Landkreis Landshut
Dealer vor Gericht: 70 Gramm Gras an 16-Jährige verkauft
13. November 2016, 9:43 Uhr aktualisiert am 13. November 2016, 9:43 Uhr
Ein 47-Jähriger aus Sierra Leone muss sich wegen Drogenhandel vor dem Amtsgericht Landshut verantworten. Ein Antrag, das Verfahren wegen psychischer Erkrankung einzustellen, wurde abgelehnt.
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Gut möglich, dass die Beteiligten im Strafverfahren gegen den mutmaßlichen Drogendealer Brima K. vor der sechsten Strafkammer des Landgerichts diese Redensart derzeit beherzigen - immerhin wurde nun am dritten Verhandlungstag die durch Staatsanwalt Tilmann Roß vertretene Anklage verlesen. Die Kammer unter Vorsitzendem Richter Ralph Reiter hatte zuvor den Antrag von Verteidiger Franz Auer abgelehnt, das Verfahren gegen den 47-jährigen Asylbewerber aus Sierra Leone aufgrund einer vermeintlichen psychischen Erkrankung einzustellen.
Laut Anklage hat Brima K. von Juli 2015 bis zu seiner Festnahme am 13. Januar 2016 von seiner Landshuter Asylbewerberunterkunft aus einen regen Handel mit Marihuana betrieben. Dabei hatte er auch eine 16-jährige Schülerin als Dealerin angeworben; zum Weiterverkauf der insgesamt 70,8 Gramm Marihuana war es allerdings nicht gekommen, da die Polizei die Schülerin am 16. Juli in der Innenstadt vorläufig festgenommen und die Betäubungsmittel sichergestellt hatte. An einen weiteren Jugendlichen hatte K. im Herbst 2015 sieben Mal jeweils fünf bis zehn Gramm Marihuana zum Preis von neun Euro pro Gramm verkauft. Selbstverständlich hatten aber auch Erwachsene von Brima K. Gras bekommen: Hier listet die Anklage fünf Verkäufe auf. Der 47-Jährige hatte billigend in Kauf genommen, dass es sich bei seinen Abnehmern um Personen unter 18 Jahren gehandelt hat, so die Anklage. Zudem habe er in der Absicht gehandelt, sich "eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle" zu verschaffen.
Brima K. hatte sich unmittelbar nach seiner Festnahme kooperativ gezeigt und eingeräumt, selbst einen "ausgeprägten Marihuanakonsum" zu betreiben. Einen Handel hatte der 47-Jährige aber bestritten. Am ersten Verhandlungstag vor Gericht erschien er dann plötzlich psychisch angeschlagen - und gab genau ein Wort von sich: Koko. Ansonsten schrieb er imaginäre Wörter in die Luft. Die Kammer sah sich schließlich gezwungen, K. von der JVA Landshut in das Bezirkskrankenhaus Mainkofen zu verlegen und den psychiatrische Sachverständigen Dr. Ludwig Schmid mit einer vorläufigen medizinischen Einschätzung zu beauftragen. Schmid erklärte dann am zweiten Verhandlungstag, er könne eine Simulation weder ausschließen noch befürworten: "Ein Hinweis ist noch kein Beweis." Unmittelbar vor Schmids Ausführungen hatte K. ein weiteres Wort von sich gegeben - mit "Massengrab" konnten die Verfahrensbeteiligten allerdings auch nichts anfangen. Beim Betreten des Sitzungssaales hatte der 47-Jährige zumindest kund getan: "I hear voices." "Es ist schon auffällig, dass das gestörte Verhalten immer in der Hauptverhandlung besonders ausgeprägt erscheint", räumte der psychiatrische Sachverständige ein.
In den Akten von Ausländerbehörde und Bezirkskrankenhäusern, wo K. wegen Angstzuständen aufgrund eines in der Heimat erlittenen Traumas behandelt worden ist, ist nichts von psychischen Auffälligkeiten wie Stimmen hören vermerkt. Die Kammer hegt den Verdacht, dass Brima K. von Mitgefangenen in der JVA Landshut den Tipp bekommen hat, "einen auf Psycho zu machen", um einer drohenden Abschiebung zu entgehen. Trifft dies zu, dann gäbe es für K. die Gelegenheit, sich neue Anregungen zu holen: Auf Anordnung der Kammer befindet sich der 47-Jährige jetzt wieder in der Landshuter Haftanstalt - wo der Gefängnispsychologe ein Auge auf ihm haben soll.