Straubing
Die neue Einfachheit im "Klarl"
4. März 2018, 7:00 Uhr aktualisiert am 6. April 2023, 12:17 Uhr
Der Straubinger Wirt Wolfgang Knorr kennt die Gastronomie in allen Facetten. 30 Jahre Veranstaltungs-Kneipe am Bahnhof, sieben Jahre Hotel Röhrl. Das Klarl in der Burggasse ist das jüngste in der Reihe. Laut Knorr ist hier zum ersten Mal wichtiger, was er alles nicht macht - Konzept: die neue Einfachheit.
Mit der Lebenserfahrung kommt wohl auch die Gelassenheit. Auf die Frage, ob er sich Sorgen mache, das Konzept des neuen "Klarl" könnte nicht funktionieren, wo doch in Straubing gefühlt im Halbjahresrhythmus Kneipen auf- und wieder zumachen, sagt Wolfgang Knorr nur knapp: "Das haut schon hin."
Im Grundsatz schließt sich der Kreis. Ein Kultwirt übernimmt eine Kultkneipe. Seit Anfang des Jahres ist Wolfgang Knorr in der historischen Weinstube "Klarl" aktiv. Er will die Räume des Traditionslokals für sich selbst sprechen lassen. In jeder Ecke gibt es architektonische und gestalterische Details. Historische Fresken und Wappen an den Wänden, Vertäfelungen und historisches Werkzeug.
Auf die Bezeichnung "Kult-Wirt" angesprochen huscht Wolfgang Knorr schon ein kurzes Lächeln über die Lippen. "Das ist schon eine große Ehre, hat aber wahrscheinlich eher mit der Zeit im Bahnhof zu tun." Der Bahnhof, das war einmal der Ort in Straubing, an dem sich Bayerns Kleinkunstszene die Klinke in die Hand gab. Monika Gruber, Günther Grünwald, Luise Kinseher und viele mehr haben unvergessene Auftritte in dem Saal des Bahnhofslokals absolviert. Eine schöne Zeit, sagt Wolfgang Knorr heute, "aber sehr anstrengend".
Ähnlich arbeitsintensiv seien auch die sieben Jahre im Hotel Röhrl gewesen. Mit Anfang 60 ist es Zeit, etwas kürzer zu treten, sagt Knorr: "Ich hab jetzt mit dem Klarl wieder ein bisschen Leben zwischendurch. Ich hab sieben Jahre praktisch keine Freizeit gehabt. Das Röhrl war ein Job für sieben Tage die Woche. Natürlich hat es Spaß gemacht, aber auf Dauer wurde mir das zu blöde."
"Ein Platz zum Philosophieren"
Neues Lokal, neues Publikum - auch das kommt Wolfgang Knorr nach eigener Aussage sehr gelegen: "Interessanterweise haben wir auch sehr viele sehr junge Gäste. Denen hat offenbar so eine Kneipe mit schlicht gediegener Atmosphäre gefehlt." So viel los wie früher sei in Straubing nicht mehr, das spüre auch er: "Wenn ich zu meinen Kindern heute sage, ‚ich bin damals von Sonntag bis Sonntag ausgegangen', dann sagen die ‚Papa, wir wüssten gar nicht, wo wir hingehen sollten'. Das ist natürlich schon ein Problem in Straubing, dass die Restaurantdichte zwar ziemlich hoch ist, aber es praktisch keine klassischen Kneipen gibt, in die man auf ein, zwei Gläser Wein geht und danach in die Diskothek - oder halt heim."
Das soll mit dem Klarl jetzt anders werden. "Es soll halt einfach ein Treffpunkt sein - zum Ratschen, Philosophieren… und natürlich zum Wein trinken." Und Wein gibt es im Klarl für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel: "Wir haben zum Beispiel gute Österreicher da, das Glas für 3 Euro 80. Unten im Keller haben wir natürlich auch ein paar ganz besondere Flaschen, die dann dementsprechend mehr kosten." Über die obere Preisgrenze schweigt der Gentleman.
Der Wochenmarkt als Inspiration
Zahlreiche Weingüter sind im Sortiment, die Kennern geläufig sein dürften: Heinrich, Nagl, Faubel - auch wenn diese Namen für den neuen Klarl-Wirt selbst zunächst noch neu waren - denn Weinkenner sei er eigentlich keiner. In das Thema Wein hat sich der Klarl-Wirt erst eingelesen, als klar war, dass er das "Klarl" übernehmen würde.
Ausschlaggebend dafür, was ins Regal und in den Keller komme, sei oft eine zweite Meinung: "Da arbeite ich mit dem Hans Ammer (von Feinkost Ammer, Anmerkung der Redaktion) zusammen. Wir haben gemeinsam nach besonders guten Tropfen gesucht, wir wollten vor allem sehr viele deutsche Weine haben." Die "jungen Wilden", die Winzer, die seinerzeit im Windschatten des Glykol-Skandals der deutschen Weinszene neue Impulse gegeben hatten, hätten mit ihren Erzeugnissen mittlerweile eine Perfektion erreicht, die ihresgleichen suche. Deutschland, Italien, Österreich, das war's dann aber auch. "Es gibt genug gute deutsche Weine, da muss ich mir keine aus Kalifornien oder Südafrika reinstellen."
"Autarke Küche"
Essen gibt's auch. Aber keine Telefonbuch-dicke Speisekarte mehr. Auch hier ist Einfachheit die Devise. Keine Gerichte mit kaum dechiffrierbaren Fantasie-Titeln, sagt der Wirt. "Den Schicki-Micki-Krampf mag ich nicht. Da bin ich nicht der Typ dazu. Letzten Endes sollte man den Gast nicht für dumm verkaufen. Die Leute wissen mittlerweile über hochwertige Produkte Bescheid - und was sie kosten."
"Autarke Küche" nennt Wolfgang Knorr das, was an Mahlzeiten und Snacks zum Wein gereicht wird. "Ausgangspunkt ist das, was ich auf dem Wochenmarkt in die Finger kriege. Wenn es da einen schönen Mangold, dann bau ich da drei, vier Gerichte herum.
Ob er in Zukunft auch zu Weinproben und Verkostungen einlädt, lässt Knorr noch offen. "Erstmal hier richtig ankommen - wenn's Aktionen geben wird, dann aber ganz unaufgeregte Geschichten". Im Kontext des "Neuen Klarl" erhalten einige tausendmal gehörte Aussprüche durchaus Sinn. In der Ruhe liegt die Kraft zum Beispiel. Und in vino veritas natürlich.