Straubing

Die Sängerin Andrea Höcht-Willén im Interview


Andrea Höcht-Willén als Page Cherubino in  Die Hochzeit des Figaro  von Wolfgang Amadeus Mozart.

Andrea Höcht-Willén als Page Cherubino in Die Hochzeit des Figaro von Wolfgang Amadeus Mozart.

Von Marion Bremm

Andrea Höcht-Willén ist in der Straubinger Musikszene ein gern gesehener Gast - mit anderen bekannten Straubingern wie dem Pianisten Gerold Huber oder Trompeter Norbert Ziegler hat die Sängerin bereits viele Liederabende inszeniert. Höcht-Willén arbeitet neben ihren Engagements als Musikpädagogin an verschiedenen Gymnasien, hat einen Lehrauftrag an der Universität Regensburg im Fach Gesang und arbeitete als Ensemblemitglied des Musiktheaters am Theater Rostock. Außerdem trat sie als Solistin bei zahlreichen Konzerten auf.

Ihr nächster Auftritt ist bei einem Operettenabend am Samstag, 2. November, im Kulturforum Oberalteich. Wie man Lust auf Musik wecken kann, warum Andrea Höcht-Willén Sängerin geworden ist und was sie bereits in ihrer Karriere erlebt hat, hat sie Gäuboden aktuell erzählt.

Andrea Höcht-Willén freut sich auf den Operettenabend in Oberalteich.

Andrea Höcht-Willén freut sich auf den Operettenabend in Oberalteich.


Gäuboden aktuell: Frau Höcht-Willén, Sie haben in wenigen Stunden einen Auftritt. Sind Sie nervös?

Andrea Höcht-Willén: Das hängt immer davon ab, welchen Auftritt ich habe. Heute singe ich auf einer Beerdigung. Da fühlt man natürlich mit. Ich bin dann nicht aufgeregt, sondern bemühe mich, in dieser Situation durch Musik zu helfen.

Gibt es für Sie bestimmte Rituale vor einem Konzert?

Höcht-Willén: Ich versuche, eine gewisse Routine einzuhalten: nicht in die Nervosität hineinsteigern, die Stimme pflegen und viel trinken. Wenn es draußen kalt ist, gönne ich mir eine Salzwasserinhalation. Habe ich abends einen Auftritt, dann versuche ich mich ab mittags zu entspannen. Ich schließe die Augen, konzentriere mich und versuche, die Liedtexte nicht ständig zu wiederholen.

War Sängerin Ihr Traumberuf?
Höcht-Willén: Es war kein Wunsch, aber ich hatte früh eine Affinität für die Bühne. Ich habe zunächst geschauspielert. Bei uns zu Hause war Musik immer ein großes Thema und ich war Schülerin am musischen Anton-Bruckner-Gymnasium. Deshalb bin ich einfach hineingewachsen.

Und warum haben Sie sich dann für den Gesang entschieden?

Höcht-Willén: Weil hier der Körper das Instrument ist. Es gibt nichts Persönlicheres als die Stimme. Das zu spüren ist wunderschön und befriedigend. Gleichzeitig ist die Stimme unheimlich entlarvend.

Ist "entlarvend" schlimm für Sie?

Höcht-Willén: Für mich ist das kein Problem, da ich sehr offen bin. Als Sänger sollte man generell bereit sein, sich zu offenbaren. Viele Künstler machen nur Show und sind nicht authentisch. Das merkt der Zuschauer schnell.


Wann sind Sie Sängerin geworden?

Höcht-Willén: Mit 14 Jahren habe ich im Chor gesungen. Während meines Studiums, etwa mit 18 Jahren, habe ich angefangen, als Sängerin zu arbeiten.

Ist es finanziell riskant, beruflich Sängerin zu sein?

Höcht-Willén: Daran habe ich nie gedacht. Natürlich ist nicht jedem eine Riesenkarriere vorbestimmt. Die Zusatzjobs sichern einen in der Tat nur begrenzt ab. Man braucht eine gewisse Besessenheit. Viele mögen sagen, dass Künstler "a bissl spinnen". Ich denke, es gibt kein schöneres Gefühl, als auf der Bühne zu stehen und zu erleben, dass das Publikum versteht, was ich ausdrücken möchte.

