Zweiter Corona-Lockdown

Fitnessstudio-Betreiber mit flammendem Appell an die Politik


Der neuerliche Lockdown in Deutschland trifft auch die Fitness-Branche hart. (Symbolbild)

Der neuerliche Lockdown in Deutschland trifft auch die Fitness-Branche hart. (Symbolbild)

Von Redaktion idowa

Am 2. November ist in Deutschland wegen der Corona-Pandemie der sogenannte Lockdown light in Kraft getreten. Der zweite Lockdown des Jahres. Ein weiterer schwerer Schlag für die Wirtschaft. Auch für Fitnessstudios. Wir haben uns daher im Interview mit dem 46-jährigen Straubinger Fitnessstudio-Betreiber Markus Ebner unterhalten. Er versteht angesichts der neuerlichen Maßnahmen die Welt nicht mehr - oder präziser: die Politik.

Herr Ebner, wie lange sind Sie bereits in der Branche tätig und wieviele Fitnessstudios betreiben Sie mittlerweile?

Markus Ebner: Vor 25 Jahren haben wir das Body Gym in Straubing gekauft. Mittlerweile haben wir insgesamt sechs Fitnessstudios, überwiegend in Ostbayern.

Ihr neuestes Studio haben Sie ja erst am vergangenen Wochenende in Cham eröffnet, ausgerechnet zwei Tage vor dem neuerlichen Lockdown. Hat sich dieser Eröffnungstermin nicht mehr verschieben lassen?

Ebner: Nein, wir konnten das leider nicht mehr stoppen. Die ganzen Werbeanzeigen waren bereits komplett gebucht. Sonst hätten wir da zusätzlich Geld in den Sand gesetzt, wenn das verflogen wäre. So haben wir nun versucht, zumindest noch ein bisschen was zu retten, aber das war natürlich extrem schwierig.

"Maßnahme völlig überzogen und planlos"

Die Vorfreude auf so eine Neueröffnung ist ja immer recht groß. Wie bitter ist das nun für Sie, dass ausgerechnet zwei Tage später der Lockdown in Kraft getreten ist und ihr nagelneues Studio direkt wieder geschlossen werden musste?

Ebner: Ich sehe in diesem Kontext nicht nur unser neues Studio, sondern auch unsere anderen Studios und die komplette Fitness-Branche. So wie ich das beobachtet habe in den letzten Monaten, wurden in der Fitness-Branche die Hygiene-Vorschriften nicht nur eingehalten, sondern sogar noch übertroffen. Wenn ich mir dann noch ansehe, dass es in den Fitnessstudios lediglich eine verschwindend geringe Zahl an Infektionen gegeben hat, dann finde ich diese jetzige Maßnahme völlig überzogen und planlos.

Sie haben also nach dem ersten Lockdown sämtliche Vorkehrungen getroffen?

Ebner: Ja, wir haben deshalb ordentlich Geld investiert und unseren Beitrag geleistet, die Risiken so gut es geht, zu minimieren. Diese Beobachtung habe ich übrigens nicht nur in der Fitness-Branche gemacht, sondern auch in der Gastro-Branche. Natürlich werden vereinzelt Fehler gemacht, aber das ist doch menschlich. Das rechtfertigt für mich aber längst nicht die von der Politik getroffene Entscheidung. In der Schweiz und in den Niederlanden dürfen Fitnessstudios zum Beispiel weiterhin geöffnet bleiben. Haben die etwa einen anderen Virus?

"Ich kann Söder nicht mehr sehen und nicht mehr hören"

Ihnen fehlt also eine Art gemeinschaftlicher Leitfaden, ein einheitlicher Kurs? Wie beurteilen Sie dahingehend die Vorgehensweise des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der ja für den Freistaat noch strengere Maßnahmen als für den Rest der Bundesrepublik verordnet hat?

Ebner: Vorweg, ich bin ja auch kein Hellseher. Die Zukunft wird zeigen, was richtig und was falsch ist. Aber ich bin der Meinung, dass wir anfangen müssen, mit Corona in unserer Gesellschaft zu leben und in diese Richtung müssten wir auch arbeiten. Und das sehe ich aktuell nicht. Stattdessen wirkt das einfach nur chaotisch. Ich muss zugeben, dass ich früher ein Söder-Sympathisant war, aber das hat sich mittlerweile stark geändert. Man hat den Eindruck, er möchte immer im Mittelpunkt stehen und vorauslaufen. Ich kann ihn nicht mehr sehen und nicht mehr hören.

Markus Ebner hat vor 25 Jahren sein erstes Fitnessstudio in Straubing eröffnet. Mittlerweile ist er Inhaber von sechs Fitnessstudios in Niederbayern und der Oberpfalz. Der neuerliche Lockdown trifft nicht nur ihn, sondern die gesamte Fitness-Branche hart.

