Co-Trainer der LA Kings
Marco Sturm: "Draisaitl? Als Typ wie Nowitzki"
3. August 2020, 10:00 Uhr aktualisiert am 3. August 2020, 10:00 Uhr
Hinter Marco Sturm liegt seine zweite Saison als Co-Trainer der LA Kings. Im Interview spricht er über die Aufgabe, den deutschen Top-Star Leon Draisaitl und die Corona-Situation in den USA.
Seit rund sieben Wochen ist Marco Sturm mit seiner Familie wieder in Deutschland. Die Reise aus den USA lief für den ehemaligen Eishockey-Bundestrainer anders ab als sonst. Einen Direktflug gab es nicht, nach der Landung ging es für zwei Wochen in Quarantäne. Im Interview spricht der gebürtige Dingolfinger und CoTrainer der Los Angeles Kings in der National Hockey League (NHL), über Corona, die abgelaufene Saison und die deutschen Top-Stars in der NHL.
Herr Sturm, Corona hält die Welt in Atem, in den USA ist die Lage besonders schlimm. Wie haben Sie es vor Ort erlebt?
Marco Sturm: Da Europa zeitlich voraus war, haben wir es als Europäer schon immer verfolgt und es kommen sehen. Die Amerikaner ein bisschen weniger, wie man sieht. Dann ging es doch ziemlich schnell. Das Thema war ein bisschen da, dann gab es einen Fall im Basketball und am nächsten Tag war alles zu. Es ist viel passiert in kürzester Zeit. Amerika hat es wirklich schwer getroffen.
Wenn man die Situation in Deutschland und den USA vergleicht: Sind Sie froh, mit der Familie hier zu sein?
Sturm: Absolut. Ich bin jetzt auch stolz, Deutscher zu sein. Ich habe beide Seiten gesehen, was funktioniert und was nicht. Es gibt ja auch immer noch Deutsche, die schimpfen. Im Großen und Ganzen, wenn man die andere Seite sieht, hat Deutschland sicherlich alles richtig gemacht.
Wie bewerten Sie andererseits die Politik von Donald Trump in den USA?
Sturm: Es ist einfach anders. Es ist von der Größe her schon ein ganz anderes Land, deshalb kann man das nicht ganz vergleichen. Trotzdem wurde grundsätzlich anders gehandelt, deswegen ist die Situation auch so. Die Zahlen werden momentan immer schlechter. Wir als Familie verfolgen das täglich und hoffen einfach nur, dass es in naher Zukunft wieder besser wird.
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Machen Sie es von der Entwicklung der Corona-Situation abhängig, wann Sie mit der Familie wieder nach Amerika gehen?
Sturm: Da gibt es auch Überlegungen. Die Schule beginnt jetzt wieder mit Homeschooling, deshalb werden wir erst einmal in Deutschland bleiben, weil wir uns da einfach wohler und sicherer fühlen. Bei mir ist es noch egal, wir beginnen Stand jetzt erst im November mit dem Trainingslager und erst im Dezember mit der neuen Saison.
Die aktuelle Saison läuft noch, die Playoffs beginnen. Wie blicken Sie voraus?
Sturm: Ich werde es sicher verfolgen und denke, sie ziehen das wie hier in der Bundesliga knallhart durch. Interessant wird, wie es ohne Zuschauer ist. Generell lebt der Sport ja von Emotionen. Es wird für die Spieler nach der langen Pause auch schwierig, sie werden jeden zweiten Tag spielen, das ist nicht Ohne. Wer sich am Ende durchsetzt, ist völlig offen.
Ihr Team, die LA Kings, ist in den Playoffs nicht mehr dabei. Wie blicken Sie auf die Saison zurück?
Sturm: Aufgrund der zweiten Hälfte sind wir zuversichtlich und positiv mit Blick auf die nächsten Jahre. Wir haben einen neuen Trainer bekommen, ein neues System gehabt, viele neue junge Spieler. Die ersten 30 Spiele hat das gedauert, aber wenn man die Zeit danach nimmt, dann war es sehr gut. Wir stehen aber noch am Anfang, das Projekt braucht eine gewisse Zeit.
Es war Ihr zweites Jahr als Co-Trainer in Los Angeles. Was haben Sie für sich mitgenommen?
Sturm: Einiges. Ich habe das große Glück, mit Todd McLellan einen Cheftrainer zu haben, der schon viel erlebt hat. Das merkt man einfach. Auch wenn die Ergebnisse teilweise nicht so gestimmt haben, war es für mich jeden Tag ein Genuss, ins Stadion zu gehen. Ich sehe mich aktuell auch nicht in einer anderen Rolle. Ich habe die NHL jetzt aus einem anderen Blickwinkel kennengelernt. Wenn ich was mache, will ich es auch richtig machen. Am Ende des Tages braucht man mehr Erfahrung, die sammle ich nun.
Marco Stum über Leon Draisaitl, Tim Stützle und Stefan Loibl
Wie haben sich die Deutschen dieses Jahr in der NHL geschlagen?
Sturm: Leon Draisaitl hat natürlich alles überstrahlt. So soll es auch sein, denn er hat das einfach auch verdient, denn Leon spielt Eishockey auf einem anderen Level. Das freut mich als Deutschen natürlich, wenn einer so dominiert in der Liga. Positiv ist, dass auch junge deutsche Spieler nachkommen.
