Andere Seiten der Satire

Wie das Musikkabarett das Leben Sebastian Dallers prägte

Der Himmel ist blau und wolkenlos. Die Sonne brennt auf das Dorf hinab. Eine Geräuschkulisse? Gibt es hier nicht. In Teugn, "dem Dreiländereck Niederbayerns, der Oberpfalz und der Holledau", wie man sagt, kennt jeder jeden - und vor allem ihn.


Ex-Kabarettist und Lehrer Sebastian Daller vor seinem selbstgebauten Gartenhaus.

Ex-Kabarettist und Lehrer Sebastian Daller vor seinem selbstgebauten Gartenhaus.

Von Viktoria Auburger

Genau dort lebt und kümmert sich Sebastian Daller um seine Eltern und seine drei Geißen. Hier in der Ruhe des 1 800-Seelen-Dorfes ist er aufgewachsen - und geblieben. Lässt man den Blick über seinen Garten schweifen, erweckt nichts den Anschein, dass der 38-Jährige mit den brauen Locken und den gemütlichen Gartenschuhen insgesamt über 25 Jahre auf der Bühne stand und regelmäßig im Fernsehen zu sehen war. Dieser Teil seines Lebens ist inzwischen aber vorbei "und des basst a so, wie's is", sagt er.

Seine Kindheit beschreibt Sebastian als schön, wie im Bilderbuch, mit vielen Aktivitäten in der Natur, eben typisch Dorf: "Genau so, wie man sich des vorstellt." Auch die Schulzeit in der Grundschule vor Ort war problemlos, und obwohl er mit seinem Übertritt auf das Gymnasium in Rohr auch außerhalb der ihm bekannten Örtlichkeit unterwegs ist, bleibt sein Lebensmittelpunkt in Teugn.

Mit fünf Jahren "habe mir dacht, ich werd mal Bauer oder Förster", erzählt er. Doch für Letzteres hätte er seinen Heimatort und seine Freunde verlassen müssen. Er will stattdessen etwas mit Sprachen und Dialekt machen, etwas "wo man vor Leuten stehen muss", weil er das beides gut kann. "Und dann hab ich des einfach gemacht, ohne viel zu überlegen, was hätte sein können", sagt er über das Lehramtsstudium, für das er sich schlussendlich entscheidet.

Im 20 Minuten entfernten Regensburg sitzt er von nun an in den Vorlesungen seiner Fachkombination aus Deutsch und Latein. Er findet Gefallen daran, denn "Sebastian ist mutig und lernwillig. Und vor allem scheut er sich nicht, Erfahrungen in Bereichen zu machen, die er zuvor noch nie berührt hat", erzählen seine Freunde aus dem Dorf.

Schon als Kind von Musik begeistert

Was mehr früher, als später jedoch nicht mehr zu verbergen bleibt: Abseits all der Normalität erreicht Sebastian eine aufstrebende Karriere im Showbusiness. Denn während seine Kommilitonen am Wochenende feiern gehen, steht er auf den Bühnen der Umgebung.

Schon im Kindesalter entdeckt er seine Begeisterung für die Musik, bastelt sich aus Blechdosen ein eigenes Schlagzeug und stellt damit die Nerven seiner Nachbarn regelmäßig auf die Probe. Er lernt Blockflöte, später probiert er sich auch an dem Klavier, was ihm aber schnell "vui z'bled" wird. Schlussendlich findet er Gefallen am Knopfakkordeon. Es ist der Einfluss seiner Eltern, vor allem der seines Vaters, einem ehemaligen Musiker und DJ, der ihn weiterhin an das Musizieren bindet.

Die Initialzündung seiner Karriere erlebt er im Alter von zwölf Jahren durch eine Veranstaltungsreihe der Josef-Stanglmeier-Stiftung, bei welcher junge Künstler ihr Können auf den Bühnen des Landkreises öffentlich zeigen können. Er geht auf die Bühne, packt sein Knopfakkordeon aus und präsentiert seine ersten Gstanzl. Obwohl er bis heute nicht der Meinung ist, dass er ein besonderes Talent im Musizieren und Gstanzln besitzt, "is des brutal guad o'kemma", erzählt er. Sebastian macht damit weiter, sein Antrieb damals: monetäre Unabhängigkeit und das Interesse an der Tradition und der Mundart Bayerns.