Apropos Zusatzjob: Sie arbeiten an Gymnasien und Universitäten. Wie kann man jungen Leuten Lust auf Musik machen?

Höcht-Willén: An der Universität bringen die Studierenden die Leidenschaft dafür natürlich mit. Wenn ich an einem Gymnasium arbeite, erinnere ich mich immer an meine eigene Schulzeit: Welche Lehrer haben das Fach glaubhaft vermittelt? An diesen Leuten orientiere ich mich. Grundsätzlich ist es wichtig, dass man das, was man macht, liebt. Ohne die Musik kann man nicht leben, diese Einstellung muss man vermitteln. Und dann sollte man die jungen Leute ermutigen, Emotionen herauszulassen. Viele haben Scheu, sich zu blamieren. Aber in der Kunst und der Musik ist es essenziell, auch bei Rückschlägen nicht aufzugeben und durchzuhalten. Dadurch lernt man viel für das tägliche Leben. Die nötige Begeisterung und der Spaß an der Musik kommen dann ganz von alleine.

Können Sie sich noch an das erste Lied erinnern, das Sie gesungen haben?

Höcht-Willén: Die erste Komposition, die ich solistisch gesungen habe, war das Requiem von Gabriel Fauré. Da habe ich die zweite Sopran-Soloarie gesungen. Als Bühnenkünstlerin war meine erste Rolle die Figur des Cherubino in Die Hochzeit des Figaro, komponiert von Wolfgang Amadeus Mozart.

Als Bühnenkünstlerin sieht man Sie jetzt gar nicht mehr!?

Höcht-Willén: Nein, das ging früher. Das verlangt viel Zeit und jetzt habe ich eine Familie, die vorgeht.

Spielen Sie auch ein Instrument?

Höcht-Willén: Mit fünf Jahren habe ich begonnen, Klavier zu spielen. Geige kann ich auch, aber ich war immer zu faul zum Üben. Ich kann aber alles spielen, was ich singe.

Mit welchem regionalen Künstler würden Sie gerne einmal auf der Bühne stehen?

Höcht-Willén: An sich ist das der Bogener Fritz Schwinghammer, mit dem ich auch in Oberalteich am 2. November auftreten werde.

Haben Sie Vorbilder?

Höcht-Willén: Für mich sind das Menschen, die eine tolle Stimme, einen ästhetischen Ausdruck und eine charmante Erscheinung haben. Der Gesamteindruck muss passen. Die Opernsängerinnen Kiri Te Kanawa aus Neuseeland, die Schwedin Anne Sofie von Otter und Gwyneth Jones aus Wales haben für mich diese Eigenschaften.

Treten Sie lieber alleine auf oder macht Ihnen die Ensemble-Arbeit mehr Spaß?

Höcht-Willén: Tatsächlich fehlt mir die Ensemblearbeit etwas. Man kann den Soloauftritt aber nicht damit vergleichen. Bei einem Liederabend, den ich alleine gestalte, stehen die einzelnen Lieder für sich und man muss sich in jedes Stück hineinfinden. Bei einer Oper ist das anders, da bleibt man in seiner Rolle. Unterschiedliche, schöne Herausforderungen.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Höcht-Willén: Ich kann verschiedene Bereiche der Musik abdecken und musikalische Erwartungen erfüllen. Man kann mich in keine Schublade stecken. Für diese Vielfalt habe ich mich nicht bewusst entschieden, sondern es schien mir einfach nie sinnvoll, mich einzuschränken.

Gibt es eine Anekdote aus Ihrer Karriere, die Sie nicht vergessen werden?

