Straubing
Aus dem Klärwerk: Heizwärme für 100 Wohnungen
2. Mai 2018, 9:00 Uhr aktualisiert am 2. Mai 2018, 9:00 Uhr
Was passiert in einem Klärwerk? Na klar, dreckiges Wasser wird gereinigt. Das Straubinger Klärwerk erfüllt aber noch viele weitere Aufgaben. Es trägt durch Recycling und umweltfreundliche Energieerzeugung viel zum Umweltschutz in der Region bei. Ein Besuch vor Ort.
Wussten Sie, dass wertvolles Phosphat in einer Kläranlage anfällt? Wenn Deutschlands Phosphatvorrat zum Erliegen kommen würde, würde in der Landwirtschaft nichts mehr gehen. Wussten Sie, dass die Straubinger Kläranlage mehr Energie durch Biogas erzeugt, als sie verwertet? Die Energie kann ins Netz eingespeist werden. Wussten Sie, dass 100 Wohnungen in Straubing geheizt werden können, weil Wärme aus dem Abwasser gezogen wird? Wussten Sie, dass flüssige Abfälle aus der Lebensmittelindustrie wie zum Beispiel Milch, die nicht in den Handel darf, im Klärwerk entsorgt werden und so nicht auf die Deponie müssen? idowa war bei der Straubinger Entwässerung und Reinigung, kurz SER, und hat sich die Abläufe angesehen.
Das Straubinger Klärwerk ist nicht weit von der Donau entfernt. Es gehört zum Eigenbetrieb "Straubinger Stadtentwässerung und Reinigung" unter der Werkleitung von Cristina Pop. Dr. Jürgen Pettrak, Bereichsleiter für operative Geschäftsfelder und Martina Wolf, Bereichsleiterin für Finanzen, Personal, Marketing, haben beide großes Besucherinteresse an drei Tagen der offenen Tür im letzten Jahr erlebt. "Mehrere Tausend Menschen haben uns besucht und sich angesehen, wo ihr Abwasser landet und wie es aufbereitet wird," erklärt Martina Wolf.
Dieses Interesse kommt nicht von ungefähr. Die Straubinger Kläranlage hat Vorbildcharakter. Besucher aus Südafrika und Korea waren schon in Straubing und haben sich über die Umsetzung innovativer Ideen in der Straubinger Kläranlage informiert.
Den Straubingern "stank" es
Das Projekt Klärwerk ist mittlerweile gut fünfzig Jahre alt. Um 1950 herum "stank" es den Straubingern, erste Forderungen wurden laut, die Donau und den Allachbach als "Klärwerke" zu entlasten. Der Krieg hatte seine Spuren hinterlassen. Das Abwassersystem lag brach. Auch die Wirtschaft sollte mit dem Bau angekurbelt werden. Arbeiter sollten in Lohn und Brot gebracht werden.
Schon damals wusste man, dass das "Kanalwesen nie ein Überschussbetrieb wird", wie das Straubinger Tagblatt 1949 schrieb. Doch es sollte noch 15 Jahre dauern, bis das Projekt Kläranlage in Angriff genommen wurde. Zwei Jahre später, 1967, wurde die mechanische Reinigung in Betrieb genommen.
In mehreren Schritten wurde die Kläranlage zum heutigen Betrieb aus- und umgebaut. Mittlerweile steht neben der Entsorgung die Ökologie im Vordergrund. Längst wird die Donau nicht mehr entsprechend belastet. Die Abläufe in der Kläranlage sind hochmodern.
Die Aufbereitung des Wassers erfolgt in mehreren Stufen. Doch was passiert etwa mit den wiederverwendbaren Feststoffen und dem Abfall?
Eine halbe Badewanne voll Wasser kommt jede Sekunde in der Kläranlage an, bei Regen sind es dann schon mal bis zu zwei volle Badewannen pro Sekunde. Und die haben es in sich. Feuchttücher, die sich nicht auflösen, Tampons, Kondome, Windeln, Lebensmittel, ja sogar tote Haustiere werden von Dr. Jürgen Pettrak und seinem Team aus einem großen Rechen gefischt, der den groben Müll zurückhält. Dieser Abfall wird verbrannt.
"Wir haben extra eine Broschüre herausgegeben, die zeigt, was in die Toilette darf und was nicht," erklärt Martina Wolf. Teils wird ein Einsehen bei den Bürgern erst dann erzielt, wenn sie erfahren, dass Speisereste in der Toilette Ratten anlocken.