Das Gstanzlsingen ist nicht nur in Teugn Kult. Die bayerisch-österreichische Liedform, die seit dem 19. Jahrhundert im alpenländischen Musikraum Platz einnimmt, ist eine typische Form gesellschaftlichen Beisammenseins, egal ob im Privaten, in der Wirtshausrunde oder vor Publikum. Wer gstanzlt, der hat eine Meinung. Und das zu allem, was einen im Leben so betrifft. Hauptsächlich besingen die Musiker heitere, aber auch ernste Ereignisse, Lebensanschauungen und Menschen in unterhaltsamer oder gern auch mal ironisch-böser Art. Und so tut dies schließlich auch Sebastian, der sich selbst "eindeutig als Zyniker" einordnet.

Sein Vater übernimmt fortan seine Buchungen. Anfangs schreibt dieser auch noch ein paar seiner Texte, doch mit der einhergehenden finanziellen Sicherheit möchte sich der junge Gstanzlsänger auch davon lösen und übernimmt dies schließlich vollumfänglich. Sebastian verdient sehr gut, ist viel unterwegs, hat Auftritte vor großem und auch kleinem Publikum.

In Hengersberg wird er bei 35 Grad für ein Fest gebucht. Es erscheinen ganze fünf Gäste, weil "alle anderen Besucher halt im Freibad waren bei so einem Wetter", erzählt er. Er steht auf dem Podium, während die Hitze auf ihn einwirkt. All das, obwohl er eigentlich mit einer Entzündung im Körper kämpft. In den Zwischenpausen ruht er sich erschöpft auf einem Tisch aus, ganz zum Unmut der Veranstalterin und seinem Vater.

Aber der Daller Wastl beißt sich durch, reist für Auftritte schließlich durch Deutschland bis nach Österreich, wird der Mann aus der Schublade im Schleich-Fernsehen beim Bayerischen Rundfunk und gründet schließlich sogar ein Trio als Sebastian Daller und Bänd. Alles, während er seinem eigentlichen Beruf als Lehrer in Vollzeit nachgeht. Gemeinsam gstanzlt die Gruppe über alltägliche Themen, die Verwandtschaft und das Leben in "Deign". Sie genießen großes Ansehen und ernten viel Lob von renommierten Kritikern der Branche. Sebastians Solo- und schließlich Trio-Karriere verläuft gut.

Die Gesundheit beginnt zu leiden

Doch seine Gesundheit beginnt darunter zu leiden. Er merkt, dass er vor anstehenden Auftritten schlecht schläft und nicht mehr richtig essen kann. "I war einfach immer am Arbeiten, unter da Woch in da Schui und am Wochenende auf Tour", erzählt er. Die Zeit für Privates ist stark begrenzt. Seine damalige Beziehung beginnt zu kriseln. Auf den Kabaretttagen in Ingolstadt findet er ein zentimeterdickes Programmbuch vor sich liegen und denkt sich: "Wenn's so vui andere gibt, dann muass ich des eigentlich ned ano macha." Verständnis für seine ersten Überlegungen, das Gstanzln zu beenden, bekommt er weder von seinen Eltern noch von seiner damaligen Partnerin.

Bei einem Weihnachtsessen in Pfarrkofen ein paar Monate später sieht er auf dem Klo ein Plakat eines anderen Kabarettisten, der mit einem Schwein zusammen an einem Tisch sitzt. Und denkt nach. Sebastian bestellt sich noch zwei Weißbier, trinkt diese und ruft auf dem Nachhauseweg seine Bandkollegen an. Das wars. "Mia hern af", beschließt er.

Der mittlerweile 38-jährige Lehrer setzt sich nun andere Prioritäten. Er kauft sich ein Stück Wald in der Nähe, fängt an, im eigenen Garten zu gärtnern, baut zuerst einen Backofen, dann ein Gartenhaus. So hat er es schlussendlich doch noch zum Beruf des Bauern und Förster geschafft. Aktuell ist sein Garten eine Baustelle. Es liegen große Holzpfeiler, Schrauben und Stücke eines Dachgiebels herum. Die Geißen bekommen einen größeren Stall, den er mit einem Freund zusammen baut. Endlich kann er seine Zeit für sein Leben nutzen, in seinem Lebensmittelpunkt Teugn, gemeinsam mit seiner neuen Partnerin.

"Etz' hab I amal wieder für mi Zeit", sagt er zufrieden. Ob er mal wieder als Gstanzlsänger auftritt, macht er von der Situation abhängig. Er will aber nie mehr heut schon wissen, an welchen Tagen er im nächsten Jahr auf irgendwelchen Bühnen stehen muss. "Und des bassd a so, wie's is."

Zur Autorin

Viktoria Auburger studiert in Passau Journalistik und strategische Kommunikation. Ihr Beitrag ist in einer Lehrredaktion entstanden, die
in dem Studiengang integriert ist. Die Lehrredaktion wird von Redakteuren unserer Mediengruppe betreut.