Vorfall im Kreis Erding
Kindesmisshandlung: Ist die Mutter schuldig oder der Ex?
13. Februar 2023, 19:24 Uhr aktualisiert am 13. Februar 2023, 19:24 Uhr
Wie lebt es sich mit der quälenden Frage, ob die Tochter schuld an der schweren Verletzung der Enkelin ist? Mit der Vorstellung, das eigene Kind hat einer Zweijährigen eine elektrische Zahnbürste in die Scheide gerammt, weil es nicht hören wollte, wie die Staatsanwaltschaft einer 25-Jährigen aus dem Landkreis Erding zur Last legt. Der Gedanke, dass sie "wirklich schuldig sein soll, belastet mich so stark", sagte die Mutter am Montag vor dem Landgericht als Begründung, dass sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. Umso ausführlicher bezog der Ehemann der 52-Jährigen Stellung.
"Man grübelt permanent", berichtete der 54-Jährige aus dem nördlichen Landkreis Landshut - und belastete indirekt den damaligen Freund seiner Tochter. So habe die Kleine, die nach dem Vorfall im Dezember 2018 in die Obhut der Großeltern gekommen ist, etwa einmal beim Wickeln geschrien und gesagt, "da ned so hidrucka wiar da Y.". Der Ex-Freund selbst äußerte sich am Nachmittag des zweiten Verhandlungstags nicht zu den Vorwürfen. Als ehemals Beschuldigter nahm der 29-Jährige ebenfalls das Recht auf umfassende Auskunftsverweigerung in Anspruch.
Wie berichtet, muss sich die gelernte Kinderpflegerin wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen und gefährlicher Körperverletzung vor der Jugendschutzkammer verantworten. Zu Prozessbeginn hatte sie die Schuld von sich gewiesen. Der von Staatsanwältin Barbara Streicher vertretenen Anklage zufolge soll die 25-Jährige ihre Tochter am 23. Dezember im Badezimmer ihres Partners derart misshandelt haben, dass das Mädchen ohne umgehende Not-OP in München vermutlich verblutet wäre. Die Angeklagte war gemeinsam mit dem Kind gerade am Einziehen bei ihrem neuen Freund. Beim Abendessen hatte sich die Kleine eingenässt, was die 25-Jährige bereits verärgert haben soll - wollte man laut Anklage doch auch noch den gemeinsamen Christbaum schmücken. Als sich das Kind im Bad dann auch noch weigerte, seine Zähne zu putzen, soll die 25-Jährige ausgerastet sein. Die Angeklagte hatte vor Gericht jedoch angegeben, ihr Ex-Freund sei mit dem Kind im Bad gewesen. Sie sei erst hineingelaufen, als sie Schmerzensschreie ihrer Tochter gehört habe.
Weder bei Tochter noch Ex-Freund nachgefragt
Vorsitzende Richterin Michaela Wawerla hatte mehrmals verwundert nachgehakt, warum sie weder ihre Tochter noch ihren Ex-Freund jemals gefragt hat, was in dem Bad passiert ist. Sie sei einfach überfordert gewesen, so die 25-Jährige.
Ihr Vater hingegen hätte sehr gerne gewusst, was seiner Enkelin - die früher schon bei ihnen gelebt hatte - widerfahren ist. Als seine Frau und er am 24. Dezember in der Klinik eingetroffen seien, hätten seine Tochter und deren Freund auf entsprechende Fragen gesagt, sie wüssten es nicht, so der 54-Jährige vor Gericht. Ärzte hätten keine Auskunft erteilen dürfen. Fortan sei man täglich in die Klinik gefahren. Und die wenige Zeit zuhause habe man, anstatt zu schlafen, gegrübelt. Vielleicht sei eine alte Wunde aufgerissen? Vielleicht habe die Kleine einen Fahrradunfall gehabt? "Aber was dann rausgekommen ist, hätten wir uns niemals vorstellen können." Am 27. Dezember habe ein Arzt dann "Erbarmen" mit ihm gehabt und angedeutet, dass "etwas eingedrungen ist". Doch erst Anfang Januar, als man darum gekämpft habe, die Enkelin zu sich nehmen zu dürfen, habe ein Oberarzt bei einem gemeinsamen Gespräch mit dem Jugendamt klar geäußert, "das war Kindesmisshandlung".
Dem 54-Jährigen zufolge habe sich die Kleine bei ihnen zuhause zunächst geweigert, mit den Uropas mitzugehen, obwohl sie früher mit dem einen täglich die Ziegen gefüttert habe. Alpträume oder dergleichen habe sie aber nicht gehabt. Neben dem Vorfall mit dem Wickeltisch habe sie allerdings bei einer weiteren Gelegenheit den Namen des Ex-Freundes seiner Tochter erwähnt. Er sei mit seiner Frau und der Enkelin im Bad gewesen und habe die auf dem Bauch liegende Kleine zum Spaß über die Fliesen schieben wollen, so der 54-Jährige. Als er an die Windel gekommen sei, habe diese gesagt, "ned da. Da tut mir der Popo aua. Y. weh getan".
Der 29-Jährige war am 28. Dezember in der Klinik festgenommen worden. Er sei mit seiner Frau mal wieder auf dem Weg zur Enkelin gewesen, hatte der 54-Jährige berichtet, als sie von einem Streifenwagen mit Blaulicht überholt worden seien. Mehr zum Spaß habe er zu seiner Frau gesagt, "Jetzt werden sie ihn holen". Zunächst seien seine Tochter und deren Ex aber noch im Krankenzimmer gewesen. Er habe schon nicht mehr an den Streifenwagen gedacht, als die Tür aufgegangen sei und Polizisten den Y. in Handschellen abgeführt hätten. Eine Woche später habe er einen Anruf von Y. bekommen, dass er entlassen worden sei - und sie nun seine Tochter festnehmen würden. Der Prozess wird am 27. Februar fortgesetzt.