Sturz aus dem Nest

Chamerauer Störche haben ihr Jungtier verloren


Auf dem Herold-Kamin wurde noch bis Montag dieser Jungstorch großgezogen.

Auf dem Herold-Kamin wurde noch bis Montag dieser Jungstorch großgezogen.

Alles begann sehr positiv. Bis Anfang Mai hatte das Storchenpaar auf dem Herold-Kamin gebrütet. Einen Jungstorch galt es dann aufzuziehen und zu füttern. Bis Montag dieser Woche schien die Welt der Vogelfamilie in Ordnung zu sein. Am Dienstagnachmittag aber lag der Jungstorch unterhalb des Horstes auf der Regenstraße. "Es ist nicht hundertprozentig sicher, aber doch sehr wahrscheinlich, dass der Jungstorch aus dem Nest gefallen ist", vermuten Tierfreunde aus Chamerau. Denn Spaziergänger konnten beim Auffinden des kleinen Körpers keinerlei Verletzungen feststellen, die auf eine Tötung durch ein anderes Tier hingedeutet hätten.

Problematisch ist laut Vogelexperten, dass die Störche bei der Ankunft aus dem Süden ihren Horst erweitern und ausbessern und dabei den Horstboden nicht erneuern, dieser wiederum kann das Regenwasser nicht mehr durchlassen. Irgendwann entstehe dann eine Pfütze. Die toten Jungen werden kurzerhand aus dem Nest geworfen, damit die restlichen Jungen mehr Schutz erhalten können. Das ist in der Vogelwelt so üblich.

Kein Platz für Romantik

Menschen sehen in den Gefiederten gern Frühlingsboten, Friedenssymbole oder fröhliche Sänger. Doch die zoologischen Fakten sind weniger romantisch. Das Töten von Nestlingen ist als evolutionäre Überlebensstrategie weit verbreitet. Was unter menschlichen Maßstäben unfassbar erscheint, ist soziobiologisch betrachtet sinnvoll.

Nach dem Unglück ist nun auch in diesem Jahr Chamerau ohne Jungstörche. Die Störchin und ihr Partner hatten auch mit dem Hegen und Füttern des einzigen Jungen keinerlei Probleme. Da kleine Störche, sie wiegen beim Schlüpfen etwa 75 Gramm, in ihrem ersten grauweißen Daunenkleid sehr wärmebedürftig sind, werden sie ausgiebig gehudert, das heißt von den Eltern gewärmt. Und für die Sättigung der Jungen müssen sie im Schnitt pro Tag und hungrigen Schnabel etwa ein Pfund Nahrung herbeischaffen.

Das Regental ist Festtafel

In den ersten Tagen besteht die Nahrung in der Hauptsache aus Regenwürmern, Schnecken, Heuschrecken und Kleininsekten. Mit noch geschlossenen Augen, aber mit erstaunlicher Sicherheit, picken die Jungen die von den Altvögeln herangetragene Nahrung auf.

In den Wiesen entlang des Regens finden die Störche ein reichliches Nahrungsangebot. Die Kleingewässer, die neu angelegt oder am Regen bereits vorhanden sind, sind Heimat für zahlreiche Frösche und Molche, eine Leibspeise der schon etwas größeren Störche. Von Tag zu Tag werden die Brocken größer, später vertilgen sie sogar Maulwürfe oder Mäuse. Bei starkem Sonnenschein steht ein Altstorch auf dem Rand des Horstes und spendet den Jungen Schatten. Zudem transportieren die Altstörche Wasser, um die Jungtiere zu tränken.

Das tote Storchen-Jungtier aus Chamerau ist kein Einzelfall: In Bayern kommen jährlich viele Jungstörche ums Leben, weil sie bei viel Regen oder Gewittern erfrieren. Auch Plastik ist eine Gefahr. Altvögel tragen manchmal Plastikteile ins Nest. Wenn sich die Jungstörche darin verheddern, können sie ersticken.