Regierungskonsultationen
Was der Kanzler und das halbe Kabinett in Indien wollen
24. Oktober 2024, 5:30 Uhr
Regierungskonsultationen haben etwas von Klassenfahrt. Der Kanzler trommelt mehrere Ministerinnen und Minister zusammen, um den Beziehungen zu einem besonders engen oder wichtigen Partner auf der Welt einen kräftigen Schub zu verleihen. Oft hockt dann das halbe Kabinett schon auf dem Hinflug stundenlang im Regierungsflieger auf engstem Raum zusammen - und keiner kann raus.
Bei den deutsch-indischen Regierungskonsultationen ist es anders. Die Ampel-Regierung wird in den nächsten Stunden nach und nach zum siebten Treffen dieser Art in Neu-Delhi eintrudeln. Zuerst landeten heute am frühen Morgen (Ortszeit) Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in der indischen Hauptstadt. Kurz darauf startete Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit einem zweiten Regierungsflieger von Berlin aus nach Indien. Außenministerin Annalena Baerbock (aus Paris) und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (direkt im Anschluss an einen Kiew-Besuch) reisen mit Linie an. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) musste kurzfristig absagen, weil er erkrankt ist.
Am Freitag werden Scholz und die anderen Minister im Hyderabad House, dem Gästehaus der Regierung in Neu-Delhi, mit Ministerpräsident Narendra Modi und seinem Kabinett beraten. Darum geht es dabei:
Die Reise hat sehr viel mit Russland zu tun. Indien zählt neben Brasilien und Südafrika zu den drei Ländern der G20-Staatengruppe, die sowohl zu Moskau als auch zum Westen einen guten Draht haben. Modi ist gerade noch im russischen Kasan beim Gipfeltreffen der sogenannten Brics-Staaten, die sich als Gegengewicht zur G7 führender westlicher Wirtschaftsmächte verstehen. Bei den Bemühungen um ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine könnte Indien wegen seiner guten Beziehungen in beide Lager eine besondere zukommen. Kanzler Scholz wirbt seinerseits seit Monaten verstärkt für eine neue Friedenskonferenz, an der dann auch Russland teilnehmen soll.
Deutschland und Indien haben vor mehr als 20 Jahren eine strategische Partnerschaft abgeschlossen und wollen ihre Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich nun weiter intensivieren. Scholz besucht am Samstag in der Provinz Goa die deutsche Fregatte "Baden-Württemberg" und das Versorgungsschiff "Frankfurt", die an einem gemeinsamen Manöver mit der indischen Marine teilnehmen.
Auch bei der Rüstungskooperation gebe es noch "unerschlossenes Potenzial", sagte Modi bereits beim letzten Indien-Besuch des Kanzlers im vergangenen Jahr. Indiens Streitkräfte sind derzeit zu einem Großteil mit russischen Waffen ausgerüstet. Die Bundesregierung würde gerne daran mitwirken, das zu ändern.
"Und da Indien nun nicht in einer ganz friedlichen Region lebt, braucht es Waffen zur Selbstverteidigung inklusive U-Booten", sagte Habeck in Neu-Delhi. "Und wenn wir nicht wollen, dass Russland sie immer nur beliefert und diese Abhängigkeit immer größer wird oder das Verhältnis zwischen den beiden permanent gestärkt wird, dann muss man entsprechend auch agieren."
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) pochte vor seinem Abflug auf einen zügigen Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Indien. "Seit 20 Jahren wird darüber verhandelt, das ist nicht gerade Deutschlandtempo. Mal gucken, ob wir ein paar Knoten lösen können", sagte der Grünen-Politiker. Die ersten Verhandlungen über ein solches Abkommen gab es von 2007 bis 2013. Damals scheiterten die Gespräche aber. Hürden waren aus deutscher Sicht etwa Schutzmaßnahmen für den indischen Autosektor. 2022 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen.
Aktuell ist das schwierigste Thema nach Einschätzung Habecks die Landwirtschaft, wo in Indien ein deutlich größerer Teil der Bevölkerung arbeite als in Deutschland. Wenn Indien seinen Markt komplett öffnen würde, würde dies für das Land erhebliche Verwerfungen auslösen.
Für Arbeitsminister Heil geht es um die Anwerbung von Fachkräften aus Indien. Vergangenen Mittwoch hatte das Kabinett eine Strategie zur leichteren Anwerbung der Fachkräfte beschlossen, deren Umsetzung bei der Reise vorangetrieben werden soll. Der SPD-Politiker besuchte am ersten Tag seines Besuchs unter anderem eine Schule in Neu-Delhi, um sich dort über ein Pilotprojekt zu informieren, das junge Inderinnen und Inder sprachlich und kulturell auf eine dreijährige duale Ausbildung in Deutschland vorbereiten soll.
Die sogenannten Ausbildungspartnerschaften mit Schulen in Lateinamerika (APAL) wurde inzwischen auf Asien - bisher Indien und Usbekistan - erweitert. Geplant ist derzeit, dass die ersten 30 bis 40 indischen Schüler im Herbst nächsten Jahres nach Deutschland gehen können. In Indien komme eine Million Menschen pro Monat auf den Arbeitsmarkt, sagte Heil. Nötig sei die Anwerbung von Arbeits- und Fachkräften auch in Indien.
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