Politik

Verteidigungsminister in Brüssel: Pistorius' Premiere mit Ansage

Deutschlands neuer Verteidigungsminister tagt in Brüssel erstmals mit seinen Nato-Kollegen - und kündigt an, dass Panzer-Geschosse künftig wieder in der Bundesrepublik produziert werden sollen.


Boris Pistorius in Brüssel.

Boris Pistorius in Brüssel.

Von Katrin Pribyl

Heftige Kämpfe in der Stadt Bachmut, erbitterte Gefechte in Charkiw - die Ankunft der Nato-Verteidigungsminister im Brüsseler Hauptquartier wurde begleitet von düsteren Nachrichten aus der Ukraine. Sind die jüngsten Angriffe der Beginn der russischen Offensive, vor der Kiew sowie westliche Geheimdienste seit Monaten warnen?

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte sich gestern deutlich: "Wir sehen keine Anzeichen dafür, dass Präsident Putin sich auf den Frieden vorbereitet." Das Gegenteil sei der Fall. "Er bereitet sich auf mehr Krieg vor, auf neue Offensiven und neue Angriffe."

Deshalb forderte der Norweger die 30 Mitglieder des transatlantischen Militärbündnisses auf, die Munitionsproduktion für die Ukraine zu erhöhen. "Das ist auch ein Logistikrennen." Ähnlich drückte es der neue deutsche Verteidigungsminister aus.


Die Frage der Nachlieferung von Munition sei "die große Herausforderung in den nächsten Monaten", sagte Boris Pistorius (SPD). Es war seine erste Zusammenkunft im Kreis der Bündnisstaaten, zu der zusätzlich die Beitrittskandidaten Schweden und Finnland sowie der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow eingeladen waren.


Obwohl es schon im Herbst Warnungen vor einer russischen Frühjahrsoffensive
und schwindenden Munitionsvorräten der Ukraine gegeben hatte, wie Beobachter einräumen, scheinen diese von den Alliierten kaum wahr- oder zumindest nicht ernst genug genommen worden zu sein.

Nun herrschte jedenfalls ein anderer Ton bei den Ministern als noch vor einigen Wochen. Stoltenberg etwa drängte, dass die Produktionskapazitäten hochgefahren werden müssten - einerseits für die Lieferung in die Ukraine und andererseits, um die eigenen Bestände wieder auffüllen zu können.


Hinter den Kulissen schieben sich Politik und Industrie offenbar gegenseitig die Schuld zu. Die eine Seite moniert, die Leistungsfähigkeit der Rüstungsunternehmen müsse erhöht werden. Die andere Seite beklagt den Mangel an Aufträgen. Dass das Thema Munitions-Nachlieferung jetzt Fahrt aufnimmt, ist laut Pistorius richtig und notwendig - "und hoffentlich nicht zu spät". Für die Ukraine gehe es derzeit darum, den Luftraum nicht an Russland zu verlieren und noch mehr Bombardierungen und Angriffe auf kritische Infrastruktur hinnehmen zu müssen, sagte Pistorius.

Der Bundesverteidigungsminister kündigte an, dass Deutschland wieder in die Produktion von Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard einsteigen werde. "Druckfrisch" unterschrieben seien die Verträge mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall.

"Munition ist jetzt wichtiger als Kampfjets"

Damit will die Bundesrepublik nicht nur die schnellere Belieferung der Ukraine sicherstellen, sondern sich auch unabhängig von der Schweiz machen. Die Regierung in Bern weigert sich mit Verweis auf den neutralen Status des Landes, eine Weitergabe von Munition aus heimischer Produktion für die von Deutschland gelieferten Gepard-Panzer zu erlauben. Doch dieser leiste trotz seines Alters "herausragende Dienste gerade bei der Drohnenabwehr", so Pistorius.


Warum aber kommen die eiligen Bestellungen aus Berlin erst jetzt?
Die Fertigstellung dürfte Monate dauern, zuletzt war die Rede von Juli. "Das ist eine gute Frage", sagte Pistorius, die er aber nicht beantworten könne. Er sei erst seit etwas mehr als drei Wochen im Amt.

Pistorius wies zudem auf die Bedeutung der Ausbildung hin,
sowohl an den Waffensystemen als auch jene von Feldwebeln, die er als "Seele der Führungsfähigkeiten einer Armee" bezeichnete. Deutschland habe bis heute 1200 Soldaten speziell geschult. "Ausbildung und Lieferung müssen Hand in Hand gehen, nur dann erzielt beides Wirkung", sagte Pistorius.

Offenbar wollte man den negativen Schlagzeilen aus dem kriegsgebeutelten Land etwas Optimismus entgegenhalten. "Wir werden der Ukraine helfen, sich der russischen Frühjahrsoffensive entgegenzustellen und voranzukommen", kündigte der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin an. Der Kreml setze vergeblich darauf, dass er die Entschlossenheit des Westens "aussitzen" könne.


Kampfjets spielten in Brüssel nur am Rande eine Rolle. Resnikow zog nach seiner Ankunft im Nato-Gebäude zwar eine Zeichnung eines Kampfjets aus der Brusttasche seines Jacketts und hielt diese in die Kameras.

Doch sein deutscher Amtskollege Pistorius winkte ab: "Alle haben verstanden, dass die Frage der Luftverteidigung und die Frage der Munitionsnachbeschaffung viel wichtiger sind im Augenblick als die Diskussion um Kampfjets, bei der alle wissen, dass die Ausbildung allein zum Fliegen schon mehrere Monate dauert."