Landshut/Notzing

Lebenslang für Doppelmörder von Notzing


Armin Weigel, dpa

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Von kö

Ein unzufriedenes Raunen ging durch die Zuschauermenge im großen Sitzungssaal, als die Vorsitzende Richterin das Urteil verkündet hatte: Der 22-jährige Christoph W. ist schuldig des Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen. Er wurde daher zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Von einer Feststellung der besonderen Schwere der Schuld sah die erste Strafkammer jedoch ab. Christoph W. kann damit nach 15 Jahren eine Haftentlassung beantragen.

Nach zwölf Verhandlungstagen vor dem Landgericht Landshut folgte die Kammer unter Vorsitzender Richterin Gisela Geppert gestern den Anträgen von Staatsanwalt Ralph Reiter und den Nebenklägervertretern und verurteilte den Anlagenmechaniker Christoph W. wegen Mordes an den Eltern seiner ehemaligen Verlobten in deren Haus in Notzing.

Nach Überzeugung der Kammer hat W. das Ehepaar getötet, weil er sie für das Ende seiner Beziehung verantwortlich gemacht hatte. Verteidiger Winfried Folda hatte eine Woche zuvor eine Zeitstrafe wegen zweifachen Totschlags für seinen geständigen Mandanten gefordert: Christoph W. sei aufgrund einer Persönlichkeitsstörung mit Borderline-Symptomen vermindert schuldfähig und habe die Tat im Affekt begangen.


"Gruseliges, vielschichtiges Geschehen"

"Es war keine Affekttat", sagte Geppert bei der Urteilsbegründung. Man habe daher gar keine andere Möglichkeit gehabt, als eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen. Geppert bezeichnete die Tat als "besonders verachtenswert" und als "gruseliges, vielschichtiges Geschehen": Es könne durchaus sein, dass der Angeklagte in der Nacht zuvor Bier getrunken und gewaltverherrlichende Computerspiele gespielt habe. Dies habe jedoch nicht dazu geführt, dass er die Realität nicht mehr von der Fantasie habe unterscheiden können, als er am 30. März 2012 über ein Kellerfenster in das Haus in Notzing eingestiegen sei und dann gegen 8 Uhr zunächst den 60-jährigen Franz Xaver R. mit drei Messerstichen und einige Stunden später dessen 54-jährige Frau Heidi mit mehr als 30 Messerstichen, Axthieben und Stichen mit einem Kaminbesteck getötet habe. Dass die Tat geplant gewesen sei, zeige auch die Tatsache, dass sich W. für diesen Tag von seinem Arbeitgeber extra freigenommen habe.

Das Mordmerkmal der besonderen Grausamkeit habe man nicht feststellen können, sagte Geppert. Dem rechtsmedizinischen Gutachter Randolph Penning zufolge habe Heidi R. wahrscheinlich das Bewusstsein verloren. Dies bedeute, dass sie auch keine Schmerzen mehr verspürt haben könne. Die Merkmale der Heimtücke und der niederen Beweggründe sah die Kammer aber als erfüllt.

Auch eine verminderte Schuldfähigkeit, wie sie der Verteidiger geltend gemacht hatte, konnte die Kammer beim Angeklagten nicht feststellen. Geppert verwies auf das Gutachten des forensischen Psychiaters Prof. Norbert Nedopil, der Christoph W. trotz einer kombinierten Persönlichkeitsstörung für schuldfähig erklärt hatte. W. habe die Vorstellung entwickelt, die Eltern seiner ehemaligen Freundin beseitigen zu müssen, um diese wieder für sich haben zu können, so Geppert. "Und unbegreiflicherweise hatte er mit seinem Plan kurzfristig Erfolg."

Bei guter Führung nach 15 Jahren frei

Die Tochter der Ermordeten habe nach der Tat zwei Tage lang mit dem Angeklagten neue Verlobungspläne geschmiedet, Fernsehen geschaut, Sex gehabt und dazwischen habe sie ihm geholfen, die beiden Leichen zu beseitigen. Dies sei so lange gegangen, bis ihr Bruder die Tat entdeckt und die Polizei alarmiert habe. Die heute 18-Jährige wurde im Dezember vom Amtsgericht Freising wegen versuchter Strafvereitelung zu einem halben Jahr Bewährungsstrafe verurteilt. Dieses Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.


Richterin Geppert sprach gestern von einem Teilerfolg des Angeklagten: Christoph W. hatte zu Prozessbeginn über seinen Verteidiger ein Geständnis abgelegt. Dies kam ihm nun beim Urteil insofern zugute, als dass die Kammer die besondere Schwere der Schuld nicht feststellte. W. kann damit bei guter Führung bereits nach 15 Jahren das Gefängnis wieder verlassen. W. sei sehr jung und zeige deutlich Reifeverzögerungen, führte Geppert als weiteren Grund dafür an, dass die Kammer von einer Feststellung abgesehen hat.

Hätte er die Tat vier Wochen früher begangen, hätte er sich noch nach dem Jugendstrafrecht verantworten müssen, wobei die Höchststrafe zehn Jahre betragen hätte. Dass W. die Chance bekomme, sich während seines Gefängnisaufenthaltes zu bewähren, habe er schließlich auch dem Plädoyer seines Verteidigers zu verdanken, so Geppert.

Christoph W. hatte während des gesamten Prozesses still und ruhig auf der Anklagebank gesessen - auch das Urteil nahm er ohne sichtbare Regung entgegen. Umso deutlicher brachten die zahlreichen Zuschauer ihren Unmut darüber zum Ausdruck, dass die Kammer von der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld abgesehen hatte. Angehörige wie der Bruder der ermordeten Heidi R. rangen sichtlich um Fassung.

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Foto: Marc Müller/Archiv

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