Höcht-Willén: Da habe ich eine lustige Geschichte auf Lager. Ich war im sechsten Monat schwanger und wurde von der Semperoper Dresden angefragt, die Figur der Rosina im Barbier von Sevilla zu mimen. Die eigentliche Besetzung war ebenfalls schwanger, hatte aber gesundheitliche Probleme. Ich bin in das Kostüm geschlüpft, es hat perfekt gepasst, weil wir beide einen Bauch hatten. Auf der Bühne wurde ich hier und da mal untergehakt, es war stressig und ein unglaublicher Akt. Eine Schwangere wurde dabei einfach durch die andere getauscht.

Und ein negatives Erlebnis?

Höcht-Willén: Einmal spielte ich in Die verkaufte Braut von Bedrich Smetana. Hier bin ich auf einen völlig unvorbereiteten Regisseur getroffen. Geholfen hat in diesem Fall, dass ich Teil eines gewachsenen Ensembles war, auf das man sich verlassen konnte. Und man hat außerdem noch genügend Selbstvertrauen, man weiß, was man kann.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie ein neues Stück erarbeiten?

Höcht-Willén: Ich nehme jetzt einmal an, dass ich eine moderne Komposition vor mir habe. Zunächst hoffe ich dann, dass der Text aussagekräftig ist, denn die Botschaft ist grundlegend. Außerdem höre ich mir vorab keine anderen Interpretationen an. Das würde mich ablenken. Danach beschäftige ich mich technisch mit dem Stück und schaue, dass ich mir die Komposition zu eigen mache.

Welche Musik hören Sie privat?

Höcht-Willén: Mein Mann ist Dirigent und ebenfalls in sehr vielen Genres zu Hause. Also hören wir auch Blasmusik und Jazz zum klassischen Orchesterkonzertrepertoire. Mein Sohn mag sehr gerne Musik, die ich auch in meiner Jugend laufen ließ: Rock, Klassik, aber auch guten Pop. Und Opern natürlich. Denen werde ich nicht überdrüssig.

Ist die Oper Ihr Steckenpferd?

Höcht-Willén: Ja. Die Oper ist mein liebstes musikalisches Genre!

Wie finden Sie Ausgleich, zu Ihrem oft stressigen Sängerinnen-Alltag?

Höcht-Willén: Ich mache Sport, weil man auf der Bühne viel Ausdauer braucht. Ich kann entspannen, wenn ich mich hinsetze und zwei Stunden ein Buch lese. Oder wenn ich einfach nur in die Ferne starre.

Auf was dürfen sich die Gäste beim Operettenabend mit Ihnen und Fritz Schwinghammer freuen?

Höcht-Willén: Der Titel des Abends lautet Ich lade gern mir Gäste ein. Dieser Satz stammt aus Die Fledermaus von Johann Strauss. Allerdings hat das Programm gar nichts mit dieser Operette zu tun. Vielmehr spielen wir Stücke aus den klassischen Operetten der 20er- und 30er- Jahre sowie Songs aus Musicals und Filmkompositionen.

Der 2. November ist Allerseelen. Die Leute sind an diesem Tag eher traurig gestimmt und gedenken den Toten. Wir beginnen deshalb passend mit dem Werk Allerseelen von Richard Strauß. Mein persönliches Highlight ist das "Vilja-Lied, eine der bekanntesten Operettenmelodien, komponiert von Franz Lehár für seine Lustige Witwe. Einer meiner Lieblinge ist auch Kurt Weill, von dem wir den Song Foolish Heart aus dem Bühnenstück One Touch of Venus interpretieren.

Weitere Informationen:

Operettenabend im Kulturforum Oberalteich Am Samstag, 2. November, ab 19 Uhr präsentieren Andrea Höcht-Willén (Gesang) und Fritz Schwinghammer (Klavier) im Kulturforum Bogen-Oberalteich ihren Operettenabend unter dem Motto "Ich lade gern mir Gäste ein". Der unterhaltsame Abend umfasst Arien, Chansons und Musik von Johann Strauß, Franz Lehár, Robert Stolz, Kurt Weill, Cole Porter, Leonard Bernstein und anderen. Karten: Leserservice Straubinger Tagblatt, Tel. 09421/940-6700 sowie Bogener Zeitung, Tel. 09422/85850 und an der Abendkasse.