Straubing-Bogen

Bei „Unfug“ an Stromleitungen in Todesgefahr


Dieser Jogger kommt der Hochspannungsleitung nur aufgrund einer optischen Täuschung zu nahe. Jüngst wurde in Geiselhöring jedoch ein Jugendlicher schwer verletzt, als er versuchte, einen Draht von einer Hochspannungsleitung zu ziehen. (Foto: dpa)

Dieser Jogger kommt der Hochspannungsleitung nur aufgrund einer optischen Täuschung zu nahe. Jüngst wurde in Geiselhöring jedoch ein Jugendlicher schwer verletzt, als er versuchte, einen Draht von einer Hochspannungsleitung zu ziehen. (Foto: dpa)

Anfang Januar hat ein 15-Jähriger, der bei Geiselhöring einen von einem Freund geworfenen Draht von einer Hochspannungsleitung ziehen wollte, schwere Verletzungen erlitten (idowa berichtete). Vor rund zwei Jahren ist ein 28-Jähriger bei Wallkofen ums Leben gekommen, dessen Sattelzug die Überlandleitung berührte. So schrecklich die Ereignisse, so vergleichsweise selten sind sie in unserer Region: "Häufiger geschehen solche Unfälle dort, wo ein breiteres Stromnetz vorhanden ist, zum Beispiel im Bereich von großen Bahnhöfen oder in Städten mit U- oder S-Bahn", sagt Kreisbrandrat Albert Uttendorfer. Vielleicht wird gerade deswegen die Gefahr jedoch auch unterschätzt; nach dem aktuellen Fall im Januar warnte die Polizei jedenfalls "ausdrücklich vor derartig gefährlichem Unfug".

Seien es leichtsinnige "Mutproben", sei es Unachtsamkeit: Die Gefahr, die von Hochspannungs-Anlagen mit ihren mehr als tausend Volt ausgehe, werde oft unterschätzt, betont Uttendorfer. Nicht nur die Stromtrassen der Überlandleitungen gehören dazu: "Die Oberleitung der Bahn liegt bei 15 000 Volt", ruft der Feuerwehrmann in Erinnerung.

Leichtsinnige Erntehelfer

Daran haben im letzten Mai offenbar auch Erntehelfer im benachbarten Landkreis Dingolfing-Landau nicht gedacht. Von einem Erdbeerfeld hatte sich die Folie gelöst, war in Richtung der Bahntrasse geweht worden und hatte sich dort in der Oberleitung verfangen. Die Arbeiter liefen hinterher und versuchten, sie herunterzuziehen. Nur durch Glück seien sie einem Stromschlag entgangen, sagte damals die Bundespolizei dazu. "Folien werden meistens bei Unwetter und starkem Wind in die Leitungen geweht und sind dann nass beziehungsweise feucht", führt Albert Uttendorfer aus. "Dadurch sind sie ein starker Leiter." Wenn die Spannung hoch genug sei, springe der Strom aber auch schon ohne direkte Berührung auf einen nahe gelegenen Gegenstand oder einen Menschen über.

Diese Erfahrung hat im letzten Jahr beispielsweise ein 16-Jähriger im Saarland gemacht, der an einem abgestellten Güterwaggon in die Höhe gestiegen ist und noch einen Meter von der Oberleitung entfernt war, als der Strom durch ihn fuhr. Außer von der Spannung hänge ein solches Überspringen noch von Faktoren wie etwa der Feuchtigkeit der Luft oder der Kleidung ab, sagt Uttendorfer - der gleichzeitig darauf hinweist, dass aber auch bereits der Strom aus der Steckdose tödlich sein kann.

Kupferdiebe sind in Deutschland ebenfalls schon ums Leben gekommen, weil sie Stromgefahren unterschätzt haben. Manche wollten Leitungen durchtrennen, die unter Strom standen. Oder sie kamen beim Versuch, nicht stromführende Kabel von der Bahnoberleitung zu reißen, der anderen Leitung mit den 15 000 Volt zu nahe. "Dann bildet sich ein Lichtbogen", erläuterte ein Sprecher der Bundespolizei nach einem derartigen Unfall im Juni, "Starkstrom schießt in den menschlichen Körper, die Folge sind erhebliche Verbrennungen."

