Volksfest 2017
Die Bussi Bussi Bar geht und der Skyline kommt gar nicht erst
1. August 2022, 10:00 Uhr aktualisiert am 1. August 2022, 10:00 Uhr
Was in der Zeit vor dem Volksfest immer Stadtgespräch ist, das ist das Volksfest. Das ist jedes Jahr so, und heuer natürlich besonders. Das ist natürlich auch jedes Jahr so. Es kristallisieren sich ja immer wichtige Themen heraus: ob der Lechner und Röhrl vielleicht ein Traumpaar werden, ob man eine Extra-Maß für den Rathausbrand nicht zur Pflicht machen sollte, und warum auf der neuen Website der AusstellungsGmbH (SAuV) der Bierpreis unter neun Euro liegt, in der Bierzeltwirklichkeit aber drüber. Es ist immer was da, worüber man reden und schreiben kann oder muss. Alles wie immer halt. Also los.
Dieser Artikel erschient ursprünglich am 5. August 2017 in der Straubinger Rundschau.
Da ist zum Beispiel der City Skyliner, oder, um ganz präzise zu sein: eben nicht. Noch Anfang Juli hat sogar der BR freudig vermeldet: „Zu den spektakulärsten Fahrgeschäften gehört nach Angaben der Organisatoren der mobile Aussichtsturm City Skyliner“, der „in über 70 Metern Höhe Panoramablicke über das Festgelände“ bietet und eine klimatisierte Kabine hat. Das Highlight wär das gewesen: der größte mobile Aussichtsturm der Welt! Erstmals bei uns! Mit Blick aufs Rathaus! Da hätten sie geschaut bei der Konkurrenz in Nürnberg, dass Straubing das auch hat! Weil dort war er schon 2013, und am Augsburger Osterplärrer war er erst heuer. Aber dann, leider, Ende Juli: Plötzliche Absage.
„Wir sind absolute Neulinge beim Gäubodenvolksfest“ haben die Skyliner-Leute erst gesagt, „und freuen uns sehr darüber, dass uns die Ausstellungs-GmbH den Zuschlag gegeben hat“, und dann, drei Wochen vorm Volksfest, die Absage begründet: „Diese Entscheidung“, haben sie bei Idowa erklärt, „mussten wir aus wirtschaftlichen Gründen treffen. Es wäre für uns nicht rentabel gewesen. Deshalb waren wir kurzfristig gezwungen, so zu entscheiden.“
„Unterschriebenen Vertrag haben wir nicht“
Ich glaube zu wissen, was „nicht rentabel“ heißt. Der City Skyliner ist nämlich seit Ende Juni in Luxemburg. Dort hätte morgen abgebaut werden sollen, um nach Straubing zu kommen, auf 23 Sattelschleppern übrigens, was ziemlich teuer ist. Und nach Straubing für neun Tage zum Backfischfest Worms, das nah bei Luxemburg liegt. Aber dann war‘s in Luxemburg so schön, dass die Luxemburger Bürgermeisterin Lydie Polfer vor zwei Wochen erklärt hat: „Der Betreiber hat aufgrund des enormen Andrangs entschieden, bis zum 20. August zu bleiben.” Da war ganz Luxemburg froh, und jetzt geht’s halt von Luxemburg direkt nach Worms. Man kann’s auch verstehen.
Wenn‘s gut läuft irgendwo und man dort verlängern kann – ohne Platzmiete übrigens, weil man ein Star ist – dann will man halt bleiben. Warum 23 Sattelschlepper beladen, sechs davon als Schwertransport, um von einem Platz, an dem‘s läuft, irgendwohin zu fahren, wo’s auch nicht besser sein kann? Andererseits: Kurzfristig absagen ist unschön. Deshalb möchte man meinen, dass es da Verträge gibt und man aus Verträgen nicht einfach ein- und aussteigen kann wie im Autoscooter. Aber offenbar kann man.