Markus Ebner hat vor 25 Jahren sein erstes Fitnessstudio in Straubing eröffnet. Mittlerweile ist er Inhaber von sechs Fitnessstudios in Niederbayern und der Oberpfalz. Der neuerliche Lockdown trifft nicht nur ihn, sondern die gesamte Fitness-Branche hart.

Regelmäßige Fitnessstudio-Gänger beklagen ja vor allen Dingen, dass insbesondere in diesen Zeiten ein gesundes Immunsystem und körperliche Fitness ein wichtiger Schutz vor dem Coronavirus sein könnten. Durch die Schließungen der Studios sei das nun aber nicht mehr möglich.

Ebner: Ich sehe das zu 100 Prozent genauso. Auf Facebook bekomme ich da des Öfteren den Einwand zu lesen, dass man Sport ja nicht nur in einem Studio machen kann, sondern auch zu Hause oder in der Natur. Prinzipiell ist das schon richtig, aber man sollte an der Stelle nicht immer nur von sich selbst auf andere schließen. Man muss da auch mal die soziale Komponente sehen. Es gibt auch viele Leute in Fitnessstudios, vor allem ältere Leute, die durch gewisse Vorerkrankungen dringend darauf angewiesen sind und die daher die Koordination in einem Fitnessstudio brauchen.

Von wegen "Muckibude"

Spielt da Ihrer Meinung nach auch mit rein, dass heutzutage immer noch ein verzerrtes Bild von Fitnessstudios besteht? Stichwort "Muckibude"...

Ebner: Ganz klar. Das gibt es mit Sicherheit immer noch. Natürlich haben auch diejenigen, die durch Training rein an Muskelmasse zulegen wollen, ihre Daseinsberechtigung in den Fitnessstudios. Aber insgesamt wird da schon ein völlig falsches Bild gezeichnet.

Nur um da ein bisschen Transparenz reinzubringen: Können Sie schon ungefähr abschätzen, welchen finanziellen Schaden der erste Lockdown in Ihren Studios verursacht hat?

Ebner: Das ist pauschal schwierig zu sagen, weil wir natürlich Laufzeiten von Verträgen haben. Nach dem ersten Lockdown haben wir dieses Modell insofern umgestellt, dass die Verträge nun monatlich kündbar sind. Auf all unsere Studios berechnet, beläuft sich der Gesamtverlust in diesem Jahr auf ein Minus von ein paar Hunderttausend Euro.

"Wir müssen das allein ausbaden"

Welche Konsequenzen könnte das für Ihre Studios haben? Beitragserhöhungen? Mitarbeiter entlassen?

Ebner: Rein rechnerisch müssten wir anhand der durch die Corona-Maßnahmen gestiegenen Kosten die Beiträge erhöhen. Aber wenn wir das machen, dann verlieren wir noch mehr Kunden. Auch darüber, ob wir eventuell Mitarbeiter entlassen müssen, haben wir schon diskutiert, aber auch das wäre kontraproduktiv, weil wir dann den Kunden unseren gewohnten Service nicht mehr vollumfänglich garantieren könnten. Es ist in Summe also unglaublich schwierig. Denn wir Unternehmer müssen das allein ausbaden.

Haben Sie denn einen Plan B in petto? Sprich, Online-Kurse oder ähnliches?

Ebner: Wir bieten schon Online-Kurse und Home-Workouts an. Das wurde auch während des ersten Lockdowns ganz passabel angenommen, aber eine dauerhafte Lösung ist das natürlich auch nicht. Zudem herrscht ja immer noch völlige Unklarheit über staatliche Hilfen. Viele Leute da draußen leben in dem Irrglauben, dass wir ja sowieso 75 Prozent staatliche Hilfen bekommen würden, das ist aber nicht richtig. Im Moment weiß niemand genau, wer wann welchen Betrag bekommt und wem das überhaupt zusteht.

"Jedes Jahr ein paar Monate lang alles dicht machen?"

Sie fühlen sich also von der Politik allein im Regen stehengelassen?

Ebner: Komplett! Wenn man wenigstens eine gewisse Struktur und einen echten Lösungsansatz erkennen könnte, aber den sehe ich nicht. Und das Schlimmste ist diese Ungewissheit. Niemand weiß aktuell, woran er ist und wann es weitergehen kann. Obendrein macht da gefühlt jedes Bundesland sein eigenes Ding.

Ministerpräsident Markus Söder hat ja unermüdlich wiederholt, dass es vor allem gilt, Risikogruppen zu schützen, da "jedes Leben zählt"...

Ebner: Das sehe ich absolut genauso, dass jedes Leben zählt. Aber auch an der Stelle sehe ich die Verhältnismäßigkeit nicht. Ein regelmäßiger Lockdown kann doch nicht die Lösung sein! Wie ich eingangs gesagt habe: Wir werden lernen müssen, mit diesem Virus zu leben. Seitens der Politik fehlt mir da bislang völlig die Struktur. Oder sollen wir in den nächsten Jahrzehnten jedes Jahr ein paar Monate lang alles dicht machen? Wo ist denn da der Ausweg?