Landshuter Zeitung

"TGL-Chefin sitzt das Problem aus"


Im Haus Theaterstraße 55-57 lebte der Jude Adolf Hirsch, bevor er 1942 deportiert und 1943 in Theresienstadt ermordet wurde. Ein Stolperstein soll ins Pflaster vor dem Gebäude eingelassen werden, um an ihn zu erinnern.(Foto: cv)

Im Haus Theaterstraße 55-57 lebte der Jude Adolf Hirsch, bevor er 1942 deportiert und 1943 in Theresienstadt ermordet wurde. Ein Stolperstein soll ins Pflaster vor dem Gebäude eingelassen werden, um an ihn zu erinnern.(Foto: cv)

Von Redaktion idowa

Von Siegfried Rüdenauer
Landshut. Die Debatte um den Karl-Herzer-Gedächtnispreis geht weiter. Die TGL-Vorsitzende Prof. Dr. Gabriele Goderbauer-Marchner hat bei der Mitgliederversammlung des Vereins angekündigt, dass sich ein Student wissenschaftlich mit dem Thema befassen könnte. Konrad Haberberger vom Verein Stolpersteine Landshut reicht dies nicht. Er kritisiert das Verhalten der Turngemeinde Landshut in einem offenen Brief als "Aussitzen".

Haberberger fordert den größten Landshuter Sportverein dazu auf, den Preis auszusetzen oder zurückzuziehen. Die schon jetzt vorliegenden Fakten reichten aus, um sagen zu können, dass Herzer die Turnerjugend bewusst an den Nationalsozialismus herangeführt habe. Er habe etwa die Leitung eines "Werbe-Aufmarsches" gehabt, wie aus dem Artikel "Der Tag der Bayerischen Jugend in Landshut" vom 8. Mai 1933 im Kurier für Niederbayernhervorgehe. Herzer sei "bis zuletzt ein beflissener Befehlsempfänger des NS-Regimes" gewesen. Für Haberberger ist klar, dass die TGL mit ihrem Gedächtnispreis an solch einen Sportfunktionär erinnert.

Konrad Haberberger will offenbar mit Gabriele Goderbauer-Marchner ins Gespräch kommen. Jedenfalls lädt er die TGL-Chefin und CSU-Stadträtin zu einem Vortrag am 4. Mai um 19.30 Uhr in den Bernlochner ein. Auf Einladung des Vereins Stolpersteine spricht dort Prof. Dr. Lorenz Peiffer über die Gleichschaltung der Turn- und Sportvereine nach der nationalsozialistischen Machtergreifung. In dem Vortrag geht es um die Frage, wie schnell damals versucht wurde, die Vereine judenfrei zu bekommen. An Goderbauer-Marchner schreibt Haberberger, er würde sich freuen, wenn sie in der Diskussion darüber berichte, wann die jüdischen Mitglieder der TGL ausgeschlossen worden waren. Und er stellt die Frage: "Welche Rolle spielte der Oberturnwart Karl Herzer beim Ausschluss der jüdischen Mitglieder aus der TGL?"

Gabriele Goderbauer-Marchner zeigte sich gestern gegenüber der LZ erstaunt über den Wunsch Haberbergers. Die TGL werde alles tun, um das Thema Karl Herzer objektiv, seriös und historisch haltbar aufzuklären. Deshalb greife der Verein auch gerne die Anregung des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) auf, eine wissenschaftliche historische Arbeit über lokale und regionale Themen in Auftrag zu geben. Daraus folgt für Goderbauer-Marchner: "Die Ungeduld des Herrn Haberberger erscheint uns daher nicht angemessen." Sie wisse nicht, was ihn motiviere, "so auf die Zeit zu drängen". Eine historisch qualifizierte Arbeit benötige historisches Quellenmaterial. Zu den Beweggründen Haberbergers sagte sie: "Ich befürchte, dass er andere Motive hat." Mehr wollte sie dazu nicht sagen.

Senatsbeschluss vor Vereinsgründung
Die Informationen, die Haberberger in seinem offenen Brief weitergibt, habe sie hingegen dankend zur Kenntnis genommen, sagte die TGL-Chefin. Sie würden dem Wissenschaftler zur Verfügung gestellt, der sich mit der regionalen Geschichte befassen werde. Außerdem danke sie Haberberger für die Einladung zum Vortrag am 4. Mai.

In seinem offenen Brief erkundigte sich Haberberger danach, ob die Turngemeinde bereit ist, eine Patenschaft für die Finanzierung des Stolpersteins für das ehemalige TGL-Ehrenmitglied Adolf Hirsch zu übernehmen. Hirsch (Jahrgang 1868), der in dem Gebäude Theaterstraße 55-57 gewohnt hatte, war am 22. September 1943 im KZ Theresienstadt ermordet worden.

Gabriele Goderbauer-Marchner versteht die Aktion Stolpersteine, die an Opfer des Nationalsozialismus erinnert, allerdings als eine Initiative der ganzen Stadt, nicht als eine einzelner Institutionen. Sie erwähnte einen einstimmigen Kultursenatsbeschluss von vor einem Jahr, der auf Anregung der Arbeitsgruppe gegen Rassismus des Hans-Leinberger-Gymnasiums zustandegekommen war. Demzufolge setzt die Stadt das Projekt um, bei dem Stolpersteine mit den Daten der Opfer ins Pflaster vor dem einstigen Wohnhaus eingelassen werden.

"Ich habe diese Aktion schon damals befürwortet und gesagt, dass ich sie unterstützen werde", sagte Goderbauer-Marchner gestern der LZ. An Haberberger sei es nun, die Chronologie "einfach mal zur Kenntnis zu nehmen". Es gehe darum, dass der Kultursenat einen Beschluss gefasst habe, der mit dem später gegründeten Verein Stolpersteine und mit Haberberger in keinem Zusammenhang stehe.