Mainburg

Was hält unsere Gesellschaft zusammen?

2. Hallertauer Gesellschaftsdialog geht vor 130 Gästen einer existenziellen Frage nach


Die illustre Runde auf dem Podium mit Moderatorin Christiane Allinger (rechts).

Die illustre Runde auf dem Podium mit Moderatorin Christiane Allinger (rechts).

Was ist es, das die Welt im Innersten zusammenhält? Mit dieser existenziellen Frage des menschlichen Lebens schlug sich weiland schon der Universalgelehrte Doktor Faustus in Johann Wolfgang von Goethes Tragödie "Faust" herum. Eine ganz ähnliche Fragestellung stand am Mittwoch im Mittelpunkt der zweiten Auflage des "Hallertauer Gesellschaftsdialog" im Mainburger Bauzentrum Schwarz: "Was hält unsere Gesellschaft zusammen? Im Spannungsfeld zwischen Ethik, Politik und Wirtschaft."

Vor mehr als 130 Gästen formulierte Maureen Sperling, die Initiatorin dieses Formats mit diesmal fünf Podiumsteilnehmern, noch einmal die Eingangsfrage: "Was hält unsere Gesellschaft denn tatsächlich zusammen?" Und das vor dem Hintergrund "unruhiger Zeiten, in denen die moralischen Instanzen von einst erodieren". Mehr und mehr Sorgen macht der zweifachen Mutter, wenn die Kirchen und die Wirtschaft von Skandalen erschüttert werden, der Journalismus von Fake News und unsauber recherchierenden Reportern gebeutelt wird und die Volksparteien immer mehr Rückhalt in der Bevölkerung verlieren.

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Gastgeberin Maureen Sperling.

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Stefanie von Luttitz, Alfred Gaffal, Martin Balle, Maureen Sperling, Ursula Münch und Cornelia Egg-Möwes (von links)

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Schnell waren die Sitzreihen im ersten Stock ansehnlich gefüllt.

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Dr. Stephanie von Luttitz, die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ).

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Das Bauzentrum von Schwarz & Sohn diente als Ambiente für den Gesellschaftsdialog.

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Die Moderation übernahm Christiane Allinger von Niederbayern TV.

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vbw-Ehrenvorsitzende Alfred Gaffal und Prof. Ursula Münch.

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Groß war das Zuhörerinteresse beim Gesellschaftsdialog im Bauzentrum Schwarz.

Frage nach der Verantwortung

"Wie können wir als Gesellschaft mit diesen Herausforderungen umgehen, und was sind die grundlegenden Werte, die ein friedliches Miteinander ermöglichen? Welche Verantwortung tragen dabei Religion, Politik, Wirtschaft und Medien?", fragte Sperling in die Runde auf dem Podium, die von Christiane Allinger von Niederbayern TV moderiert wurde.

Antworten darauf zu finden versuchten die evangelische Pfarrerin Cornelia Egg-Möwes, Stephanie von Luttitz, die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Erzbistum München und Freising, die Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing, Prof. Ursula Münch, der Unternehmer und vbw-Ehrenvorsitzende Alfred Gaffal sowie der promovierte Philosoph, Verleger der Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung und Lehrbeauftragte für Medientechnik an der TH Deggendorf, Prof. Martin Balle.

Während an diesem ungemütlichen Dezemberabend draußen die Temperaturen gegen den Gefrierpunkt gingen, konzedierte die Runde drinnen ein zunehmend frostiges Klima im zwischenmenschlichen Miteinander, für das es jedoch keine einfachen Erklärungen zu geben scheint. Ist es die "Angst, die vielfach unseren Alltag dominiert", wie sie die Seelsorgerin Egg-Möwes mit sorgenvollem Blick beobachtet? Oder sind es "Erregungs- und Aufregungswellen", die die Öffentlichkeit immer wieder umtreiben, wie sie die Politikwissenschaftlerin Münch beschreibt? Beides ist möglich, genauso wie der Erklärungsansatz des Wirtschaftsmanagers Gaffal, der eine "dramatische Verunsicherung in der Bevölkerung" ausmacht.

