Brandanschlag auf Asylbewerberheim

Landshuter Gericht sieht rassistisches Motiv


Der Hauptangeklagte (l.) vor dem Landgericht in Landshut. Ihm wird 56-facher versuchter Mord vorgeworfen.

Der Hauptangeklagte (l.) vor dem Landgericht in Landshut. Ihm wird 56-facher versuchter Mord vorgeworfen.

Von Andrea Königl

Ein 42-Jähriger will nach einem feuchtfröhlichen Abend ein Asylbewerberheim anzünden. Jetzt steht er wegen 56-fachen Mordversuch vor Gericht. Er hatte angeblich einen Filmriss.

Klare Worte waren am Donnerstag vor dem Landgericht in Landshut zu hören. Es dränge sich der Eindruck auf, so Vorsitzender Richter Markus Kring zum Angeklagten, "dass Sie das alles schönreden, damit´s für Sie erträglicher ist".

In der Tat wiegen die Vorwürfe der Generalstaatsanwaltschaft München zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus schwer: Der 42-jährige aus dem Landkreis Dingolfing-Landau soll in den Morgenstunden des 16. Oktobers 2021 in fremdenfeindlicher Gesinnung versucht haben, die Asylbewerberunterkunft in Simbach am Inn in Brand zu setzen. Nun muss er sich wegen versuchten Mordes in 56 Fällen, versuchter schwerer Brandstiftung und Sachbeschädigung vor der ersten Strafkammer verantworten.

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In objektiver Hinsicht wurde die Anklage zu Prozessbeginn von Verteidiger Georg Karl eingeräumt. Der Angeklagte beteuerte dann in seiner den ganzen Vormittag in Anspruch nehmenden Einlassung jedoch immer wieder, "alles andere als fremdenfeindlich" zu sein, und machte einen Filmriss für die Tatnacht geltend. Aus psychiatrischer Sicht sind Erinnerungslücken dem Sachverständigen Dr. Gregor Groß zufolge aber "fraglich".

Keiner der beiden alarmierte die Polizei

Mit auf der Anklagebank sitzen die ehemalige Lebensgefährtin des 42-Jährigen sowie ein Bekannter aus Kindertagen. Beide müssen sich wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten vor Gericht verantworten. Sie räumten den angeklagten Sachverhalt vollumfänglich ein. Der Versuch der Verteidiger Peter Kempe und Erhard Frank, das Verfahren in einen Strafbefehl überzuleiten, war im Vorfeld gescheitert. Das Trio hatte in der Nacht auf den 16. Oktober den Geburtstag des Hauptangeklagten gefeiert. Es wurden verschiedene Lokalitäten besucht, zuletzt eine Diskothek in Braunau. Der Alkohol soll dabei in Strömen geflossen sein. Der 42-Jährige sprach in seiner Einlassung von etwa zwölf Cocktails, 20 Jackie Cola und mehrere Bier.

Einer Hochrechnung des Sachverständigen zufolge müsste der Angeklagte somit zur Tatzeit etwa sieben Promille gehabt haben. "Das ist nicht mal halbwegs realistisch", sagte Kring. Es passe weder zu dem planvollen Vorgehen bei der Brandlegung noch zu den Sprachnachrichten und den Fotos, mit denen er seine Tat dokumentiert habe. Die beiden Mitangeklagten wollten sich zur Trinkmenge des Hauptangeklagten nicht festlegen. Er sei nicht immer bei dem Angeklagten gewesen, so der gleichaltrige Bekannte. Aber, meinte die 32-jährige Ex-Freundin, "am Ende war er volltrunken".

Den Mitangeklagten zufolge endete der Abend in Missstimmung im Haus des Bekannten. Grund seien Eifersüchteleien des 42-Jährigen gewesen. Gegen 4.30 Uhr sei der Angeklagte plötzlich noch mal nach draußen, so der Hausherr. Sowohl der Bekannte als auch die 32-Jährige bekamen in der Folgezeit WhatsApp-Nachrichten und Bilder, in welchen der Angeklagte sein Vorhaben dokumentierte. Beide schrieben, er solle das lassen. Die Ex-Freundin eilte sogar zum Asylbewerberheim, in welchem zur Tatzeit laut Anklage mindestens 56 Menschen anwesend waren. Die Polizei alarmierte aber niemand.

Sie sei in dem Moment "komplett überfordert gewesen mit der Situation", so die 32-Jährige. "Hinterher is ma immer g´scheider", sagte der Bekannte, der in einer Vitrine NS-Figürchen aus Zinn aufbewahrt. Das seien lediglich familiäre Erinnerungsstücke. "Sieht bei mir zuhause ja keiner." Beide Männer besitzen zudem T-Shirts von Marken, die als rechtsradikal gelten. Die habe er gekauft, weil sie billig seien, sagte der Hauptangeklagte und bestritt jeglichen Bezug zu rechtsradikalem Gedankengut. Er sei nicht immer mit der Einwanderungspolitik einverstanden gewesen. "Aber deswegen tue ich doch den Menschen nichts an."

Der Vorfall wurde erst am Folgetag thematisiert

Es sei ihm unerklärlich, warum er das gemacht habe. Er bedauere sein Handeln sehr. Laut Anklage legte der 42-Jährige zunächst Brände an den Notausgängen, indem er die Fußmatten und Textilien in Brand setzte. Dann schob er einen Papiermüllcontainer an eine Hauswand und zündete das Papier an. Der Brand konnte durch die Heimbewohner noch vor Eintreffen der Feuerwehr gelöscht werden.

Der 42-Jährige steht unter Verdacht, ein Feuer an der Asylbewerberunterkunft gelegt zu haben.(Archivfoto)

Der 42-Jährige steht unter Verdacht, ein Feuer an der Asylbewerberunterkunft gelegt zu haben.(Archivfoto)