auch in Bayern wurden bewusst junge Leute verhindert. Das wollen wir stoppen. Wir hatten schon auf Niederbayern-Ebene versucht, junge Leute in die entscheidenden Positionen zu bringen, sind damit gescheitert. Aber wir werden uns an dem Prozess weiter beteiligen. Wir glauben, wer die Sozialdemokratie aufgibt, der gibt im Grunde den Sozialstaat an sich auf. Der Sozialstaat ist aber gerade für uns junge Leute die Zukunft. Wir müssen uns für ihn einsetzen und es gibt ihn halt nur mit einer starken SPD. Als junge Leute werden wir uns jetzt aufbauen und deutlich klarer positionieren müssen!

Das Interview mit Johanna Uekermann lesen Sie auf der zweiten Seite.

Johanna Uekermann (SPD): "Gerade jüngere Menschen haben uns kaum gewählt"

Johanna Uekermann (SPD): "Gerade jüngere Menschen haben uns kaum gewählt."

Johanna Uekermann (SPD): "Gerade jüngere Menschen haben uns kaum gewählt."

Inwiefern rächt sich jetzt, dass die SPD zu lange auf die alten Köpfe gesetzt hat und den Verjüngungsprozess blockiert hat?

Johanna Uekermann: Wir haben es als SPD nicht geschafft, bei den Europawahlen zu überzeugen. Gerade jüngere Menschen haben uns kaum gewählt. Für mich heißt das: Die SPD muss sich zu den entscheidenden Zukunftsfragen, wie Klimapolitik oder Digitalisierung sehr viel klarer positionieren. Unsere Strukturen und unsere Kommunikation wirken auf viele junge Leute nicht ansprechend, das müssen wir ändern. Und wir brauchen auf allen Ebenen, in den Fraktionen und Vorständen, mutige, frische Köpfe, mit denen sich junge Leute auch identifizieren können.

Ist es Zeit für einen Ausstieg aus der GroKo?

Uekermann: Es ist kein Geheimnis, dass ich nie Fan der GroKo war. Mit der Union gibt es nur eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners, aber keine Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit. Die gibt diese Koalition einfach nicht her. Ich erwarte, dass die Union ihre Blockade bei Klimaschutzgesetz und Grundrente aufgibt, denn beides müssen wir jetzt dringend auf den Weg bringen. Danach steht die Halbzeitbilanz der GroKo an und wir werden entscheiden, ob diese Koalition noch Sinn macht. Ich sehe nicht, dass es dafür noch ausreichende Schnittmengen gibt.

Ist das Engagement bei der Gewerkschaft für Sie persönlich ein Plan B - für den Fall, dass die SPD nicht zu retten ist? Wie sieht die Planung für die zukünftige politische Karriere aus?

Uekermann:Was heißt hier Plan B? Mich nicht nur politisch - sondern auch beruflich als Gewerkschafterin für die Rechte von ArbeitnehmerInnen einsetzen zu können, erfüllt mich. Und ich glaube es braucht in der SPD mehr denn je auch Menschen, die unabhängig von Mandaten ehrenamtlich Politik machen.

Das Interview mit Paul Linsmaier von der Jungen Union lesen Sie auf der dritten Seite.

Paul Linsmaier: "Die Schnittmenge ist eigentlich aufgebraucht"

Paul Linsmaier, Vorsitzender der Jungen Union in Niederbayern: "Die Schnittmenge ist eigentlich aufgebraucht."

Paul Linsmaier, Vorsitzender der Jungen Union in Niederbayern: "Die Schnittmenge ist eigentlich aufgebraucht."

Herr Linsmaier, vor allem von der SPD-Jugend kommen Forderungen, das GroKo-Bündnis vor der Zeit zu beenden. Was halten Sie davon?

Paul Linsmaier: Es zeigt sich einmal mehr, dass die CSU der Stabilitätsanker für die Regierung ist. Bei der CDU rumort es ja auch ein bisschen. Als einzige Partei verlässlich ist wieder einmal die CSU. Im Gegensatz zur letzten Großen Koalition haben SPD und CDU alleine keine ausreichende Mehrheit, insofern war das Bekenntnis Markus Söders zur Koalition sogar noch wichtiger. Ohne CSU geht's nicht.

… ohne SPD aber auch nicht. Die scheint im Moment unberechenbar. Wäre es für die Union nicht auch eine Option, es auf Neuwahlen und danach Schwarz-Grün ankommen zu lassen?

Linsmaier: Die Anhänger einer schwarz-grünen Mehrheit sind in der Jungen Union sehr übersichtlich gestreut. Das andere ist: Man weiß ja nie, was bei Wahlen dann genau rauskommt. Auf Wahlergebnisse zu spekulieren halte ich nicht für den richtigen Weg.

Aus Sicht vieler SPDler spricht nicht mehr viel für die "GroKo". Was spricht aus Ihrer Sicht dafür?

Linsmaier: Grundsätzlich hat der Wähler einen Bundestag für vier Jahre gewählt, Union und SPD haben einen Koalitionsvertrag unterschrieben, freilich mit Revisionsklausel, aber eigentlich auch für vier Jahre. Man muss sich die Frage stellen, ob die Situation, die man jetzt in Österreich hat, wirklich besser ist. Es gibt nunmal einen Wählerauftrag. Man kann ja nicht so lange wählen lassen, bis es einem passt. Für diese vier Jahre ist unser Auftrag, zusammenzukommen und unsere Arbeit zu machen. Die FDP hat sich ja vom Acker gemacht. Möglicherweise bereuen sie die Entscheidung heute.

Oder auch nicht, im Hinblick auf das Schicksal der SPD…

Linsmaier: Politisch hat die SPD viel mehr erreicht, als es die Umfrage- und Wahlergebnisse jetzt abbilden. Rente mit 63, Mindestlohn und so weiter sind ur-sozialdemokratische Themen. Trotzdem haben sie daraus kein Kapital schlagen können. Das zeigt auch, dass andere Themen wohl den Ausschlag gegeben haben.

Anders gefragt: Welche politischen Perspektiven hat das schwarz-rote Bündnis noch?

Linsmaier: Schwierig. Das, was an Schnittmenge aus Union und SPD da war, ist eigentlich aufgebraucht. Es gibt ein paar große Leitlinien, in der Außenpolitik beispielsweise, wo man grundsätzlich einer Meinung ist. Aber was die aktuellen Themen angeht, gibt es kaum noch Übereinstimmungen. Drum knirscht es auch so schwer im Gebälk.

Aber zwei Jahre muss man es noch miteinander aushalten. Wie soll das gehen?

Linsmaier: Das ist so einfach, wie es kompliziert ist. Das Grundgesetz hat da klare Regeln. Anders als in Österreich haben wir ein konstruktives Misstrauensvotum. Eine Veränderung kann es also nur geben, indem mit Mehrheit ein neuer Kanzler gewählt wird. Wenn die SPD aussteigt, ist die Frage, ob die Union eine Minderheitsregierung probiert oder sich eine neue Koalition findet. Bis die sich gefunden hat, kann es aber auch dauern und in zwei Jahren ist dann schon wieder Bundestagswahlkampf. Ich glaube nicht, dass die Grünen angesichts ihrer Umfragewerte Interesse haben, in eine Regierung einzutreten. Ich glaube aber auch nicht, dass Angela Merkel zurücktritt. Insofern kann das noch ein spannender Sommer werden.