Fehlendes Vorbild der Eliten

Der Medienexperte Balle vermisst nach eigener Aussage die Vorbildfunktion der Eliten, egal ob in Wirtschaft oder Politik, und blickt besorgt auf eine Generation, "die in einer reinen Gegenwartskultur lebt". Aber ist das wirklich so? Stephanie von Luttitz, die Vorsitzende einer Jugendorganisation, die immerhin für rund 66 000 Kinder und Jugendliche zuständig ist, erhebt Einspruch. Ihrer Erfahrung nach ist die Jugend motiviert und aufgeschlossen. Ein Eindruck übrigens, den Alfred Gaffal mit Blick in die Lehrwerkstätten der bayerischen Unternehmen teilt: "Wir haben eine tolle Jugend."

Aber es gibt auch Abgründe, gerade in den sozialen Medien - oder "digitale Plattformen", wie sie die Medienwissenschaftlerin Münch lieber nennt, "denn sozial ist da gar nichts, und was so alles auf WhatsApp geteilt wird, wollen Sie gar nicht wissen". Ein bekannter Streiter für die Meinungskultur ist der Verleger Balle. Zwar weiß auch er, dass der Prozess weg vom gedruckten Wort kaum aufzuhalten sein wird, setzt aber dennoch auf eine Erziehung hin zur täglichen Lektüre, wie er es nach eigenen Worten auch bei seinem achtjährigen Sohn versucht. "Lesen löst ganz andere Wirklichkeiten aus, als digitale Medien."

Wie kann der Zusammenhalt der Gesellschaft nun konkret verbessert werden? So lautete die Frage Allingers in der Schlussrunde. Erst müsse man einmal Abschied nehmen von dem Gedanken, die Homogenität der Sechzigerjahre-Gesellschaft zurückzubekommen, sagt Prof. Ursula Münch, "die bekommen wir einfach nicht wieder". Das weiß auch Prof. Martin Balle, der allerdings die Hoffnung auf zumindest ein gemeinsames Leitbild nicht ganz aufgegeben hat. "Das muss auch in einer pluralistischen Gesellschaft möglich sein", so seine Überzeugung.

Mehr Führung und Orientierung

Mit Blick auf die Achtzigerjahre und die damaligen Wahlerfolge der rechten Republikaner und DVU im Vergleich zur heutigen rechtspopulistischen AfD vermisst Cornelia Egg-Möwes eine "klare gesellschaftliche Übereinkunft darüber, dass rote Linien nicht weiter provozierend verschoben werden dürfen".

Der Unternehmer Alfred Gaffal wünscht sich mehr Konsens von Ökologie und Ökonomie, in denen er keinen grundsätzlichen Widerspruch sehen will, und ruft nach "mehr Führung und Orientierung durch die Politik". Die Antwort von Stephanie von Luttitz klang einfach, hat aber in Zeiten von Greta Thunberg und "Fridays for Future" durchaus einen tieferen Sinn: "Wir sollten mehr auf die Kinder und Jugendlichen hören."

Einem aus der Reihe der Gäste blieb am Ende der fast zweistündigen Diskussion das Schlusswort vorbehalten. Der Ruhestandspfarrer Johann Hertl warnte vor einer zunehmenden Neidkultur und rief mit einem Verweis auf ein entsprechendes Wort von Papst Franziskus dazu auf, "endlich den Neid aus unserer Gesellschaft zu verbannen".

Und welchen Schluss hätte Doktor Faustus für sich aus dieser Debatte wohl gezogen? Hoffentlich nicht den gleichen wie in Goethes "Faust": "Da steh ich nun, ich armer Tor!/ Und bin so klug als wie zuvor."