Rechter Aktivist
Martin Sellner sorgt in Passau für Gegenprotest und Polizeieinsatz
4. August 2024, 17:50 Uhr aktualisiert am 5. August 2024, 7:39 Uhr
Eine geplante Lesung des rechten Aktivisten Martin Sellner in Passau ist am Sonntagnachmittag von Gegenprotesten und einem Polizeieinsatz begleitet worden. Laut Polizeibericht war der als Rechtsextremist eingestufte Österreicher gegen 15.20 Uhr nach Passau eingereist. An der Ortsspitze versuchte Sellner zusammen mit einigen Unterstützern, aus einem seiner Bücher vorzulesen. Bereits im Vorfeld hatte sich gegen diese Aktion jedoch Gegenprotest angekündigt - welcher auch nicht ausblieb.
Laut Polizei kam es vonseiten der Gegendemonstranten zu mehreren "verbalen Sicherheitsstörungen", woraufhin die Polizei gegen Sellner und einige seiner Unterstützer einen Platzverweis aussprach. Diesem kam der 35-jährige Aktivist auch nach. Im Anschluss sei er laut Polizei wieder aus Deutschland ausgereist. Zu einem direkten Aufeinandertreffen zwischen dem Sellner-Lager und den Gegendemonstranten ist es laut Polizei nicht gekommen.
Nahezu zeitgleich, gegen 15.30 Uhr, hatte sich am Europaplatz unter dem Motto "Koan Kellner für Sellner" ebenfalls eine Gegendemonstration mobilisiert. Hier zählte die Polizei rund 250 Teilnehmer, welche nach einer Kundgebung über die Bahnhofstraße in Richtung Ludwigsplatz zogen. Diese Versammlung wurde gegen 16 Uhr in der Ludwigsstraße beendet und verlief laut Polizei störungsfrei.
Martin Sellner gilt als einer der umtriebigsten Aktivisten der sogenannten Neuen Rechten in Europa. Einer breiteren Öffentlichkeit ist der 35-jährige Österreicher vor allem seit dem Potsdamer Geheimtreffen bekanntgeworden, dessen Aufdeckung Anfang des Jahres durch eine Recherche von Correctiv zu deutschlandweiten Massenprotesten mit hunderttausenden Teilnehmern führte. Bei eben jenem Treffen soll Sellner laut der Rechercheplattform Correctiv über die sogenannte Remigration referiert haben, also die millionenfache forcierte Abwanderung von Migranten und Deutschen mit Migrationshintergrund. Das Thema, zu dem Sellner auch ein Buch geschrieben hat, welches er in Passau vorstellen wollte.
Sellner ist in der rechten Szene ein echter Star. Nach einer Jugend in neonazistischen Kreisen, trat er ab Mitte der 2010er-Jahre vor allem als Sprecher und Gesicht der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich auf und knüpfte damals schon enge Kontakte in alle Welt. So wurde er nicht nur ein relevanter Kopf der Neuen Rechten in Deutschland, sondern stand etwa auch mit dem späteren Massenmörder von Christchurch (Neuseeland) in Kontakt, der im März 2019 in zwei Moscheen 51 Menschen erschoss und dutzende verletzte. Zudem erhielt Sellner eine Spende für seine Aktionen mit der Identitären Bewegung von dem Rechtsterroristen.
Sellner sieht sich ob seiner internationalen Aktivitäten immer wieder mit juristischen Verfahren konfrontiert. So wurden in mehreren Ländern, etwa Großbritannien oder den Vereinigten Staaten, Einreiseverbote gegen ihn verhängt. Nach Bekanntwerden des Potsdamer Geheimtreffens erhielt er auch ein Einreiseverbot in Deutschland. Dies wurde jedoch nach juristischen Schritten Sellners per Eilverfahren ausgesetzt.
Gerade die Grenzstadt Passau nutze der rechte Aktivist im Zuge der Debatte um ein Einreiseverbot medienwirksam als PR-Aufmarschort für Provokationen. So kündigte er an, in ein Café in die Dreiflüssestadt fahren zu wollen oder ließ sich bei der Grenzkontrolle für seine Social-Media-Präsenz filmen. Die Bundespolizisten ließen Sellner damals passieren. Aus dem Café-Besuch wurde nichts, da der Wirt der von Sellner benannten Gastronomie, vorsorglich das Lokal ganztägig schloss, um nicht weiter unfreiwillig Teil der Medien-Inszenierung des unerwünschten Gasts aus Österreich zu werden.