Vielleicht ist die Branche wie Fußball; da hat jeder Star eine Ausstiegsklausel, drum wechselt Neymar ja nach Paris, und Barca ist traurig, kriegt aber Ablöse. Straubing kriegt keine, und schon allein deshalb nicht, weil es zwischen Skyliner und SAuV gar keinen Vertrag gibt. Verträge schickt die SAuV meines Wissens nämlich meist erst im Juli raus, obwohl schon im Dezember über Bewerbungen entschieden ist. SAuV-Prokurist Max Riedl jedenfalls räumt auf Anfrage ein: „Einen unterschriebenen Vertrag haben wir nicht.“
Nicht einmal Ablöse gibt‘s
Im Dezember, sagt Riedl, ist aber der Zulassungsbescheid raus. „Es gibt Willenserklärungen“, sagt Riedl, und dass ein Vertrag mit Vertragsstrafe an der Skyliner-Absage auch nix geändert hätte: „Rechtliche Auseinandersetzungen sind da nur verschwendete Energie.“ Der Skyliner-Chef ist leider nicht zu erreichen, aber es ist offenbar eine Branche, in der noch mehr als im Fußball blanker Fatalismus herrscht: ‚Mach einen Vertrag oder nicht, halt ihn oder brich ihn, es läuft alles aufs Selbe raus: Du kannst nichts tun, und nicht einmal Ablöse gibt’s.‘ Der Neymar-Transfer wirkt da plötzlich seriös im Vergleich. Und letztlich ist das ja alles auch wurscht. Jetzt kommt ja dafür Mr. Gravity.
Das ist auch eine Neuheit. Man rotiert da in 20 Metern Höhe mit 100 Stundenkilometern, und ganz gewiss ist das auch schön. Kürzlich war Mr. Gravity auf dem Schützenfest Hannover, das man nicht unterschätzen sollte: Zehn Tage, eine Million Besucher, die merkwürdigerweise aber nur 250.000 Liter Bier trinken, und beim Schützenauszug zum Start, mit 10.000 Teilnehmern, schauen 150.000 Menschen zu. Respekt.
Das Fest hat aber schon einmal 1,5 Millionen Besucher gehabt. Ein solcher Rückgang ist in Straubing zum Glück völlig unmöglich, außerdem trinken wir im Schnitt drei Mal so viel. Sie haben ein perfektes Zählsystem am Hagen, da wird garantiert keine Maß vergessen und auch kein Besucher, und wer für drei säuft, der zählt auch für drei, das ist logisch. Straubings Besucherzahl hat deshalb voriges Jahr bis in die dritte Stelle nach dem Komma gestimmt und ich wette, das tut sie heuer auch. Die Frage ist nur: Wird auch jeder wieder saufen für drei? Immerhin sagt kein anderer als Anton Wenisch: „Die Zeit der großen Party ist vorbei.“
Bye, bye, Bussi Bussi Bar
Wenisch geht weg vom PartyzeltImage. „AC/DC um dreiviertel acht, das war einmal“, erklärt Wenisch im Straubinger-Magazin, „erst ab 21 Uhr wird aufgedreht.“ Es könnte die Trendwende sein, die sich viele schon lang wünschen: Party okay, aber doch bitte nicht, wenn das Anterl noch nicht einmal auf dem Teller liegt. Und dann gibt es noch einen ganz neuen Trend, und zwar im Apres-Volksfest oben in der Stadt: Volksfest-Hochburgen machen zu.
Das samstägliche Voixfest im Theresiencenter zum Beispiel: passé. Veranstalter Sebastian Schießl sagt, warum: Weil die IHK im Center die leere frühere Drogerie gemietet hat, fehlt jetzt das Lager für den schnellen Umbau: „Das Center hat ja bis 20 Uhr Normalbetrieb, da klappt der Umbau zeitlich nicht mehr.“ An die 2.000 Plätze fallen da am Samstag weg. Was aber vielen noch mehr fehlen wird, ist eine Ikone des Straubinger Après-Volksfests: die Bussi Bussi Bar in der Geiß. Seit mehr als einem Jahrzehnt war sie der Inbegriff einer Straubinger Volksfestnacht, das Flaggschiff, eine Institution. Ab sofort ist sie Geschichte. „Ich mag nimmer“, sagt Michaela Stöberl, seit sieben Jahren die Wirtin. „Das Ganze“, schreibt sie in einem Facebook-Post „ist in zunehmend spaßbefreit geworden. Zumindest für die Geiss, im Gegensatz zu manch anderem, der keinen ganzjährigen Betrieb hat. Und nicht so hohe Auflagen.“ Acht Securities, Türsteher, Kasse, Glasl-Burschen, Bedienungen, und eine Einlass-Beschränkung, dass Gäste vor einem Jahr schon jegliche Stimmung vermisst haben. „Wenn’s nicht voll ist“, sagt ein Bussi Bussi Bar-Stammgast, ein seriöser Familienvater und Volksfestfan, „dann entsteht eben nix. A bissl a Gedränge muss einfach sein.“ Aber das geht nicht mehr. Das Ordnungsamt beschränkt, kontrolliert, verhängt Bußgelder.
