Landkreis Landshut

Kurioser Nachbarschaftsstreit: Bub (4) angezeigt


Diesen Brief der Staatsanwaltschaft Landshut hat der Vater im Internet in der Landshut-Gruppe auf Facebook veröffentlicht.

Diesen Brief der Staatsanwaltschaft Landshut hat der Vater im Internet in der Landshut-Gruppe auf Facebook veröffentlicht.

Timo (Name von der Redaktion geändert) ist vier Jahre alt und schon bei der Polizei bekannt. Vor Kurzem bekamen seine Eltern einen Brief von der Staatsanwaltschaft Landshut. Der Grund: Der Nachbar hatte den Buben wegen Beleidigung angezeigt.

"Weil es eine so kuriose Geschichte ist, habe ich den Brief einfach mal online gestellt und war einfach auf die Reaktionen gespannt", sagt der Vater des Buben, als ihn die Landshuter Zeitung auf die Sache anspricht. Doch er musste richtig schlucken, als er den Brief der Staatsanwaltschaft zum ersten Mal durchgelesen hatte. Hätte er seinen Nachbarn nicht gekannt, hätte der Brief auch ein alberner Bubenstreich sei können. Aber schon seit vier Jahren herrscht am Wohnort der Familie ein handfester Nachbarschaftsstreit, der im Ermittlungsverfahren gegen den Vierjährigen jetzt seinen Höhepunkt fand.

Brief der Staatsanwaltschaft online veröffentlicht

Weil der Fall so unglaublich ist, entschloss sich der Vater dazu, den Brief der Staatsanwaltschaft in der Landshut-Gruppe auf Facebook online zu stellen. Dazu schreibt er: "Hat man so was schon gesehen? Aber leider kein Erfolg. Vielleicht beim nächsten Mal, so in zehn Jahren, wenn er strafmündig ist." Ein Blick auf den Brief lässt einen kopfschüttelnd zurück. "Ermittlungsverfahren gegen Timo geboren 2012 wegen Beleidigung", steht in der Betreffzeile. Und auch, wenn die Sache wenige Zeilen darunter mit den Worten "von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wird abgesehen" aufgelöst wird, erhitzen sich im Internet die Gemüter. "Was geht denn da ab ?", kommentiert ein Nutzer das Schreiben. Andere wiederum fragen, was ein Vierjähriger sagen muss, um angezeigt zu werden. "Mein Sohn kennt außer ‚du Blöder' keine besonderen Wörter", antwortet der Vater, der selbst nicht weiß, was sein Sohn gesagt haben soll.

Seit zwei Jahren tobt der Streit

Dass sein vierjähriger Sohn einmal ebenfalls ein Schreiben von der Staatsanwaltschaft Landshut bekommen werde, war dem Vater irgendwie klar. Seit zwei Jahren flattern ihm Briefe der Staatsanwaltschaft wie Werbematerial ins Haus. Auch die Polizei ist bei der Familie Dauergast. Egal, ob der Vater mit dem Sohn auf der Straße Fußball spielt, die Kinder zu nah am Auto des Nachbarn entlang Fahrrad fahren oder der Besuch der Familie falsch parkt - immer wurde direkt die Polizei alarmiert. "Es ging eigentlich immer um Lappalien, und eigentlich hätte man es ja immer anders klären können. Ich glaube aber, dass unsere Nachbarn das einfach als Freizeitbeschäftigung sehen und versuchen, sie so oft wie möglich auszuüben und uns deshalb immer wieder anzeigen", sagt der Vater.

