Psyche
Jeder ist mal neidisch - Das kann man dagegen tun
25. Januar 2018, 10:12 Uhr aktualisiert am 25. Januar 2018, 10:12 Uhr
Neidisch sein - das kennt jeder irgendwie. Es offen zuzugeben, das trauen sich dagegen nur wenige. Trotzdem fühlen sich manche unwohl, wenn sie neidisch sind. So ging es auch der 17-jährigen Sophie M. aus dem Landkreis Landshut. Doch sie hat einen Weg gefunden, besser damit klar zu kommen.
Neidisch zu sein, das kennt Sophie M. gut. Es waren vor allem die Mitschüler, gegen die sich die Neidgefühle der 17-Jährigen richteten. Die - so sah es in Sophies Augen aus - schrieben spielend gute Noten und mussten sich dafür nicht einmal groß anstrengen. Sie selbst dagegen brachte durchschnittliche Ergebnisse nach Hause. In der neunten Klasse sackte sie in den Naturwissenschaften so stark ab, dass der Verbleib am Gymnasium am seidenen Faden hing. "Ich hatte Angst, jemanden zu enttäuschen", erinnert sich Sophie. Es war eine schlimme Zeit. "Ich habe mich wahnsinnig angestrengt, aber es hat nichts gebracht. Die anderen schrieben trotzdem bessere Noten", erzählt die Schülerin, die im Landkreis Landshut wohnt. Sophie wurde unzufrieden mit sich und schämte sich für ihre Neidgefühle. Deshalb zog sie sich immer stärker zurück.
Neid ist ein Tabu-Thema und gilt als etwas Schlechtes
Sophie heißt eigentlich anders, will ihren richtigen Namen aber nicht nennen, um nicht erkannt zu werden. Das Thema, sagt sie, sei tabu. Keiner will zugeben, dass er neidisch ist. Es gilt als etwas Schlechtes. "Dabei ist es etwas ganz Natürliches", weiß die 17-Jährige heute. Eigentlich sollte jeder offen damit umgehen, findet sie. Deshalb spricht sie mit Freistunde darüber.
Sophie kämpfte vor allem mit hohem Erwartungsdruck. Neid war ein Teil dieses Problems, das schließlich so groß wurde, dass Sophie Hilfe in Anspruch nahm. Seit etwa eineinhalb Jahren trifft sie sich mit einer Therapeutin der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstelle in Landshut. Bei diesen Gesprächen hat sie viel über sich und Neid gelernt, unter anderem, dass sie nicht die Einzige ist, die solche Gefühle hat. Ganz im Gegenteil.
Neid kennt vermutlich jeder. In Zeiten von Instagram und Snapchat lässt sich vermuten, dass manche damit ab und an Probleme haben. Ständig werden einem dort von Freunden und Bekannten die neuesten Errungenschaften oder tolle Reisefotos präsentiert. Das macht doch neidisch, oder?
Emmeram Wolf-Ehresmann, der Leiter der Landshuter Beratungsstelle, die Sophie besucht, bestätigt diesen Eindruck. Die sozialen Medien verstärken das Vergleichen mit anderen, sagt er. Aber: "Neid gab es schon immer. In allen Kulturen und zu allen Zeiten." Im Grunde sei es nichts Neues.
Der Pädagoge kennt sich aus mit dem Thema. Es spielt immer wieder eine Rolle bei den Beratungsgesprächen, zum Beispiel im Zusammenhang mit mangelndem Selbstwertgefühl, Ängsten oder Lernschwierigkeiten. Dabei müsste Neid gar nicht zu Problemen führen. "Die Gefühle sind ganz normal", sagt der Pädagoge. "Sie betreffen nicht nur vermeintliche Verlierer, weil sie nichts zu bieten haben. Auch selbstbewusste Menschen sind neidisch." Emmeram Wolf-Ehresmann erklärt, woher das Gefühl kommt: Das Vergleichen mit anderen sei die Hauptfunktion unseres Gehirns. Erst dadurch werde einem bewusst, was andere haben. "Wenn ich auf einer einsamen Insel leben würde, dann wäre ich wahrscheinlich zufriedener mit mir selbst", erklärt er.
Ohnmacht, weil das Selbstbewusstsein weg ist
Neid sei im Grunde nichts Schlechtes: "Er spornt uns an und zeigt uns: Das will ich auch." Wenn sich aber herausstellt, dass das nicht möglich ist, dann sei das Selbstbewusstsein dahin. Das heißt, man kann seine Situation nicht mehr beeinflussen. "Dadurch fühlt man sich ohnmächtig, wird wütend, ärgerlich und gekränkt." Wer in dieser Falle steckt, für den führt Neid schnell zu einer Blockade - auch, weil das Thema tabu ist. "Wer neidisch ist, fühlt sich schwach. Er empfindet seine Gefühle als Versagen", sagt der Experte.
Die 17-jährige Sophie M. hat in den Gesprächen mit der Therapeutin gelernt, ihre Perspektive zu verändern. Ihr wurde klar, dass sie eigentlich gar nicht weiß, wie viel die anderen lernen. Verändert hat sich auch ihr Blick auf sich selbst. Sie lernte zu akzeptieren, dass Naturwissenschaften einfach nicht ihre Stärke sind. "Jeder Mensch hat seine Schwachstellen. Die müssen nicht im schulischen Bereich liegen, das können auch Eigenschaften sein", weiß sie. Mit Sprachen zum Beispiel könne sie besser umgehen. Das Vergleichen mit anderen versucht sie, so gut es geht abzustellen. "Manchmal gelingt mir das, manchmal nicht." Sie will sich lieber auf das besinnen, was sie geschafft hat. Dazu zählt auch ihre schulische Leistung. Trotz aller Probleme steht Sophie jetzt kurz vor dem Abitur. Und darauf kann sie wirklich stolz sein.
Expertentipps: Neid nervt - was tun?
Was kannst du tun, wenn du neidisch bist und dich dabei unwohl fühlst? "Am besten darüber reden und sich zu den Gefühlen bekennen", sagt Emmeram Wolf-Ehresmann von der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstelle in Landshut.
"Wenn man sich selbst sagt: Ja, ich bin jetzt halt neidisch, ich hätte dies oder jenes auch gerne, dann verliert das Gefühl viel von seinem Schrecken", erklärt der Experte. Dann sollte man sich fragen, ob man bereit wäre, seine Freizeit zu opfern oder Geld zu investieren, um das zu haben, was der andere hat. Oft bemerke man dann, dass das nicht der Fall ist. Diese Erkenntnis verändere die Perspektive. Freunde können sich dabei gegenseitig unterstützen. Wenn du merkst, dass jemand neidisch ist, dann helfen Sätze wie "Ach, das ist doch nicht so schlimm" allerdings wenig, so der Experte. Wer aber zum Beispiel sagt: "Ich merke, dass das für dich gerade schwierig ist", der zeige, dass er zwar keine Lösung, aber Verständnis hat. "Da sein und zuhören reicht schon."
Betroffene, die zu sehr in der Grübelei versinken, könnten zum Beispiel etwas für ihre Selbstwirksamkeit tun. Das könne bei einem Hobby sein oder einem Treffen mit Freunden. Manchmal helfe es auch, sich ein kleines Ziel zu stecken. "So kommt man wieder in Kontakt mit sich und seinen positiven Seiten", erklärt der Pädagoge.