Wirte: „Es ist nicht zu schaffen“
Seit der Loveparade-Katastrophe in Duisburg fahren die Ämter einen harten Kurs. Zu hart, klagen viele Wirte. „Ein Gast pro Quadratmeter, das ist die Regel“, sagt Michaela Stöberl, „Begründung ist ‚Entfluchtung bei Brand‘.“ Zum Vergleich: In Schulbussen wird mit bis zu acht Schülern pro Quadratmetern gerechnet, und das mit Ranzen. Bis zu fünf Mal pro Abend kommt eine Kontrolle. „Voriges Jahr waren sie da und haben Überfüllung festgestellt“, sagt Michaela Stöberl. „Ich hab Fotos gemacht mit Uhrzeit, als Gegenbeweis. Sie haben gesagt, ‚Frau Stöberl, das kann gefälscht sein‘.“
Auf Facebook schreibt sie, weil ihr „mitgeteilt wurde, dass mir bei einem weiteren Verstoß die Konzession für beide Wirtshäuser genommen wird, lass ich lieber zu.“ Einem Elf-Nächte-Spot wie dem Overtime könnte man so nicht drohen. Aber sie zahlt 365 Tage im Jahr Steuern. Das ganz große Geschäft waren die elf Tage die Bussi Bar dabei nie, denn die Zeit zum Geldverdienen ist kürzer geworden.
Fast jedes Zelt hat eine Bar, wo es das gibt, was es früher nur im Après-Volksfest gab. Euro-Treff, Ammer-Himmel und Hafenbar halten die Leute länger am Hagen. Sperrstunde in der Innenstadt ist wochentags inzwischen schon um drei, Wochenende um vier: Nur noch zwei bis drei Stunden Zeit, und in diesen zwei bis drei Stunden ist Ärger mit dem Ordnungsamt programmiert. So sieht es nicht nur Michaela Stöberl. So sehen es immer mehr Wirte. Das Valentino, Volksfest-Hochburg über Jahrzehnte, hat schon vor Jahren als erstes Lokal der Après-Party entsagt, dann das Steiningers. Jetzt hört die Bussi Bussi Bar auf, und in ihrem Gefolge das Florenz. Auch dort haben sie den Behördendruck immer stärker gespürt.
Polizei: „Wir sehen das unproblematisch“
Dort fürchten Giovanni und Guiseppe Spera: „Wenn im Theresiencenter nichts ist und die Bussi Bussi Bar fehlt, kommen alle zu uns, und das ist nicht zu schaffen, das gibt Probleme.“ Sie hatten Auflagen genug in den vergangenen Jahren, und dass ein Lokal in Stoßzeiten diese Auflagen fehlerlos erfüllen kann, halten sie für unmöglich. Das sagt nahezu jeder Straubinger Wirt. Aber genau das wird verlangt. Die Stadt nennt keine Zahl, wie sehr die Bußgeld-Einnahmen steigen. Aber fast jeder Wirt sagt, dass es so ist.
Vor allem am Samstag werden Bussi Bar, Florenz und Center-Voixfest fehlen, und das Stars im Gäubodenpark ist durch die Unterführungssperre abgeschnitten. Zwar vergrößert der Edelbayer: Drinnen Halbleere, draußen lange Schlangen, die ewig warten: Wird das das prägende Bild sein? Da könnte sein, dass heuer mehr betrunkenes Partyvolk auf den Straßen sind, einfach, weil Zielorte fehlen. Es könnte aber auch sein, dass viele früher heimgehen, weil Zielorte fehlen. Die Polizei glaubt nicht, dass es Probleme geben wird.
„Wir sehen das unproblematisch“, sagt Sprecher Albert Meier, „weil wir ja ohnehin viel Personal in der Stadt haben.“ Vielleicht hat er Recht. Und egal, was wird: Entspannte Après-Abende sind inzwischen unmöglich. Zu viel Ballermann in den Zelten hat zu viel auswärtiges Partyvolk mit Krach und Vandalismus gezogen, und in der Folge Auflagen.
Es ist ein Verlust, dass ein AprèsVolksfest in einer Sommernacht, womöglich draußen mit Getränk in der Hand, heute unmöglich ist. „Ich versteh dich, Michi“, hat jemand geschrieben, „ich habe tolle Erinnerungen, wie schön Volksfest früher war. Nachts gut gelaunte Menschen am Stadtplatz, volle Lokale, viel Spaß und feiern, egal ob Jung oder Alt. Schee wars. Oiß hod sei Zeit.“ Nur City Skyliner hat’s nicht gegeben. Aber gibt’s heuer ja auch nicht: Alles wie immer?