Leon Draisaitl gehört zu den TopSpielern in der NHL, aber in Deutschland fehlt ein Stück weit noch die Anerkennung dafür, auch wenn es immer mehr wird...
Sturm: Das wird sich auch, glaube ich, nie ändern. Dafür ist er auch nicht der Typ. Ich vergleiche ihn immer mit Dirk Nowitzki, der ist als Typ ähnlich, mag auch nicht das große Drumherum. So ist Leon auch. Leider ist das so, denn er ist einer der besten Spieler der Welt und bei uns kennt ihn nicht mal jeder Sportfan.
Mit Tim Stützle wird ein weiterer Deutscher vor dem Draft hoch gehandelt: Hätten Sie ihn nächste Saison gerne in Ihrem Team?
Sturm: Logisch. Ein Deutscher würde unserem Team guttun. Das ist aber eine Entscheidung, die müssen die Kings beim Draft fällen. Er ist ein guter, ein spezieller Spieler. Ich kenne ihn spielerisch ein bisschen zu wenig. Aber ich hoffe natürlich, dass er in LA landet. Tim ist ein guter Spieler und wird, egal wo er landet, seinen Weg machen.
Haben Sie vor dem Draft ein gewisses Mitspracherecht?
Sturm: Ein Mitspracherecht nicht, aber man wird natürlich gefragt. Da geht es weniger um das Spielerische, dafür sind die Scouts zu gut. Es geht vor allem auch um den Mensch und den Charakter der Spieler. Da kommen immer wieder Fragen, die ich dann wiederum an meine Kontakte weitergebe.
Welchen deutschen Spielern rechnen Sie neben Tim Stützle gute Chancen für den Draft aus?
Sturm: Den bekannten Namen wie Lukas Reichel und JJ Peterka. Da hoffe ich, dass sie auch in der ersten Runde gezogen werden. Reichel ist für uns in LA auch ein alter Bekannter, weil eine Verbindung zwischen den Kings und den Eisbären Berlin da ist. Entsprechend kennen sie Reichel schon sehr gut aus den Sommercamps, die mit den Kings zusammen in Berlin waren.
In den vergangenen Jahren gibt es immer mehr deutsche Spieler in der NHL, auf der anderen Seite gibt es in der eigenen Liga, der DEL, nach wie vor noch nicht genügend Plätze für die deutschen Spieler. Warum?
Sturm: Ich glaube schon, dass wir genügend deutsche Spieler haben, die in der DEL oder DEL2 spielen könnten. Das bleibt immer ein Thema. Solange nichts geändert wird, können wir uns die Frage immer wieder stellen. Gut ist, dass mit Powerplay26 und dem Fünf-SterneKonzept im Nachwuchs gute Arbeit geleistet wird. Natürlich wünschen wir uns alle, dass mehr junge Deutsche die Chance bekommen, sich in der Profiliga durchzusetzen.
Sie haben zu Beginn Ihrer Karriere in Landshut mit Mike Bullard und Wally Schreiber an der Seite von zwei Top-Ausländern gespielt. Würden Sie sich wünschen, dass mehr deutsche Clubs auf Top-Spieler setzen statt auf mehr, aber dafür eher zweit- und drittklassige ausländische Spieler?
Sturm: Das ist eine gute Frage. Die Liga war schon immer eine gute Liga, aber die Qualität der Top-Spieler hat man vielleicht zuletzt nicht mehr so gesehen wie vielleicht zu meiner Zeit. Die Schweiz oder andere Länder machen es heute noch so und sind damit sehr erfolgreich. Darum ist es auch für uns manchmal frustrierend oder ärgerlich, wenn man ausländische Spieler in der DEL sieht, wo man weiß, dass es genügend Deutsche gibt, die genauso mitspielen können. Mir hat das geholfen, für mich war das damals super.
Bleiben wir bei der DEL: Da hat mit den Straubing Tigers ein niederbayerischer Club eine herausragende Saison gespielt. Wie haben Sie das aus der Ferne verfolgt?
Sturm: Weil wir selbst so viel unterwegs waren, habe ich die DEL allgemein eher weniger verfolgt. Aber natürlich habe ich mitbekommen, dass Straubing weit oben dabei war. Das ist für einen Niederbayer eine schöne Sache. Ich habe Verbindungen nach Straubing und weiß, dass sie die Jahre davor sehr gelitten haben. Deshalb war es schön zu sehen, dass sie letztes Jahr so einen Erfolg hatten.
Mit Stefan Loibl wechselt nun ein Straubinger nach Mannheim, den auch Sie in der Nationalmannschaft früh gefördert haben. Der richtige Schritt für ihn?
Sturm: Absolut. Den Schritt hat eigentlich jeder auch ein Stück weit kommen sehen. Da muss man Stefan Loibl auch verstehen. Jetzt ist er nicht mehr der ganz junge Spieler und will den nächsten Schritt gehen, um ein noch besserer und kompakterer Spieler zu werden. Auch menschlich, denn jetzt ist er nicht mehr daheim. Da lernt er sicher viel in Mannheim, wo es anders abgeht als in Niederbayern.