Biogas aus Faultürmen
Wenn das Wasser grob mechanisch gereinigt wurde, fließt es in einen Sandfang, hier sinken Dinge wie Nadeln und Münzen aber auch Sand im Becken nach unten. Dann fließt das Wasser weiter zum Vorklärbecken. Der Klärschlamm wird abgeschieden und kommt in Faultürme, zusammen mit flüssigen Abfällen aus der Lebensmittelindustrie, die die SER verwertet und so sicher entsorgt. So entsteht Biogas. Das Gas ist energetisch sehr wertvoll. Es besteht zu 70 Prozent aus Methan und nur zu 30 Prozent aus Kohlendioxid.
Das vom Klärschlamm gereinigte Abwasser fließt nun in die sogenannten Belebungsbecken. Hier wird im biologischen Reinigungsabschnitt Luft ins Abwasser gepumpt und Mikroorganismen kommen zum Einsatz. Diese binden den Kohlenstoff im Wasser. Im Zwischenklärbecken setzen sich die Bakterien ab. Sie werden dann wieder zurückbefördert und vermehren sich von selbst. Überschüssige Bakterien werden über die Faultürme zu Biogas umgewandelt. In der Belebung findet auch der Abbau von Stickstoff statt.
Jetzt wird es eine saubere Sache
Weiter geht es in den Tropfkörper in luftiger Höhe. In großen Tanks sind Plastikkörper mit vielen Aussparungen verbaut. Diese lassen das Wasser langsam aus mehreren Metern Höhe durch einen Rotorarm durchsickern. Auch hier sind Mikroorganismen vorhanden, die das Wasser beim "Durchrießeln" reinigen.
"Die letzte Reinigungsstufe ist die chemische Reinigung," sagt Dr. Jürgen Pettrak. Durch Zugabe von Eisensalzen wird Phosphat aus dem Wasser entfernt, das sonst Algenblüten und eine Belastung der Gewässer zur Folge hätte.
Im Nachklärbecken werden die letzten Reste an Feststoffen noch aus dem Abwasser abgetrennt und das Wasser läuft weiter Richtung Donau. Ein Teil des nun komplett geklärten Wassers wird entnommen, weiter über eine sogenannte Ultrafiltration gereinigt und dient als Brauchwasser für die Kläranlage, Straßenreinigung und Kanalspülfahrzeuge.
Im Regelfall fließt das gereinigte Abwasser selbstständig in die Donau ab. Bei Hochwasser wird aber der Kanal in die Donau abgesperrt, um eine Überflutung der Kläranlage zu verhindern. Dann kommen Pumpen zum Einsatz, die das Wasser in die Donau fördern. Das Abwasser ist nun so sauber, dass die Donau als Vorfluter gut damit umgehen kann.
Nachwuchs gesucht
Die Abläufe in einer modernen Kläranlage sind komplex, für den Betrieb sind gut ausgebildete Fachkräfte mit technischem, chemischem und biologischem Fachwissen nötig. Sie gewährleisten, dass die Anlage innerhalb der vorgegebenen Parameter läuft. Die Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik und zur Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice stehen Schulabsolventen offen, die sich für technische Zusammenhänge begeistern und sich für Naturwissenschaften und Mathematik interessieren.
"Leider haben wir massive Nachwuchsprobleme," bedauert Martina Wolf. Die Ausbildungen hier sind sehr umfassend und werden nach Tarif bezahlt, wie sie erläutert. Leider hätten noch immer viele Haupt- und Realschulabsolventen das Bild vom Arbeiter in Gummistiefeln vor Augen, der den ganzen Tag im Schlamm steht. Deshalb würden sich manche von vornherein nicht für die Berufe interessieren. Dass das Bild nicht mehr der Realität entspricht, erfährt man bei einem Besuch der Anlage.
Im Hinblick auf die Gewinnung von Nachwuchs ist auch Öffentlichkeitsarbeit besonders wichtig. Darum versuchen die Fachleute immer wieder ihre Arbeit unter einem anderen Gesichtspunkt auf der jährlichen Ostbayernschau vorzustellen. Hier wird um Praktikanten geworben, die meist überrascht sind, wie vielfältig das Wissen ist, das im Klärwerk gefordert ist. "Wir hatten einen jungen Mann hier, der eigentlich Installateur lernen wollte. Er hat nach dem Praktikum gesagt, dass es hier ja viel besser sei, weil er hier auch zugleich Elektriker sein kann," erinnert sich Martina Wolf.