Landkreis Straubing-Bogen

Für Weihnachten: Heimatmuseum festlich geschmückt


Willi Zölch mit Hund Arco. Dank des Puppenmuseums Solingen hat er wieder Ohren.

Willi Zölch mit Hund Arco. Dank des Puppenmuseums Solingen hat er wieder Ohren.

Ein Mann, 15 Bunker und fast 140 Jahre Vergangenheit: Willi Zölch betreut das Heimatmuseum der Gemeinde Sünching - für Weihnachten hat er es festlich geschmückt

"Da hob i a scheens Ding, ein Elektrisierapparat", sagt Willi Zölch. Stolz zeigt der 74-jährige Heimatpfleger auf einen braunen, etwa 100 Jahre alten Holzkasten an der Wand. Fast hätte man ihn für eine Wanduhr halten können. Er fasst links an die Messingkugel und dreht an der Kurbel rechts. Blitzen tuts ihn aber nicht, denn die Maschine funktioniert nicht mehr. Früher hing sie in einem Café in Sünching. Für ein Fünferl konnten sich Gäste einen elektrischen Schlag abholen. Auf der Gebrauchsanweisung steht: "Hilft gegen fast alle Krankheiten." Obs wirklich half, ist unbekannt.

Weihnachten um 1960: mit bunten Kugeln, Lametta und weihnachtlicher Dekoration.

Weihnachten um 1960: mit bunten Kugeln, Lametta und weihnachtlicher Dekoration.

Aus Bunker wird Museum

In 15 Bunkern des ehemaligen Munitionsdepots zwischen Sünching und Geiselhöring ist alles wie früher: Zahnarztpraxis, Feuerwehr, Kino und vier komplett eingerichtete Wohnungen aus der Zeit um 1880, 1910, 1930 und 1960 zeigen, unter welch spartanischen Bedingungen man teils noch vor 60 Jahren lebte und arbeitete. "Des gfollt ma immer, wenn Schulklassen kumman", sagt Zölch. Spätestens im Wohnzimmer von 1930 frage einer: "Ja wo is'n do der Fernseher?" Der steht erst in der Wohnung von 1960.

Wie man darauf komme, in Bunkern ein Museum einzurichten? Der Altbürgermeister Rist sei ihm ständig in den Ohren gelegen: "Ein Museum in Sünching, das wär's." Neidvoll soll er auf den Geiselhöringer "Troadbodn" (Bäuerliches Heimatmuseum der Landtechnik) geschielt haben.

Auf der Suche nach alten Fotos war Zölch als Archivar der Gemeinde öfter bei Wohnungsauflösungen dabei. So auch bei einem Geschäftshaus an der Kirchstraße. Doch mehr noch als alte Fotos, hatte es ihm dort das Inventar angetan: eine komplette Wohnung - völlig aus der Zeit gefallen.

Es sprach sich rum, dass Zölch alte Dinge sammelt. Schränke, Lampen, ein Sautrog - bald war ein ganzer Bunker voll mit Dingen aus Sünching und dem Umland. Probeweise habe er einen Raum eingerichtet. Die anfängliche Skepsis im Gemeinderat war schnell verflogen, aber ein Millionenmuseumsbau in Sünching undenkbar. Also durfte Zölch weiterbunkern. Als sieben Räume fertig eingerichtet und gestaltet waren, wurde das Heimatmuseum der Gemeinde Sünching im Mai 2005 eröffnet.

Zu Weihnachten wird geschmückt

Festlich präsentieren sich die Museumsräume in der Adventszeit - stilecht, mit Weihnachtsschmuck von anno dazumal. Zölch nimmt ein Holzkripperl von der Kommode: eine kleine, orientalisch anmutende Laubsägearbeit, kulissenartig aufgebaut. Auf der Rückwand steht mit Kugelschreiber, dass die Cilly sie 1933 als Elfjährige "ausgesagelt" hat. "Die lebt no", sagt Zölch. "Die war oft im Museum und hat mit ihrer Quetschn in der Wirtschaft Musik gmocht."

