Omikron bald vorherrschend
Verschärfungen und kürzere Quarantäne im Gespräch
5. Januar 2022, 14:53 Uhr aktualisiert am 5. Januar 2022, 17:00 Uhr
In wenigen Tagen dürfte Omikron vorherrschend sein - und immer noch ist rund jeder Vierte nicht geimpft. Bund und Länder bereiten kürzere Quarantäne vor - und möglicherweise auch neue Kontaktbeschränkungen.
Angesichts der explosionsartigen Verbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus rücken kürzere Quarantänezeiten und mögliche schärfere Kontaktbeschränkungen näher. Nach Einschätzung der Bundesregierung dürfte Omikron bereits in wenigen Tagen bundesweit die dominierende Corona-Variante sein. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte mit Blick auf die Ministerpräsidentenkonferenz am Freitag Vorschläge für schärfere Kontaktbeschränkungen an. Bundesregierung und Wissenschaftler mahnten die Bevölkerung, trotz meist milderer Verläufe durch Omikron das Risiko schwerer Erkrankungen und längerfristiger Lungenschäden nicht zu unterschätzen.
"Zurzeit gehen wir von einem Omikron-Anteil von 25 Prozent deutschlandweit aus", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Mittwoch in Berlin. In einigen Bundesländern insbesondere im Norden sei Omikron bereits dominierend. Insofern sei davon auszugehen, "dass in kurzer Zeit, in wenigen Tagen Omikron eigentlich auch bundesweit die dominierende Variante sein wird". Seit Ende Dezember steigt die Sieben-Tage-Inzidenz. Am Mittwoch lag der Wert laut Robert Koch-Institut bei 258,6 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche. Binnen eines Tages wurden 58.912 Neuinfektionen und 346 Todesfälle gemeldet.
Risiko trotz milderer Verläufe
Der Berliner Virologe Christian Drosten bekräftigte, Daten wiesen darauf hin, dass bei Omikron-Infektionen ein kleinerer Anteil der Infizierten ins Krankenhaus müsse. Doch das individuelle Risiko bleibe. "Es gibt junge Leute Mitte 20, die auf der Intensivstation landen", sagte Drosten im Podcast "Coronavirus-Update" bei NDR-Info. Es gebe auch Berichte von Leistungssportlern, die nach fast asymptomatischer Infektion noch wochenlang nicht trainieren könnten. "Das kommt einfach daher, dass das Lungengewebe geschädigt wird." Das könne Monate dauern. Regierungssprecher Steffen Hebestreit mahnte, man könne auch mit Omikron krank werden und für eine ganze Weile ausfallen. "Das ist jetzt kein Pappenstiel."
Lauterbach sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), insbesondere für Ungeimpfte gebe es keinen Grund zur Entwarnung. "Mein Appell an die Ungeimpften ist, dass sie sich schnell zumindest einmal impfen lassen, damit sie wenigstens für den ganz schweren Krankheitsverlauf eine wichtige Schutzwirkung haben."
Vor neuen Beschlüssen
"Verschärfungen werden leider notwendig sein, um der schweren Welle, die auf uns zukommt, zu begegnen", sagte Lauterbach. Er werde dazu Vorschläge machen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte den Tageszeitungen "Stuttgarter Zeitung", "Stuttgarter Nachrichten" und den Partnerzeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft: "Wir wollen auch künftig flächendeckende und pauschale Schließungen vermeiden."
Zwei Tage vor der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war dabei zunächst unklar, ob der Expertenrat der Regierung zuvor noch eine Stellungnahme zur Corona-Lage abgibt. Er wisse es nicht, sagte Sprecher Hebestreit. Der Expertenrat tage vertraulich - wie zuletzt am Dienstag. Der Ratsvorsitzende Heyo Kroemer von der Berliner Charité habe dem Kabinett Fragen zur Lage beantwortet. Am Mittwoch wollten nach Angaben Hebestreits noch die Staats- und Senatskanzleichefs der Länder beraten, zudem die Gesundheitsministerinnen und -minister. Über die Lage an den Schulen berieten die Kultusministerinnen und -minister.
Debatte über kürzere Quarantäne
Lauterbach verteidigte seinen Vorstoß für kürzere Quarantäne. "Studien zeigen, dass die Generationszeit - also auch die Phase, in der sich das Virus im Körper ausbreitet und die Phase, in der ein Mensch ansteckend ist - bei Omikron viel kürzer ist", erläuterte er. "Wir können also bis zu einem gewissen Grad die Quarantänezeit verkürzen, ohne ins Risiko zu gehen." Damit soll eine Gefährdung wichtiger Versorgungsbereiche wegen eines möglichen massiven Ausfalls von Beschäftigten verhindert werden. Lauterbach nannte insbesondere Krankenhäuser, Altenpflege, Polizei, Feuerwehr sowie die Wasser- und Stromversorgung. Für diese Bereiche seien neue Quarantäne- und Isolationsregeln nötig. Auch die Bereiche Schule und Reisen müssten bedacht werden.
Heute soll man bei engem Kontakt zu einer positiv auf Corona getesteten Person für zehn Tage in häusliche Quarantäne - verkürzbar auf sieben Tage mit Schnelltest und fünf mit PCR-Test. Keine Quarantäne verhängt das jeweilige Gesundheitsamt gemäß RKI-Empfehlung in der Regel bei vollständig Geimpften - außer bei der infizierten Kontaktperson handelt es sich um einen Omikron-Fall.
Wer selbst infiziert ist, soll 14 Tage nach Symptombeginn in Isolierung - vollständig Geimpfte fünf Tage, wenn sie danach symptomfrei und negativ PCR-getestet sind. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur, er erwarte am Freitag Entscheidungen für die Funktionsfähigkeit der kritischen Infrastruktur. Städtetagspräsident Markus Lewe (CDU) nannte eine modifizierte Quarantäneregelung im Deutschlandfunk entscheidend.
Auf die Auffrischimpfung kommt es an
Eine Auffrischungsimpfung ist laut Drosten die beste Waffe gegen Omikron: "Was richtig schützt gegen Omikron ist die Dreifach-Impfung." Drosten verwies auf eine britische Studie, nach der bei einer Omikron-Infektion das Risiko einer Klinikeinweisung geringer sei als bei der Delta-Variante: Bei doppelt Geimpften sinke das Risiko um 34 Prozent, bei Menschen mit Booster-Impfung sogar um 63 Prozent - bei Ungeimpften nur um 24 Prozent.
Die Booster- und Impfkampagne habe über die Feiertage einen "leichten Knick" gehabt, räumte Hebestreit ein. Gut 40 Prozent der Bevölkerung haben bisher eine Booster-Imfpung erhalten. Hebestreit: "Wer es noch nicht getan hat: Lassen Sie sich boostern!" Grundschutz mit der meist nötigen zweiten Spritze haben 71,4 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Regierung strebt nun eine Marke von 80 Prozent bis Ende Januar an. 21,3 Millionen Menschen sind nicht geimpft - mehr als jede und jeder Vierte. Davon können 4 Millionen auch nicht geimpft werden, weil sie unter fünf sind.