Feuerwehrleute erfahren im Rahmen ihrer Ausbildung Uttendorfer zufolge, dass eine zu hohe Stromdosis zum Verkrampfen der Muskeln führt - weswegen zum Beispiel ein berührter Gegenstand ohne Hilfe oder Abschalten des Stroms nicht mehr losgelassen werden kann. "In der Folge kann es zum Atemstillstand und sogenannten Herzkammerflimmern kommen. Bei sehr hohen Strömen gibt es starke Verbrennung an den Ein- beziehungsweise Austrittstellen des Stroms, und es kann zu Gasbildung im Blutkreislauf kommen. Entscheidend für die Schädigung des Organismus ist neben der Frequenz und der Stromstärke auch die Einwirkdauer auf den Körper."

Schnur nicht berühren

Hat sich etwas in einer stromführenden Leitung verfangen, darf "auf keinen Fall die Schnur oder die Folie oder was auch immer in Verbindung mit der Stromquelle steht, berührt werden", betont der Kreisbrandrat. "Auch die Personen, die im sogenannten Spannungstrichter liegen, darf man nicht berühren." Man müsse sich von der Stromquelle wegbewegen, und "hierbei ist es sehr wichtig, kleine Schritte zu machen und dabei die Füße nicht zu heben, sondern diese über den Boden zu schleifen, um die sogenannte Schrittspannung zu verhindern". Auch sollten die Arme am Körper angelegt werden.

Es muss geerdet werden

Und wen ruft man zu Hilfe? "Immer die 112", sagt Uttendorfer, dort teile man genau mit, was passiert sei und wo der Unfall sich ereignet habe. "Bei Stromunfällen wird dann von den Einsatzkräften auch der Energieversorger mitverständigt, damit die betroffenen Leitungen freigeschaltet und geerdet werden können." Ohne diese Maßnahme "können auch die Einsatzkräfte nicht an die verletzten Personen heran". Die Feuerwehren Straßkirchen, Geiselhöring und Straubing besäßen übrigens Gerätschaften zur Erdung von Bahnanlagen und seien hierfür speziell ausgebildet. Die Anrufer, die einen Stromunfall melden, sollten zwar strikt außerhalb des Gefahrenbereichs bleiben - also mindestens 20 Meter Abstand halten -, aber in der Nähe bleiben, "um zu verhindern, dass noch andere Personen in Gefahr geraten".

Besonders tragisch war der Fall des 28-Jährigen, dessen Sattelzug mit der ausgefahrenen Kippvorrichtung an der Hochspannungsleitung hängenblieb. Der Starkstrom sprang auf das Fahrzeug über, und als der Fahrer ausstieg und das Führerhaus berührte, erlitt er den tödlichen Stromschlag. "Ein Fahrzeug ist ein Faraday'scher Käfig und schützt so vor Strom, solange man sein Fahrzeug nicht verlässt", erläutert Uttendorfer. Bei einem derartigen Fall sei es also ganz wichtig, im Fahrzeug zu bleiben, bis die Rettungskräfte da seien und ihr Okay gegeben hätten, dass man das Fahrzeug verlassen könne.

Hilfe kam zu spät

Als die Feuerwehrkräfte im Jahr 2011 am Unfallort eintrafen, brannte der Sattelzug lichterloh, jede Hilfe für den Fahrer kam zu spät. Kreisbrandinspektor Werner Schmitzer, der den Einsatz leitete, sorgte dafür, dass auch ein Notfallseelsorger alarmiert wurde, denn die psychische Belastung für die Helfer ist bei schlimmen Unfällen groß.

"Feuerwehrleute sind auch nur Menschen", sagt zu dem Thema Kreisbrandrat Uttendorfer, "je nach Tagesverfassung belastet so ein Einsatz mehr oder weniger schwer". Es sei wichtig, gleich im Anschluss - im Gerätehaus im Kreis der Feuerwehrangehörigen - darüber zu reden.

Folie auf Abwegen: Als Feldarbeiter eine davongewehte Erdbeerfeldabdeckung von der Oberleitung der Bahn ziehen wollten, brachten sie sich in Lebensgefahr.

Folie auf Abwegen: Als Feldarbeiter eine davongewehte Erdbeerfeldabdeckung von der Oberleitung der Bahn ziehen wollten, brachten sie sich in Lebensgefahr.