Der Nachbar schweigt



Das Zusammenleben in der kleinen Straße sei längst nicht mehr harmonisch: "Der Nachbar geht immer mit ausgestrecktem Mittelfinger an uns vorbei, hat auch schon des Öfteren meinen elfjährigen Sohn wüst beschimpft. Und immer wieder filmt er unsere Kinder beim Spielen." Weil die Familie den Konflikt aber nicht weiter befeuern will, sahen sie in den meisten Fällen von einer Anzeige ab. Vor Kurzem aber ging es nicht mehr anderes: "Meine Kinder haben auf der Straße gespielt, als der Nachbar mit dem Auto in unsere Straße eingebogen ist. In dem Moment, als er die Kinder gesehen hatte, ist er aufs Gas gestiegen. Hätte mein Vierjähriger die Situation in diesem Moment nicht richtig eingeschätzt, dann wäre er unter dem Auto gelegen." Eine Anzeige der Familie gegen den Nachbarn war die Konsequenz auf diese Situation. Das Verfahren wegen Nötigung im Straßenverkehr läuft derzeit noch.

Ohne das ganze Ausmaß des Nachbarschaftsstreits zu kennen, fragen viele Landshuter den Vater online, warum es überhaupt möglich ist, dass die Staatsanwaltschaft gegen einen Vierjährigen ermittelt. "Das hatten wir zu keinem Zeitpunkt vor", sagt Oberstaatsanwalt Dr. Klaus Ruhland, stellvertretender Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Landshut und klärt damit die Sache auf. Wird eine Strafanzeige bei der Polizei gestellt, gehe es in erster Linie nicht um das Alter des Täters. Jede Anzeige, die eingeht, werde an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, die dann ein Ermittlungsverfahren einleitet oder - wie im Fall von Timo - davon absieht. "Ein Vierjähriger ist gemäß Paragraf 152, Absatz 2, StPO strafunmündig", sagt Ruhland. Es werde auch in keinen Akten vermerkt, dass der Bub schon mal wegen Beleidigung angezeigt wurde. Wieso aber stellt man dann eine Anzeige gegen einen Vierjährigen ? "Wenn die Anzeigemöglichkeit besteht, dann wird diese von manchen auch einfach genutzt", sagt Ruhland. "Dass eine Anzeige gegen einen Vierjährigen gestellt wird, kommt in Landshut aber ganz selten vor."

Ein Streitschlichter wurde eingeschaltet - ohne Erfolg

Um den Nachbarschaftsstreit zu beenden und zwischen den beiden Parteien zu vermitteln, wurde vor Kurzem ein Mediator eingeschaltet. Beide Nachbarn haben dort ihre Sicht der Dinge geschildert. Zu einer Aussprache kam es am Ende aber nicht, da das klärende Gespräch von einer Seite abgelehnt wurde. "Wir wären sofort einverstanden gewesen, das Problem an einem Tisch zu klären. Uns ist es nämlich wirklich wichtig, dass das alles ein Ende hat, damit ich keine Angst mehr um meine Kinder und meine Frau haben muss", sagt der Vater des vierjährigen Buben. Der Nachbar aber habe kein Interesse an einem klärenden Gespräch gehabt.

Auch als die Landshuter Zeitung den Nachbarn zu den Anschuldigung Stellung beziehen lassen will und an seiner Haustür klingelt, sagt dieser nur: "Wenn mich ein Vierjähriger als ‚Hurensohn' betitelt, dann muss man sich schon ein bisschen fragen, wie da die Erziehung aussieht." Immer wieder werde er von den Kindern im Vorbeigehen beleidigt. Auf die Frage, warum die Sache nicht zwischen den Erwachsenen geklärt werden könne, antwortet seine Frau: "Wir ignorieren solche Leute einfach, denn auf dieses Niveau begeben wir uns gar nicht erst." Die Fronten scheinen verhärtet zu sein, denn auch die Chance durch die Zeitung ihre Sicht der Dinge umfassend darzulegen, lassen die Nachbarn ungenutzt. Während das Ehepaar auf seinen Anwalt verweist, sagt der Vater des Vierjährigen, dass sein Sohn den Ausdruck "Hurensohn" noch nie gehört, geschweige denn in den Mund genommen habe.

Eine Landshuterin gibt dem Vater online einen Tipp: "Ignorieren ist die beste Waffe", schreibt sie unter den Brief der Staatsanwaltschaft. Mehr scheint auch aus Sicht des Vaters derzeit nicht möglich.