Glosse
Ein Umzug - Corona zum Trotz
10. Mai 2020, 13:00 Uhr aktualisiert am 10. Mai 2020, 13:25 Uhr
Und dann kam das Coronavirus dazwischen: Unsere Autorin ist während des Lockdowns umgezogen - ein Erfahrungsbericht.
Als mein Freund und ich Anfang Januar unsere Wohnung kündigen, ist das Coronavirus noch ein Gespenst aus dem fernen Wuhan. Den Umzug hatten wir lange geplant: Raus aus der Zwei-Zimmer-Wohnung im Dachgeschoss, rein in das Reihenhaus mit Mini-Garten. Zum Frühling, da sind wir schon da, sagten wir uns. Trautes Heim, Glück allein.
Dann kam das Virus. Statt Getümmel im Möbelhaus heißt es Scrollen durch Internetseiten. Statt Umzugshelfern wird die Sackkarre unser bester Freund. Wir zerlegen unsere Möbel und fahren sie bretterweise mit dem Auto zum Haus. Danach spielen wir Puzzle mit den Einzelteilen.
Die Küche kommt trotz Lockdown pünktlich. Zwei Handwerker bauen sie auf, die Stimmung ist gedrückt. Weil das Möbelhaus Corona-bedingt geschlossen hat, kommen kaum Aufträge nach. Wie es weitergeht, wissen sie nicht.
Der Techniker des Internetanbieters kommt auch. Anfangs ist es noch komisch, dieser Tanz in eineinhalb Metern Abstand, den wir während des Umzuges fast täglich tanzen müssen, wenn Handwerker ins Haus kommen. Doch wir haben Glück: Während der Bruder meines Freundes samt Familie in Frankreich in seinem alten Haus festsitzt und nicht umziehen darf, klappt es bei uns trotz einiger Schwierigkeiten planmäßig.
Und Corona hat auch gute Seiten: Dank Home Office bin ich immer Zuhause - selbst wenn Handwerker einmal einen Tag zu spät auftauchen oder statt einen Tag drei brauchen. Alles kein Problem. Auch dann nicht, wenn das Internetkabel mal den Bauarbeiten zum Opfer fällt. "Ja wir miasn da jetzt hin, huift ned", quittiert der Mann achselzuckend meinen Einwand, dass Home Office ohne Internet eher schlecht funktioniert. Ich erstelle mir stattdessen also mit meinem Handy einen Internet-Hotspot. Highspeed-Internet wird überbewertet.
Überhaupt habe ich den Eindruck, dass meine Arbeit von Zuhause aus nicht wirklich ernst genommen wird - und das nur, weil ich mangels Alternativen meinen Arbeitsplatz auf der Terrasse aufgeschlagen habe. Wer nicht im Büro sitzt oder in Arbeitsmontur von Baustelle zu Baustelle tingelt, der arbeitet doch nicht richtig - oder? Unsere Arbeitswelten sind wohl zu unterschiedlich, um einander wirklich zu verstehen.
Zum Umzugstag habe ich mir dann doch frei genommen. Da muss das "bisschen Internet surfen" und "Kaffe schlürfen" mal einen Tag ohne mich gemacht werden. Für die restlichen Möbel, die wir dann doch nicht ins Auto gebracht haben, habe ich einen Sprinter reserviert. Das hat mein Freund mir überlassen und als passionierte Auto-Expertin habe ich natürlich das praktischste Modell ausgesucht: Den größten Transporter, den man mit einem B-Klasse Führerschein fahren darf. Nur das Beste für unsere drei zurückgebliebenen Möbelstücke.
Das Auseinanderbauen unseres Bettes hätten wir uns sparen können. Es hätte auch im Ganzen in das Fahrzeug gepasst - und der Kleiderschrank gleich daneben. Unseren VIP-Gast - die Waschmaschine - packen wir als letztes auf die Sackkarre und poltern mit ihr als Abschiedsgruß durchs alte Treppenhaus und ab in das große, weiße Ungetüm. Geschafft ist der Umzug - fast nur zu zweit.
Dann endlich ist es soweit: Wir feiern Einweihungsparty auf der Terrasse - zwei Korbsessel, eine Gartentruhe und natürlich die Waschmaschine sind unsere ersten Gäste im neuen Haus.