Für andere und für sich selbst
Ehrenamt ist Ehrensache
2. Mai 2013, 9:18 Uhr aktualisiert am 2. Mai 2013, 9:18 Uhr
Auf den ersten Blick ist das Klassenzimmer leer. Gegongt hat es längst. An der Tafel steht "Die Zahlen bis 20". Aber einer der niedrigen Tische ist doch noch besetzt: Ein Mädchen und ein kleiner Junge beugen dort den Kopf über ein Kinderbuch. "Ein hundsgemein scharfer Ball hat den Franz okay geschlagen", liest der achtjährige Daniel stockend vor. "Nein, lies nochmal genauer", korrigiert ihn Basak ruhig und legt ihren Zeigefinger auf die Seite. "Was ist das für ein Wort?" Daniel überlegt und sieht es sich genau an. Dann liest er mit fester Stimme: "Ein hundsgemein scharfer Ball hat den Franz k. o. geschlagen."
Lesen und lesen lassen
Basak ist Daniels Lesepatin. Einmal in der Woche treffen sich die beiden nach der Schule zur Lesestunde. Sie liest gemeinsam mit Daniel, liest ihm vor und lässt sich vorlesen. Geld bekommt sie dafür nicht, denn die Tätigkeit als Lesepatin ist ehrenamtlich. Basak wurde dafür von der Stadtbibliothek und dem Freiwilligenzentrum in Straubing ausgebildet. "Das bedeutet aber nicht, dass ich wie eine Lehrerin arbeite", stellt Basak klar. Eine pädagogische Ausbildung ist als Lesepatin nicht nötig. Vor den Weihnachtsferien hat Basaks Lehrerin ihre zehnte Klasse gefragt, wer Interesse daran hätte, Grundschüler beim Lesenlernen zu unterstützen. Freunde und Geschwister verstehen manchmal nicht, warum Basak dafür einen Teil ihrer Freizeit opfert. "Ich antworte dann meistens: Bevor ich nach der Schule eine Stunde vor dem Fernseher sitze, kann ich auch etwas tun, das mir und anderen nützt", sagt sie energisch.
Lesen ist Teil eines Kreislaufs
Seit drei Monaten lesen Basak und Daniel jetzt zusammen. Eine Zeit mit Höhe-, aber auch Tiefpunkten. "Ich habe mich sehr gefreut, als er in einem Deutschtest eine gute Note geschrieben hat", erzählt Basak. Aber einmal ist Daniel auch aus dem Klassenzimmer gelaufen und hat sich inmitten einer Horde Schüler versteckt, weil er keine Lust mehr hatte. "Eine Lehrerin und ich mussten ihn gemeinsam überreden, wieder zurückzukommen", sagt Basak schmunzelnd. Das Gefühl, manchmal keine Lust zu haben, die Nase in ein Buch zu stecken, kennt sie gut.
Als Kind war sie selber alles andere als ein Lesefan. Das ist jetzt anders: "Ich finde, Lesen ist unheimlich nützlich. Das Ganze ist ein Kreislauf: Wenn ich viel lese, habe ich einen viel größeren Wortschatz und auch mehr Ideen, zum Beispiel für Deutschaufsätze." Diese Einstellung versucht Basak Daniel in den Lesestunden nahezubringen. Nicht immer eine leichte Aufgabe. Manchmal fällt es ihr schon schwer, geduldig, aber trotzdem konsequent zu sein. "Ich muss Daniel immer wieder aufs Neue motivieren."
Zur Belohnung hat sie sich etwas einfallen lassen: Zu jeder Stunde bringt sie eine Süßigkeit mit und wenn er fleißig liest, bekommt er die. "Außerdem sage ich immer zu ihm, dass ich mir ja auch die Zeit nehme, mit ihm zu üben, und dass es für uns beide spaßiger ist, wenn wir zusammenarbeiten."
Dass Ehrenamt wie ein Hobby sein kann, bestätigt auch der 17-jährige Florian. Seit vier Jahren ist er ehrenamtlich bei der Jugendgruppe der Freiwilligen Feuerwehr Straßkirchen. Die Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren treffen sich alle zwei Wochen zu gemeinsamen Übungen. Dabei lernen sie zum Beispiel den Umgang mit den Geräten der Feuerwehr oder belegen Erste-Hilfe- Kurse. Was nach viel Arbeit klingt, macht Florian eine Menge Freude. Ein Ehrenamt bei der Feuerwehr erfordert Teamgeist und man lernt viele neue Leute kennen. "Am besten gefällt es mir, wenn wir nach den Übungen alle zusammensitzen. Das verstärkt die Kameradschaft untereinander", sagt der 17-Jährige.
Doch bei der Feuerwehr ist es nicht immer so gemütlich. "Wir werden nachts aus den schönsten Träumen gerissen, um so manchen Albtraum zu erleben", steht auf ihrer Webseite. Im Klartext bedeutet das: Als Feuerwehrmann sieht man auch mal unschöne Dinge. An seinen ersten Einsatz erinnert Florian sich noch genau: Ein Verkehrsunfall, der zum Glück glimpflich ausging.
Sicherheit geht vor
Jugend-Feuerwehrler dürfen offiziell ab 16 Jahren an Einsätzen teilnehmen, wenn sie die erforderliche Grundausbildung abgeschlossen haben. Eine ziemliche Verantwortung ist das, die Hand in Hand mit einem gewissen Risiko geht. "Klar kann immer was passieren. Aber bei uns muss keiner etwas tun, das er sich nicht zutraut, und Sicherheit steht an oberster Stelle", sagt Florian.
Ob er glaubt, dass er damit klarkommt, wenn er zum Beispiel mal Verletzte zu Gesicht bekommt? "Ich denke schon, wenn es soweit ist. Wenn ich in einer solchen Situation wäre, würde ich auch wollen, dass mir jemand hilft", überlegt er.
Dass er jemandem zu Hilfe eilen muss, das kann an 365 Tagen im Jahr und 24 Stunden täglich passieren. Florian trägt einen Piepser bei sich, der bei Feueralarm losgeht. Im Ernstfall dürfte er - wenn nötig - auch seine Arbeit als Industriemechaniker stehen und liegen lassen. Normalerweise lassen sich die Einsätze aber gut mit seinen Arbeitszeiten vereinbaren. Und wenn er keine Zeit hat, gibt es bei der Freiwilligen Feuerwehr auch Kollegen, die im Ort wohnen und arbeiten und immer bereitstehen.
Ehrenamt kann zum Beruf führen
Obwohl dieses Ehrenamt eine ziemliche Herausforderung ist, will Florian sich auch in Zukunft bei der Feuerwehr engagieren: "Ich will weitere Leistungsprüfungen ablegen und es neben meinem Beruf auf jeden Fall weitermachen." Auch Lesepatin Basak ist sich ziemlich sicher, was ihre Zukunftspläne angeht. Sie beweist, dass ein Ehrenamt auch wegweisend für den späteren Beruf sein kann. "Dieses Jahr habe ich meinen Abschluss. Danach will ich auf die Fachoberschule gehen und dann Lehrerin werden", sagt sie. "Das wollte ich immer schon, ich liebe Kinder. Mein Ehrenamt bereitet mich schon darauf vor. Deswegen ist es genau das Richtige für mich."