Nicht alle Stücke, die Zölch für das Museum bekommen hat, sind komplett oder sofort ausstellungsreif. Am Grammophon fehlt beispielsweise der Tonarm. Vielleicht findet Zölch einen passenden bei Ebay-Kleinanzeigen. Dafür steht passend zum Grammophon ein alter Lederkoffer mit Schellackplatten daneben.

"Des is a Steiff-Hund von 1934: der Arco", sagt Zölch. Der kleine Stoffhund mit Rollen unten dran kommt als Weihnachtsgeschenk in der Stube von 1933 unter den silbernen Lamettabaum. "Der is ziemlich ramponiert gwen, hod koa Ohrwaschel mehr ghabt." Zölch wollte ihn reparieren lassen, schrieb an die Firma Steiff. Sie kannte den Arco noch, schickte sogar ein Foto. Aber herrichten? Nein. Die neuen Ohren hat Arco im Puppenmuseum in Solingen bekommen. Die Frauen dort haben schon viele Puppen für Zölch restauriert.

Spielzeugausstellung in der "Schule"

Auch an neuen Ideen mangelt es nicht. Schließlich möchte Zölch den Besuchern immer wieder etwas neues bieten: Zur Museumsweihnacht 2019 richtet er in der "Schule" daher eine Spielzeugausstellung ein. Zu sehen gibt es etwa Puppen, eine voll ausgestattete Puppenstube von 1923, eine Modelleisenbahn oder eine Soldatentruppe. Letztere war 1932 ein Weihnachtsgeschenk. Der zwölfjährige Done hat sie bekommen und damit Krieg gespielt. Vier Jahre später wurde er eingezogen, hatte selbst einen Stahlhelm auf. "Mit sechszehn!", sagt Zölch. "Zum Glück is er wieder hoamkumma."

So wie die Soldatentruppe, erzähle jedes Stück im Museum eine Geschichte. Zölch kennt sie alle. "Aber wenns mi amoi vom Stangl obehaut, na woaß neamand mehr", sagt er. Deshalb möchte er die Ausstellungsstücke inventarisieren - ein paar Tausend seien es bestimmt. Doch wie, weiß er noch nicht. Dafür hofft er auf die Hilfe von der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern und auf Praktikanten vom Lehrstuhl für Vergleichende Kulturwissenschaften der Universität Regensburg. Mit beiden stehe er in Kontakt.

Zölch betreut das Museum seit der Gründung - ehrenamtlich. Seine Frau hilft ihm alle vier Wochen, wenn am Sonntagnachmittag geöffnet ist. Beim Aufbau für das Fest oder größeren Arbeiten steht zusätzlich der Bauhof der Gemeinde bereit.

"Wir sind froh, dass ma den Willi ham und hoffen, dass wir ihn noch lange haben werden", sagt Bürgermeister Robert Spindler. Zölch habe das Museum aufgebaut und mache seine Arbeit sehr gewissenhaft und mit viel Leidenschaft. Außerdem sei es schön, dass hier Altes für die Nachwelt erhalten bleibe und neben den vielen Besuchern auch Kinder und Schulklassen sehen können, wie Opa oder Uropa aufgewachsen sind. "Wenn der Plan für die Inventarisierung konkret wird, werden wir das im Gemeinderat besprechen", sagt er.

Mit Spenden Kindern eine Heimat geben

Der Eintritt für das Museum ist zu den regulären Öffnungszeiten frei. Vor dem Kramerladen im letzten Bunker lächelt den Besuchern aber ein Plastikbutler entgegen. Er sammelt Spenden für den "San Joe Puram Kinderhilfe Sünching e.V.", dessen erster Vorsitzender Zölch ist. Der Verein sammelt Spenden für das indische Kinderdorf "San Joe Puram", in dem behinderten Kindern, Waisen und Straßenkindern eine Heimat gegeben wird.

Das Heimatmuseum Sünching hat jeden zweiten Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Info: www. heimatmuseum-suenching.de, www.san-joe-puram-kinderhilfe.de