Moosburg

Emotionen geweckt, Gedanken angeregt


Moderatorin Janina Ludwig (2.v.r.) im Gespräch mit Yvette Lemke (l.), Leonie Schwaier und Konstantin Martens.

Moderatorin Janina Ludwig (2.v.r.) im Gespräch mit Yvette Lemke (l.), Leonie Schwaier und Konstantin Martens.

Von Niko Firnkees

Neun höchst unterschiedliche Wettbewerbsbeiträge und ein Oscar-Preisträger wurden anlässlich der dritten, sehr gut besuchten Moosburger Kurzfilmnacht im Rosenhof-Kino gezeigt.

Dass am Ende einer der beiden Gewinner ein Film war, der scheinbaren Klamauk als Katalysator zum Freilegen struktureller und stets unter der Decke gehaltener Konflikte in einer scheinbar geordneten Welt verwendete, war symptomatisch: Hinter fast allen Wettbewerbsbeiträgen wurde unter der Oberfläche Tiefgründiges zutage gebracht.

"Lure" hieß der erste Beitrag nach der Begrüßung durch Altstadtförderer-Vorsitzende Daniela Eiden und Anmoderation durch Janina Ludwig. Der einzige Stop-Motion-Film thematisierte einen Generationenkonflikt im Hinterhofmilieu. Er riss nicht vom Sessel, bezog seine Spannung eigentlich erst aus dem offenen Schluss - hatte die alte Rollstuhlfahrerin das große Messer geholt, um den Kuchen zu schneiden? Oder um den adipösen Rotzlöffel trotz der Tatsache, dass er Empathie bewiesen hatte, wegen mangelnder Tischsitten abzustechen?

Der einzige Totalausfall folgte: "Schwimmstunde" war der gut gemeinte Versuch deutscher Produzenten, die Mentalität eines türkischen Paschas und seiner Frau zu verstehen und in eine Bildsprache zu pressen. Das peinliche Bekehrungswunder-Ende passte zum Rest wie eine Zierkirsche auf einem Schweinsbraten. Im Abspann erfuhr man dann noch, dass der Film CO2-neutral produziert worden war. Schön, aber ihn nicht zu drehen, hätte auch kein CO2 hinausgepustet.

"Scheinwelt" war der einzige Film, bei dem Produzentin Yvette Lemke, Regisseurin und Drehbuchautorin Leonie Schwaier und Kameramann Konstantin Martens persönlich anwesend waren. Ein Vater-Tochter-Konflikt wurde thematisiert, eine sich auflösende Entfremdung zwischen beiden wurde durch den jähzornigen Vater zerstört. Eigentlich tat einem der beruflich offenbar erfolgreiche Mann, dessen Penibilität zu absoluter Kühle im Umfeld geführt hatte, zunehmend mehr leid. Musste aber nicht sein: Wer seine Umwelt narzisstisch nach seinem Ebenbild erschaffen will, gehört nun mal therapiert.

War's ein One-Night-Stand oder nicht? Für die Protagonistin in "Nachspiel" egal, denn Vergangenes ist stets Irrealität. Realität war, dass sie am Morgen völlig verkatert in einer fremden Wohnung aufgewacht war. Nun versuchte sie sich, in der Aktualität zurechtzufinden. Am offenen Ende gab's noch einen Hauch von Happy End - vielleicht kamen sie und ihr nächtlicher Gastgeber doch noch zusammen. "Nachspiel" war einer der beiden ersten Preisträger. Warum der Rührschinken "Samira" an zweiter Stelle gelandet war, darf offenbleiben. Ein schwuler Dolmetscher fand bei einer Polizeiaktion das Baby einer afrikanischen Asylbewerberin, die bald darauf abgeschoben wurde. Ihr Kind ließ sie beim Dolmetscher. Immerhin konnte dessen Lebenspartner es wickeln. Fazit: ein eher spannungsloses Tränendrüsenstimulans ohne stringente Aussage.

Nach der Pause ging es nach Afghanistan. In einer wahren Begebenheit nachempfundenen "Nabilah" rettet eine Bundeswehr-Patrouille ein Mädchen vor dem Erfrieren. Ein naiver Hauptfeldwebel will sich auch um deren Bruder kümmern und provoziert damit den Selbstmord des Mädchens. Neben der konkreten Tragik fragte man sich zudem, ob Deutschland seine Freiheit ausgerechnet in einer Region verteidigen muss, in der archaische Stammesstrukturen bei vermeintlichen Ehrverletzungen zu Steinigungen führen. Ein Kurzfilm also, der eine politische Botschaft beinhaltete und damit eher polarisiert haben dürfte wie andere Beiträge.

Brutal war der Kontrast zum nächsten Film. In "Die Badewanne" wollten drei Ösis das Remake eines alten Kinderfotos in einer Badewanne vollziehen, um der Mama ein Geburtstagsgeschenk zu produzieren. Mit der Kleidung legten sie ihre äußeren scheinbar so bürgerlich-geordneten Rollen ab, alte und unbewältigte Konflikte traten zutage. Davon abgesehen: In eine Badewanne passen drei Buben, aber nicht drei gut genährte Männer, was zusammen für viel hintergründige Komik sorgte. "Die Badewanne" war Co-Preisträger für den ersten Preis.

"Wir könnten, wir sollten, wir hätten doch…" folgte. Ausgerechnet beim "Tatort" klingelte ein Herr Ousmane bei einem Ehepaar, weil er zu erfrieren drohte. Das Paar verwies ihn an andere Bewohner, stritt sich dann um die richtige Vorgehensweise. Dabei stellte sich heraus, dass die Beziehung kaputt ist. Der Herr Ousmane ist übrigens weg - erfroren, wo anders aufgenommen? Wir wissen es nicht.

"R.I.P. - Rest in Pieces" beendete als einziger Zeichentrickfilm den Wettbewerb. Gevatter Tod war senil geworden und hatte seine Sense vergessen, ein von allen drangsaliertes Mädchen ergriff die Gelegenheit, im Himmel brach Chaos aus, weil lauter nicht vorgesehene Eingänge passierten. Die Autoren hatten geschickt den Spagat zwischen witzig und derb geschafft.

"The Stutterer" hatte bereits einen Oscar gewonnen und wurde während der Auswertung der Publikums-Abstimmung gezeigt. Eine Online-Bekanntschaft sollte entvirtualisiert werden. Der Stotterer hatte aber viel Angst, seiner Chat-Beziehung real zu begegnen. Der Film war der mit Abstand professionellste, wenngleich das Ende ein wenig flach und absehbar war: Das Mädchen war taubstumm, ein Stotterer störte sie also nicht.